Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 20, April 1960

Bas letzte Gottesurteil in stepr Von Si. Erlefried Krobath anno tseo Schon in alter Zeit pflegte man verdächtige Personen, denen man Mord oder Totschlag nicht Nachweisen konnte, an die Bahre des Getöteten zu rufen, weil man annahm, daß in Gegenwart des Täters die Wunden wieder aufbrechen würden. Dieser Schuldbeweis, Gottesurteil genannt, wurde sehr ernst genommen und wir können heute nur mit Schaudern an diese Art der Beweisführung denken, die auch in der Sage ihren Niederschlag fand. Selbst das Nibelungenlied läßt Hagen an die Bahre Siegfrieds treten: „Das ist ein großes Wunder, wie es oft noch geschieht, Wenn man den Mordbefleckten bei dem Toten sieht, So bluten die Wunden, wie es auch hier geschah; Daher man der Untat sich zu Hagen versah." Im Mittelalter war diese Prozeßführung weit verbreitet. Beim „Bahrgericht" handelte es sich um eine Art der früheren Gottesgerichte, es wurde nur angewendet, wenn ein Beweisnotstand vorlag. Das Bahrgericht sah vor, daß der Beschuldigte die Wunden oder auch den Nabel des Getöteten berühren und dabei eine Formel sprechen mußte. Bluteten die Wunden oder zeigte sich am Munde des Toten Schaum, war der Schuldbeweis erbracht, zumindest aber erschien der schwere Verdacht bestätigt. Nach Ansicht mancher Rechtsgelehrter dieser Zeit war dann zur endgültigen Feststellung der Schuld, der Verdächtige noch einer Folterung zu unterwerfen. Im fränkischen Recht bestand für diese Art der Beweisführung sogar ein eigenes kirchliches Ritual. Das Bahrrecht (jus feretri, jus cruentationis) wurde von manchen Gerichten bis ins 17. Jahrhundert zur Überführung von Mördern und Totschlägern angewendet. In Steyr geschah dies letztmalig gegen Ende des 16. Jahrhundertes. Am 10. Jänner 1580 war Hanns Kofler, ein Bruder des einstigen Stadtschreibers Wolfs Kofler in seinem Hause in der Kirchengasse mit zerschmettertem Kopfe und durchschnittener Kehle aufgefunden worden. Neben ihm, inmitten der Stube, lag seine alte Haushälterin, der der Mörder ebenfalls tödliche Wunden zugefügt hatte. Trotz eifriger Nachforschungen durch das Stadtgericht konnte der Täter nicht ermittelt werden. Nach einigen Tagen jedoch fiel der Verdacht, dieses Verbrechen begangen zu haben, auf den Tuchscherer Sebastian Sallmayr, der am Mordtage mittags von Kofler zu einem Blutwurstgerichte eingeladen worden war. Obwohl sich im Laufe der Untersuchung herausstellte, daß die Haushälterin nach dem Mittagessen am Mordtage noch die Kirche besuchte und Sallmayr zu dieser

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