Veröffentlichungen des Kultturamtes, Heft 36, Dezember 1985

den Grammatikklassen am Freitag oder Samstag abgefragt wurde. Man konnte damals leicht mit dieser halben Stunde Katechismuserklärung auskommen, war doch der Lehrer verhalten, jede Gelegenheit bei der Lektüre klassischer Schrifsteller zu benützen, religiöse und moralische Wahrheiten zu erläutern. Dazu kamen die Vorträge des Präses in der Kongregation, Privatgespräche mit den Schülern und die Empfehlung der Lektüre religiöser Bücher. In den unteren Klassen war der kleine, in der Poetik- und Rhetorikklasse der große Katechismus des Canisius in Gebrauch56 ). · Es wäre aber sicher ein Irrtum zu glauben, daß man sich in diesem, praktisch auf zwei Fächer beschränkten Unterricht nur mit der sprach– lichen und logischen Schulung befaßt hätte. Bei der Lektüre gab es, und das beweist die weitere Entwicklung, nicht nur Hinweise auf die bereits erwähnten religiösen und sittlichen Grundsätze, sondern auch schon eingehendere Belehrung über den geschichtlichen und geo– graphischen Hintergrund, und ohne Zweifel wurden auch die vier Grundrechnungsarten im Zusammenhang mit der lateinischen bzw. griechischen Grammatik geübt. Die Ratio studiorum von 1599 erwähnt die Geschichte wohl nur als eine Quelle der „eruditio", jedoch hatte sie nicht nur die eigentliche Geschichte, sondern auch deren Hilfswissen– schaften zu berücksichtigen. Neben den klassischen Historikern der Antike konnten auch neuere Geschichtswerke zur Lektüre herangezo– gen werden. Außerdem bemühte man sich sehr, das Interesse für Ge– schichte, insbesondere für die vaterländische, durch Schriften zu för– dern, die bei festlichen Gelegenheiten unentgeltlich an die Schüler verteilt wurdens7). Es ist daher kein Zufall, daß die Geschichte das erste Fach war, welches bereits um 1730 an vielen Anstalten der österreichischen Pro– vinz eingeführt wurde. Es ist auch kein Zufall, daß die erste Lehrkanzel für Geschichte, die 1727 in Wien errichtet wurde, dem Jesuiten P. Josef Pichler übertragen wurde. Alsbald verfaßte P. Franz Wagner SJ ein Ge– schichtslehrbuch in 6 Teilen zum „Gebrauch der sechs unteren Schu– len in den Gymnasiis der Provinz Österreich der Sozietät Jesu". Der 1. Teil enthielt eine Einführung in die Geschichte des Alten Testamen– tes, der zweite eine solche in die Geschichte der Assyrer, Perser und Griechen sowie deren Mythologie, der dritte die Einführung in die rö– mische Kriegsgeschichte, der vierte in die römische bürgerliche Ge– schichte, der fünfte in die Geschichte der römischen Kaiser von Augus– tus bis Karl d. Großen, und schließlich der sechste Teil die Einführung in die Geschichte von Karl dem Großen bis zu Karl VI. Die Bändchen erschienen hintereinander von 1729-1733, u.zw. in deutschen, lateini– schen und deutsch-lateinischen Ausgaben58) . In Steyr ist der Ge– schichtsunterricht erstmals für 1732 belegt, denn die LA berichten für dieses Jahr: Porro hae quatuor inferiores classes historiam sub finem anni narravere, subjecereque Examini (Sodann sagten die vier Unter– klassen am Ende des /Schul-/Jahres die Geschichte auf und unterzo82

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