Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 33, 1976

Ende September 1625 langte in Steyr ein Befehl ein, alle Mitglieder des Rates zur Zeit der „Rebellion“ — d. h. zur Zeit der Reformation — sollten nach Linz kommen. Das Schicksal des früheren Bürgermeisters Michael Aidn vor Augen habend, wurde dieser unmißverständliche Auftrag als Bedrohung aufgefaßt.35) Am 10. Oktober 1625 hatten sich die Steyrer Bürger in der Pfarrkirche zu versammeln, um ein weiteres kaiserliches Patent zur Kenntnis zu nehmen. Damit niemand das Gotteshaus verlassen konnte, wurden dessen Tore versperrt und versiegelt. Das Patent lautete auf Auswanderung, wenn sich die Bewohner nicht bis Ostern 1626 zur alleinseligmachenden katholischen Religion bequemen wollten.36) Prediger und evangelische Lehrer hatten sofort die Stadt zu verlassen. Steyrer durften nicht, wie es bisher üblich gewesen war, an protestantischen Hochschulen wie Wittenberg u. a. studieren.37) Die übriggebliebenen lutherischen Beamten hatten sofort den Dienst zu quittieren. Alle protestantischen Bücher waren unverzüglich einzuziehen. Alle Bürger mußten fleißig den katholischen Gottesdienst besuchen. Die protestantischen Offiziere der bairischen Besatzung wurden durch katholische ersetzt.38) Nach diesen Eröffnungen wuchs der Widerstand der Steyrer Bevölkerung. So mußte der Stadtschreiber Sonnenwald im Oktober 1625 den Reformationskommissaren berichten, daß die Steyrer Bürger vollkommen „verstockt“ seien und sich bisher nur wenige der katholischen Religion zugewandt hätten.39) Die übereifrige städtische Behörde bat um scharfe Verordnungen und um Verhängung strenger Strafen und fragte sogar an, ob sie wegen der größeren Wirkung gegen die eigenen Mitbürger die Assistenz des Soldateska verwenden dürfe ! Sonnenwald kam auch mit dem protestantischen Historiker Valentin Preuenhueber in Konflikt, der ihm unmißverständlich zu verstehen gab, er lasse sich nichts verbieten.40) In der Folgezeit wurden Bürgerlisten angelegt, mit Angaben, wer sich bekehren wolle, wer seine Auswanderung angemeldet und wer sich noch nicht entschieden habe. Einigen wurde die Entscheidung vom „schwarzen Tod“ abgenommen, als im November 1625 in der Eisenstadt die Pest ausbrach.41) So konnte erst im Jänner 1626 mit der Einziehung der protestantischen Bücher begonnen werden. Die vier beauftragten Kommissionen besuchten überfallsartig unter der Führung eines katholischen Geistlichen die Häuser in den verschiedenen Stadtteilen. Die enteigneten Protestanten erklärten erbittert, „es wäre ihnen lieber, wenn man ihnen die Seele aus dem Leibe risse, als daß man ihnen die Bücher wegnehme.“42) Besonders die Frauen wehrten sich gegen die Konfiszierung. Die beigezogenen Soldaten hatten gegen diese „mit gebührender Diskretion vorzugehen !43) 36

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