Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 37, Juni 1986

4.3. Die Lage der Bevölkerung in den Kriegsjahren Das Leben in einer Siedlung, die ihr Entstehen der Rüstungsexpansion verdankte, stand im Zeichen des Arbeitseinsatzes im Betrieb. Die Abhängigkeit der Menschen vom Betrieb kommt auch dadurch zum Ausd ruck, daß das M ietverhältnis der Wohnungen ,binnen vierzehn Tagen nach Ausscheiden aus dem Betrieb' gekündigt wurde, »sobald der M ieter nicht mehr bei einem Betrieb des , Hermann Göring' Konzerns beschäftigt« war. 1 ) I n den ersten Jahren war das Leben in Münichholz vom ständigen Zuzug neuer Bevölkerungsg ruppen geprägt. Viele davon waren, wie bereits erwähnt, Flüchtlinge und Rückwanderer. So berichtet die Ch ron ik der Volksschule Münichholz, daß es du rch die vielen Zuwanderungen der Rückwanderer aus Rumänien n icht mehr möglich war, »alle Kinder in einer Klasse zu unterrichten, und es mußte daher ab 22. Mai 1 94 1 in der ersten Klasse der Halbtagsunterricht eingefüh rt werden.« 2 ) »Man traf die verschiedensten Leute (in den Wohnungen, Anm„) traf sie in allen möglichen Umständen und Verhältnissen , die einen wohl eingerichtet, man merkte meist, daß die damals ,gut angeschrieben' waren, die anderen eben am Auspacken i h res Flüchtlingsgepäcks . . . « , beschreibt die Pfarrchronik.3) Einen kleinen Ü berblick über die Situation der Familien in Münichholz soll die folgende Erhebung geben : I m Schuljahr 1 942/43 waren 1 9,4 Prozent der Väter der Münichholzer Schulkinder zur Weh rmacht eingezogen, 59,2 Prozent arbeiteten in den Steyr-Werken, bei 3,3 Prozent arbeitete die Mutter im Werk, bei 2,3 Prozent beide Elternteile.4) Im Dezember 1 94 1 belief sich die Einwohnerzahl der Siedlung auf 4.000 bis 5.000 Einwohner.5) Ab dem Jahre 1 943 verschärfte sich allerdings die Situation zunehmends du rch die ersten Einflüge alliierter Bombengeschwader. Bisher war ja Österreich noch von Luftangriffen verschont geblieben . 6) Da sich die Luftlage für Steyr immer mehr verschlechterte und Steyr »eine bei Luftangriffen seh r ungünstige Verbauungsweise hatte, ordnete der Gauleiter und Reichsstatthalter Eig ruber als Reichsverteidigungskommissar eine teilweise Zwangsevakuierung an.« Im Jänner 1 944 war Eig ruber selbst in Steyr und sprach zur Bevölkerung von Steyr über die Lage und machte ihr seine Anordnungen klar.?) Familien mit Kleinkindern mußten ganz weg , nu r mit g rößeren Schulkindern du rfte man bleiben. » Es wurde unsägl ich leer i n Mü nichholz.« Die Familien wurden fast nur nach dem Westen gelassen : Steyrtal , Kremstal, Weiser Gegend, Almtal . . . Wer Bekannte oder Verwandte hatte, du rfte auch ins l nnviertel oder Hausruckviertel. Kaum hatten die Münichholzer eine neue Existenz gewonnen, wurden die Familien schon wieder zerrissen. Noch weiter g i ng die Zerreißung du rch die teilweise Verlagerung des Maschinenparks der Fabrik. »Die Männer kamen so nicht nur ins Ennstal, sondern auch nach Molln, Linz, Rottenmann, Budapest und andere Orte.«s) 72

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