Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 15, Dezember 1955

JOSEF OFNER Nikolaus Lindwurm Boctenfdiloger und Meistersinger ;u Steyr Zu den hervorragendsten Pflcgestätteir des Meistergesanges in Österreich zählt die Stadt @tct)r. Mit wenigen Ausnahmen warerr cs Angehörige des Handwerks, die sich in der Reformationszeit der „holdseligen Kunst" mit großer Liebe hingaben. Obwohl Heinrich von Ofterdingen, dessen Aufenthalt in der Eisenstadt bisher nicht nachgewiesen werden konnte'), als Ahnherr der Stehrcr Meistersinger bezeich net toirb2), besitzen wir eine verläßliche Nachricht über den Meistergesang erst aus dem Jahre 1542. Jeronimus Rieger, ein Meistersinger aus Nürnberg, dichtete damals in Steyr seine „Klag über alle Welt". Zwanzig Jahre später stand hier die Singkunst in voller Blüte. Aus Essen kam der weitgereiste „Kürschner und löblich Dichter" Lorenz Wessel. Er schrieb 1562 für die hiesigen Meistersinger die „Tabulatur vndt Ordnung der finget In Steyr Im Landt ob der Ens gelegen"2). Dieses „meistersingerliche Gesetzwerk", das auch der Singschule zu Jglau als Vorbild diente, enthält sämtliche Kunstregeln und umfaßt vier Abschnitte: „1. Tie verschiedenen Reimarten und die Einrichtung des Gewerkes. 2. Die Strafen beim Binden der Reime und beim Vortrage des Gesanges im allgemeinen. 3. Die Fehler innerhalb des Verses und die Strafen bei gewöhnlichen Singschulen. 4. Die Strafen bei feierlichen Singschulen')." Wessel dichtete in diesem Jahre zum Lobe der Meistersinger zu Steyr auch ein Sieb5), in dem er die dreizehn Mitglieder der hiesigen Singschule namentlich anführt, und zwar die Messerer Thomas Springenstain, Stofferoder, Erhard Engelauer, Melcher Klad, Martin Fronberger, die Ahlschmiede Severin und Hans Kriegsauer, die Schleifer Simon Hauerstein und Michael Schlaher, den Scherschmied Christoph Weixelbraun, den Weber Matthäus Grandler, den Kürschner Friedrich Fachenback und schließlich als einen „Liebhaber der Kunst" Jeronimus Keller"). In dieser Reihe finden wir auch den bedeutendsten Meistersinger Österreichs, den Ahlschmied Severin Kriegsauer. Er erfand fünfzehn Weisen („Meistertöne"), die mit Vorliebe von den Nürnbergern angewandt rourbe». Sein Name findet sich noch in einem städtischen Steuerbuch ans dem Jahre 1567 und im Ratsprotokoll vom 4. Jänner 15707). ') I. Angsüßer, Anton Ritter von Spaun. Seine Persönlichkeit und seine literarischen Werke. Jahrbuch des OO. Musealvereines (1933), Bd. 85, S. 46. *) F. Mayer, Der Meistergesang in Oberösterreich (1898), S. 8. — Vgl. I. W. Nagl, I. Zeidler, E. Castle, Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte (1898), Bd. 1, S. 530 ff. 3) 1898 befanden sich zwei Handschriften der Steyrer Tabulatur in der königlichen Bibliothek zu Dresden (M 7, M 16) und eine im Stadtarchiv zu Jglau. ') F. Mayer, a. a. O., S. 10. — M. Enzinger, Kleinste Literaturgeschichte Steyrs. Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr (Oktober 1952), S. 13 f 5) ,.Jm freyen ton Hans Foltzenn Namen der Meister Singer zu Steur". 6) F. Mayer, a. a. £).. S. 8. 7) St., Steuerbuch 1567, S. 74;'—• Rp. 1570, f. 281: „Serien» Khriegsaucr All schmidt seines geslüdcrwerch Zunegst an der Müllner geflüderwerch unterm Schaurstcin gelegen ..." (Badgasse in Steyrdorf). 24

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2