Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 15, Dezember 1955

(a. a. O. S. 31). Mit den beiden Bronze-Armringen von Sierninghofen wurde die Gruppe dieser karolingerzeitlichen Armringe, deren frühdeutschen Charakter Dr. Mitscha-Märheim nicht bezweifelt, erfreulicherweise vermehrt. Gleich den frühdeutschen Gräberfeldern Niederösterreichs waren auch die Gräber von Sierninghofen verhältnismäßig reich mit Tonwarc ausgestattet. Daraus lassen die Aussagen der Arbeiter schließen, daß auch „Blumeugschirrln" gefunden wurden. Die systematischen Grabungen des Landcsmuseums brachten allerdings nur mehr eine geringe keramische Ausbeute, indem in den Gräbern 3 und 5 je ein Töpfchen aus glimmerhältigem Ton angetroffen wurde, von denen das aus Grab 5 glücklicherweise ergänzt werden konnte (siehe die Abbildung). Die Gefäße reihen sich der karolingischen Tonware, wie sie in den Ausbausiedlungsgebieten Altbaierns, besonders der Oberpfalz, und der ehemaligen Ostmark auftritt, in allen Merkmalen an. Sie sind in ziemlich roher Machart aus freier Hand geformt und mit der für diese Zeit kennzeichnenden Wellenband- oder Wellenlinienverzierung versehen, die zu dieser Zeit im gesamtmitteleuropäischen Raum üblich war, sowohl bei den deutschen als auch bei den slawischen Stämmen. Daß sie in der Töpferei als völkisches Unterscheidungsmerkmal dienen könne, ist ein längst überwundener Standpunkt. Was Dr. K. Dinklage als durchgängiges Kennzeichen der bairischen Tonware der Karolingerzeit feststellte, nämlich die auffällige Gedrungenheit und Weite (Studien zur Frühgeschichte des deutschen Südostens, S. 162), trifft auch bei dem Sierninghofner Töpfchen zu. Seine Breite ist größer als die Höhe (11.5 cm zu 10 cm). Gleichartige Tonware lag bisher in Oberösterreich aus Luftenberg, aus Holzwiesen und dem Ogsteinerwald bei Gallneukirchen, aus Pösting bei Ottens- heim und aus Hasenufer bei Pucking vor. In der Gesamtproportion stimmen auch die Wellenbandtöpfe von Sieghartskirchen in Niederösterreich, die Dr. H. Mitscha- Märheim, a. a. O. Abb. 1, Nr. 1, 2 und 7 zeigt, mit dem Sierninghofner Tongefäß überein. Sie zeigen nach Mitscha-Märheim eine Form, die man mit deutschen Erzeugnissen des fortgeschrittenen 9. Jahrhunderts vergleichen muß (a. a. O. Seite 26). Nach diesen formkundlichen Untersuchungen, die auch bereits eine völklichc Deutung erlaubten, soll noch auf einen Punkt eingegangen werden, der in dein Artikel der „Tagespost", Linz, unter dem Titel „Karolinger-Gräberfeld bei Sicr- ninghofen" nach der planmäßigen Grabung des Landesmuseunis am 26. Oktober 1953 berührt wurde. Es heißt dort: „Nicht mehr festzustellen ist, ob es sich um ein srühdeutsches oder slawisches Geschlecht gehandelt hat, dessen Tote hier begraben wurden". In dem Artikel wurde darauf hingewiesen, daß in der Stiftungsurkunde von Kremsmünster, die aus dem Jahre 777 stammt, die Anwesenheit von Slawen in Sirnicha (sprich Sirnika) ausdrücklich bezeugt ist. Was zunächst den Namen betrifft, liegt ein ursprünglicher altslawischer Bachname vor, dem altslawisches zirü — Weide zugrunde liegt (das anlautende z ist wie scharfes s zu sprechen). Alle anderen Deutungen, die versucht wurden, sind verfehlt. Zirnika, altbairisch Sirnicha, bedeutet also „Weidebach". Der Name wiederholt sich auf niederösterreichischem Boden zweimal: Sierning, Nebenbach der Pielach, Ortsgemeinde Teufelsdorf, und Sierning-(bach) in der Gloggnitzer Bucht, Ortsgemeinde Puchbcrg am Schneeberg. Mit Recht hat der bayerische Forscher Dozent Dr. Werner Emmerich darauf hingewiesen, daß „nur kleine und kleinste Bäche mitunter slawische Namen tragen, die später auf Ortschaften übertragen wurden, während größere Wasserläufe deutsch, wenn nicht vordeutsch (keltisch oder illyrisch) benannt sind." Aus all diesen Beobachtungen muß gefolgert werden, daß ein geschlossen siedelndes, in völkischem Zusammenhang stehendes und politisch unabhängiges Slawentum bei uns nicht bestanden haben kann. Die Hauptzahl kann erst im 8. und 9. Jahrhundert im Zuge der ostfränkischen Kolonisation von fränkischen Grundherrschaften (oder vom König selbst) angesiedelt worden sein, sowie fränkische Bauern auch. Alle diese slawischen Siedler befanden sich auf fränkischem Reichsboden unb waren den dort üblichen Ordnungen wie die Franken selbst unterworfen." (Hans Scherzer, Gau Bayerische Ostmark, 1940, Seite 284). 20

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