Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 20, April 1960

Für 1609 wurde keine Wahl abgehalten, da die Erlaubnis zur freien Durchführung derselben nicht erteilt worden toar.8 Es wurden jedoch die Gewählten des Vorjahres in ihren Ämtern belassen. Wie für die vergangenen Jahre hatte die Stadt auch für 1610 bei der n.-ö, Regierung um Erlaubnis zur Abhaltung der Ratswahlen für dieses Jahr gebeten und erhielt den Befehl, alle Urkunden über die der Stadt gewährten Privilegien im Original vorzulegen, damit „darüber sich alsdan Ir Kön: May: (gemeint ist hier König Mathias, Erzherzog von Österreich) Genedigist" entscheiden könne. Bürgermeister, Richter und Rat bangten um den eventuellen Verlust dieser Originalurkunden, mit denen die Stadt jederzeit die ihr von verschiedenen Landesfürften gewährten Privilegien Nachweisen konnte und deren Vorhandensein für die Stadt von weitreichender Bedeutung war. In einem Schreiben vom letzten November des Jahres 1609 wandte sich daher der Rat an die „Hoch: vnd Wolgebornen Herrn auch Edlen Gestrengen vnd Hochgelehrten Herrn / Herrn der Khöniglichen Maye- stet Zu Hungern vnnd designierden Khön(iglichen) Würden in Behaimb (Böhmen) Herrn Herrn Mathiae Ertzhertzogen Zu Österreich vnsers Genedigisten Herrn Hochlöb(liche) Statthalter, Cannzler, Regenten vnd Rächen deß Regiments der N: Ö: Landen Unfern genedigen Herrn" und bemerkte, daß er auch in früheren Jahren um den Konsens zur Abhaltung von Ratswahlen angesucht hätte, bisher aber nie die Vorlage der Originalurkunden über die Privilegien Steyrs gefordert worden wäre. Die erbetene Genehmigung sei der Stadt immer ohne „Einnige diffi- cultet" gnädigst bewilligt worden. König Matthias habe auch in der K a p i t u- lationsresolution entschieden, daß die Ersetzung der Bürgermeister, Richter und Stadtschreiber, sowie die Abhaltung der Ratswahlen in Ober- und Niederösterreich nach den alten Privilegien „alten Herkhommen / gewonhait vnnd gerech- tigkhait" auch künftighin erfolgen solle. Die Stadt bat, im Hinblick auf diese Tatsachen und weil die Neubesetzung von Ämtern notwendig geworden war, da ja auch z. B. Stadtrichter Trauner vor kurzem gestorben war, die Wahl an Sonntag vor St. Thomas, der 1609 auf den 10. 12. fiel, abhalten zu dürfen.« Die n. ö. Regierung ließ sich mit der Beantwortung des Ansuchens um die Wahlgenehmigung Zeit. Mittels in Preßburg abgefaßten Dekretes vom 30. 12. 1609 wurde der Stadt schließlich die Vornahme der Wahl ohne Beisein der Kommissare genehmigt. In einem Aufrufe der Stadt an die Bürger wird ausgeführt, daß die Erlaubnis zur Abhaltung der Wahlen „etwas Zu ©patt khomen" ist und deshalb die Wahl auf den 12. Jänner 1610 verschoben werden mußte. Unter Berufung auf den abgelegten Eid wurden die wahlberechtigten Handwerker und Bürger in Steyr und den Vorstädten aufgefordert, sich an dem vorerwähnten Tage, nach der Mahlzeit, „so man die große Glockhen in der Pfarrkhürchen Leüthen wir- dct", sich ins Rathaus zur Wahl der Rats- und Gerichtsämter zu begeben.*« Die Tätigkeit Jahns spielte sich in einer sehr bewegten Zeit ab. Kaiser Rudolf hatte seinen Bruder Matthias ermächtigt, mit den Aufständischen in Ungarn und mit dem Siebenbürger Fürsten Stephan Bocskai in Friedensverhandlungen cinzutreten. Am 23. 6. 1606 wurde in Wien Friede geschlossen, der den Ungarn freie Religionsausübung sichern sollte urid bei dem Bocskai Siebenbürgen und verschiedene ungarische Komitate für sich und seine Nachkommen verliehen oder zu lebenslänglichem Unterhalte zugewiesen erhielt. Im November des gleichen Jahres konnte in Sitvatorok auch mit den Türken ein auf 20 Jahre begrenzter Friede unterzeichnet werden. Am 21. 3. 1606 wurde Matthias vom Kaiser zum Gouverneur von Ungarn ernannt. Wegen der zunehmenden Geistesschwäche Kaiser Rudolfs schloß Erzherzog Matthias am 25. 4. 1606 mit seinem Bruder Maximilian und den Vettern Ferdinand und Maximilian einen geheimen Vertrag, wonach die Vorgenannten Matthias als Oberhaupt des Hauses anerkannten. Diesem Vertrag trat am 11. 11. 1606 auch der Regent der Niederlande Erzherzog Albrecht bei. Als einziger Erzherzog verweigerte Leopold, Bischof von Passau, dem Vertrage die Zustimmung. 47

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2