Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 25, Dezember 1964

dachte ans Fliehen, die Straßen des Ortes waren mit Wagen und Kutschen Überfülle Wegen der bedrohlichen Lage versuchte Schinnerer schon hier zu erfahren, wie er es mit seiner Ladung halten solle. Aber „auß lauther forcht und zitern an einen und andtern orth" wurden ihm keine klaren Antworten gegeben. Man bat ihn, nur die Kugeln „eulfertig nach Wienn^zu liffern". über den Kaiser berichtete Schinnerer in einem Briefe an seinen Sohn, daß jener sehr „betriebt" anzusehen war. „Zum glickh war der Scheibenbogen von Linz . . . alhero khomben so ire Maystetten (Majestäten) und mehristc Hofsstatt hinauf führte, er hat umb andere leith (Leute) wollen nach Wienn fahren". In Linz hielt der Kaiser mit den Ständen Rücksprache über die Gestellung von Truppen und reiste nach Passau weiter. Schinnerer fuhr über Tulln nach Wien, wo er am 11. Juli einlangte. Schon sah er ein „feur nach dem andtern ... am landt aufgehen, die cavalleria stundte in der Leopoldstatt am Tabor, die infanteria und arthgleria wahr noch nicht alda", es sollten aber in den folgenden Tagen bei 13.000 Mann guter Soldaten in die Stadt kommen, erzählte man ihm. Auch die „Bürgerschaft, studenten und andere junge pursch khomben baldt ins gwöhr" (würden bald bewaffnet werden). Nach einer Wartezeit von fast zwei Tagen konnte Schinnerer mit Hilfe der Rumormei- ster die Kartaunenkugeln endlich abliefern. Dann ging er daran, seine in Wien befindlichen Kinder „mit den ihrigen wenigen vermögen auß dißen großen unbeschreiblichen dient" auf seine Zillen zu bringen. Ebenso gelang es ihm, 6.000 Gulden Gewerkschaftsgelder einzukassieren, weitere 6000 konnte er wegen des allgemeinen Tumultes nicht mehr einbringen. Türken und Tartaren streiften am 12. Juli schon in der Nähe des Stubentores. Unter größten Schwierigkeiten und mit Hilfe eines im Militärdienst stehenden Sohnes konnte zu dem bereits gemieteten noch ein türkisches Beutepferd beschafft werden. Mit diesen Rössern wurden die zwei schwer beladenen Zillen aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich bis Nußdorf geschleppt. Außer einigen Familienangehörigen befanden sich auf den Zillen dicht gedrängt über 100 Flüchtlinge und die „bösten suchen der Wiener Stadtkommandanten Starhemberg und Thaun (Daun?)" sowie Gepäck der Herren Khunniz und Kriechbaum. Für den Augenblick war die Flüchtlingsgruppe dem unmittelbaren Zugriff der Türken entzogen, doch die Gefahr rückte näher. In der Nacht wurde Alarm gegeben, da sich streifende Feindesscharen Nußdorf näherten. Die verzweifelten Flüchtlinge konnten überdies in der Nacht die in Flammen stehenden Vororte Wiens beobachten. Da das eine Zugpferd nur bis Nußdorf gemietet worden war, versuchte Schinnerer „umb gotteg und umb der 5 wundten (Christi) willen" ein Ersatzroß zu kaufen, damit er weiter könne. Dies gelang und die Zillen konnten bis Klosterneuburg weiterfahren. Hier war inzwischen Schinnerers Sohn Gottlicb angekommen, der Frau und Kind „auf die fuehr" gab. Auch in Klosterneuburg fand Schinnerer keines der versprochenen Zugpferde aus Steyr vor, aber ein ihm bekannter Vorreiter stellte ihm sechs „schösfroß" zur Verfügung. Mit diesen ging die Fahrt weiter nach Greifenstein, wo in einer Au übernachtet wurde. In unmittelbarer Nähe dieses Platzes zeigten sich ebenfalls Tartaren und „brennerisches gsindl". Als am nächsten Tage die Schiffe am linken Donauufer weitergeschleppt wurden, traf man schon nach einer halben Meile Weges auf Landleute, die vor den sie verfolgenden Feinden flüchteten. Vielen Personen gelang es, sich mit Wasserfahrzeugen ans rechte Donauufer in Sicherheit zu bringen, so auch dem Bürgermeister mit seinen zwei Zillen. Allerdings mußten vier Zugpferde in Stich gelassen werden und auch „zway Khnechte, deren ainem gleich der köpf wecgge- schmissen wurde". Der andere versteckte sich in den Donauauen. Am rechten Ufer, das von eigenen Soldaten besetzt war, „welche nicht beßer als der feindt haußeten", gab es keinen Treppelweg. Um nun weiter zu kommen, sah man sich genötigt, einen provisorischen Schiffsweg herzurichten, überall in den Donauauen konnten viele tausend Menschen beobachtet werden, die sich aus Angst dort versteckten.52 52) RP 1683, 97. 28

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