Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 19, Februar 1959

gefront, auf einer eigens dafür errichteten Bühne an den Pranger gestellt und bann aus dem Burgfried (der Stadt) verwiesen. Die Verweisung aus der Stadt mußte nicht, wie in diesem Fall, eine auf ewige Zeiten sein, sondern man setzte jeweils eine angemessene Zeit für die Verbannung fest: 1 Jahr, 6 Jahre, ewig..., dabei wurde auch meistens vom Verbannten verlangt, daß er Urfehde schwöre, bevor er die Stadt verließ. Auch auf „Eisenarbeit", d. h. Arbeit in Ketten für eine festgesetzte Zeit konnte das Urteil lauten oder auf: 1 Stunde lang vor der Pfarrkirche in einer schwarzen Kutte ohne Kapuze stehen, einen Zettel um den Hals, der Auskunft über die Missetat gab. Das alles aber galt nur für leichte Fälle, in denen keine Anklage wegen Ktn- desmord erhoben oder diese nicht aufrecht erhalten werden konnte. Wie ernst im andern Falle die Verhandlungen durchgeführt und die Urteilsfindung vorbereitet wurde, zeigt der schon erwähnte Akt der Maria Seyfridtin. Dreimal wurde die Angeklagte dem Gericht vorgeführt und befragt, das Protokoll verzeichnet je 21 ..Fragstuckh" und es sind ihnen jeweils die Antworten der Delinquentin beigefügt. Am Schlüsse folgt stets ein zusammenfassendes, von der Angeklagten bestätigtes Bekenntnis. So wurden Vorgeschichte und Durchführung der Tat rekonstruiert und die Person der Angeklagten tritt in einfachen aber klaren Linien aus den Worten ihres Bekenntnisses. Sie leugnete nichts, beschuldigte niemanden, auch nicht den Vater ihres Kindes, der ebenfalls verhaftet worden war, und käst hat man beim Lesen ihrer Aussagen den Eindruck, als hätte dieses zwanzigjährige Mädchen mit einer gewissen Erleichterung nun endlich von allem gesprochen, das sie monatelang mit Furcht und Schmerzen erfüllt hatte. Protokolle sind immer etwas Nüchternes, sollen es wohl sein, doch liegt es vielleicht auch daran, daß man damals nicht stenographieren konnte, daß in diesen Gerichtsakten wirklich nichts anderes als ein kühles Bild von Frage und Antwort entsteht. Der Gerichtsschreiber wird froh gewesen sein, das Allerwichtigste mitzubekommen und konnte sich natürlich nicht darauf einlassen. Gefühlsregungen der Angeklagten oder Bemerkungen über den Gang der Verhandlung einzuflechten. Es wurden auch scheinbar außer dem Kindesvater keine Zeugen einvernommen, was ja wegen des lückenlosen Bekenntnisses der Angeklagten gar nicht notwendig war. So entstand ohne Absebweifung vom Hauvttbema der Anklage das Bild der Tat und der Weg, der zur ihr geführt hatte. Manches aus diesem Gerichtsvrotokoll gäbe stcher prächtige Schlagzeilen für die Presse des 20. Jahrhunderts, doch ist an- zunebmen. daß auch die Sensationslust der In- und Umwohner des Alten Steprs von 1679 nicht zu kurz kam. Seufzend vor moralischer Gfntrüftung konnte man nun endlich offen davon svrechen. daß man ..es" schon lange gewußt und der SepUidtin immer schon ein schreckliches Ende prophezeit habe, daß der Krug solange zum Brunnen gehe... — in dieser Beziehung hat stch bestimmt nichts seit Jahrbunderten geändert und wer den Faust kennt, kennt auch das Gretchen — und die Frau Marthe Schwerdtlein. Die Scbuld der Kindesmörderin soll nun keineswegs verkleinert werden, die Anaeklaote selbst hat ftA keinerlei ftlTufionen über ibr Verbrecben und feine Folgen hinaeaeben. aber ein balbvollaekrißeftes Briefblatt, das dem Akt Sevfridt beiliegt, zwinot den Leser förmlieb. in die Nichtuna der tuschelnden, stch entrüstenden Selbst- gerechfiokeit zu blicken. Es ftebt nichts auf dem Blatt, das darüber Auskunft oäbe, ob es stch um einen Brief, ein Protokoll oder lediglich um eine Notiz des Schreibers bandelt, über eine vertrauliche Aussaae eines Zeugen oder Anoeklaaten. vielleicht aber auch um beides, es ist nämlieb stcktlich von zwei verschiedenen Dina-m die Bede. Zuerst gibt jemand an. was er bei seinem Bruder an Gewand liegen habe und es ist unter den ...ftewmetern" und Strümvfen auch ein Mieder dabei, dieser Jemand also weiblicben Geschlechts — vermutlich brauchte die Eingekerkerte frische Wäsche und man schickte darum zum Bruder bzw zur Schwägerin. Im 2. Ablaß ist dann aber von der Anoeklaaten die Bede und der Sebreiber oder, was wabrsebeinlitber ist. die Skbreiberin aab vielleicht anstatt der verlangten Wäsche einen kleinen Beitrag zur Skandalchronik. „Ich möchte gerne wissen, ob das recht ist", so beginnt der 20

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