Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 13, Oktober 1953

Volkssagen aus Steyrs bergige in Hinterland Gesammelt von Franz Harrer Der Teufel als Fuhrmann Franz Harrer, ein gebürtiger Ennser, entstammt ärmlichen Verhältnissen. Er mußte schon als Kind sein Brot verdienen. Als Stallbub, Schnitter, Teichgräber, Ziegelschläger und Taglöhner wanderte er durch das Land und war später Hilfsarbeiter in einigen Linzer Druckereien. Von 1920 bis 1945 arbeitete er als Maschinenarbeiter und lebt jetzt in Steyr. Der 79jährige hat sein ganzes Leben dem Sammeln von Sagen gewidmet. Die Großmutter einer heute selber nicht mehr jungen Bäuerin in Dam- bach ist vor vielen Jahren, hochbetagt, gestorben. Diese Großmutter erzählte oft gerne von jener uns Heutigen so fremd anmutenden Zeit, da noch das Nagelschmiedgewerbe blühte; denn sie war die Tochter des Nagelschmiedes Angerer im Wildgraben, einem versteckten Seitengraben des Damberges, mittwegs zwischen Steyr und Sand. Diese Nagelschmiede existiert selbstverständlich längst nicht mehr. Das Angerer-Everl oder Nagelschmied-Everl, wie die Großmutter in ihren jungen Jahren genannt wurde, mußte, solange es noch nicht verheiratet war, fleißig in der väterlichen Werkstätte mithelfen; es wurde zum „Draufschlagen" verwendet, zu welcher Arbeit der Billigkeit wegen häufig die erwachsenen weiblichen Familienmitglieder verwendet wurden. Eines Tages wurde das Everl zeitlich früh, es war noch finster, mit einem „Binkel" Nägel nach Steyr geschickt. Das Gewicht der großen Nägel, sogenannte „Zwek- ken", war nicht gering und das Everl hatte tüchtig zu schleppen; es wünschte, als es so auf der breiten Straße fürbaß ging, es möchte ein Fuhrmann gefahren kommen, der ihm die Nägel auflegen ließe. Kaum gedacht, fuhr schon ein Fuhrwerk hinter ihm her. Das Everl ersuchte den Fuhrmann, ihm doch den Binkel Nägel auflegen zu lassen. Dieser sagte n'ckt ja und nicht nein, hielt aber doch an und das Everl legte d>e Nagelware auf den Wagen und kletterte auch selber hinauf. Kaum saß das Mädchen, trieb der Fuhrmann die Pferde an und dahin ging 's in rasender Fahrt, daß dem Mädchen ganz angst und bange wurde, umsomehr, da dev Fuhrmann noch kein Wort geredet hatte. Als das rasend dahinjaaende Geführt zu der Stelle in der Freisina kam, wo der Bera steil abfällt, und das Mädchen sah, daß der unheimliche Fuhrmann gar nicht die Absicht hatte, der tollen Fahrt Einhalt zu tun, rief es, die Katattrovhe vorausahnend, erschrocken aus: „Jesus Maria!" Im nächsten Augenblick saß das Mädchen mH dem Vinkel Nägel mitten auf der Straße und das tolle Gefährt. eine scharfe Wendung machend, raste unweit des „G'richtsbühels" lGal- genhüqel) „fvießgrea" über die baumbewachsene, steile Leiten hinauf, wo es verschwand. Es war ein Teufelsfuhrwerk gewesen. 35

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