Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, März 1953

Gegebenheiten zur Zeit der Völkerwanderung wieder siedlungsleer geworden waren. Damit wenden wir uns wieder mit der letzten historisch interessanten, von den Historikern offen gelassener; Frage an die Namenforschung: Können wir sagen, wann im einzelnen diese Neuerschließung vor sich gegangen ist? Sogar das find wir imstande, nur halte ich mich dabei möglichst kurz. Hier kommen uns die erwähnten Altersdatierungen iin ihrer Raumstaffelung zu Hilfe. In ganz Oberösterreich gibt es keinen einzigen Namen slawischen Ursprungs, der vor 750 in unsere Sprache entlehnt worden wäre, auch im Ausstrahlungsbereich der Donau nicht. Wohl aber entdeckten wir Entlehnungen, die noch im Laufe der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts eingedeutscht worden waren. Den Wandel von voralthochdeutsch d zu althochdeutsch t, der um 750 spielt, hat kein ober- österreichischer Beleg. Wir finden aber um Steyr Namen, welche deutscherseits den Wandel von frühhochdeutsch b zu althochdeutsch p, der um 770 vor sich ging, mitgemacht haben und andere Belege, welche die slawischen Veränderungen von urslawischem al zu altslowenischem la (balta zu blato) und von urslawischem a zu altslowenischem o noch nicht erlebt hatten, das sind Wandlungen, die ungefähr seit 800 im Alpen- und Donauslawischen da sind. Diese Namen sind vor 800 entlehnt worden. So finden wir um Steyr: Sarning, urkundlich im 10. Jahrhundert Sapinihca aus urflaw. Zabinica, stowen. Zabnica der Krötenbach; Großraming, urkundlich ahd. Rübiniccha, Rüp aus urflaw. Rübini-a, stowen. Ribnica der Fischbach (vgl. riba — Fisch); Garsten aus urflaw. Gariscina, slowen. Gorscina die Berg- oder Waldlandschaft. 15 Kilometer südlich von Steyr entdeckt man die letzten Belege gleichen Alters, es sind die zwei Ramingbäche; sie sind gleichen Ursprungs wie unser Großraming. Zwei Gehstunden flußaufwärts stoßen wir auf Kleinreifling als jüngere Lehnform des slawischen Stammes riba der Fisch, nämlich aus slowen. Ribnice, das Fischbachdorf. Damit hören an der Enns diese alten Lehnformen des 8. Jahrhunderts bis übers Gesäuse hinauf endgültig auf. Erst um Admont beginnen sie wieder. Eine zweite Straße für den Eisentransport führt die Steyr aufwärts bis zum Pyhrnpaß. Hier ist die ganze Strecke bis zur Landesgrenze von Entlehnungen der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts begleitet. So gehören hieher die Pallen bei Leonstein aus urslaw. Balta der Sumpfbach, Mndisch- garsken gleichen Ursprungs wie unser Garsten und der Pyhrn als Paßhöhe, ahd. Pirdino, slowen. Brden, d. i. die Gegend am Bergeck. Man ersieht daraus die ältere Besiedlung des Steyrtales gegenüber dem oberen Ennstal. Während der unruhigen Awarenzeit des 8. Jahrhunderts im Osten hat man offenbar die Eisenlieferungen möglichst nach Westen verlegt, also an die Straße entlang der Steyr, die sicherer erschien, als die exponierte Ennstalerstraße. Wenn ich noch eines dazu bemerken darf, so ist es das: Trotz dieser alten Kolonisation fehlen im Steyrtal die echten -ing-Namen. Dies erweckt den Anschein, als wären in der Umgebung von Steyr, ja vielleicht weit hinaus auf oberösterreichischem Boden, die echten -ing-Namen schon im Laufe des 8. Jahrhunderts als Neubildungen abgekommen. Ist das richtig, so dürfen wir diese echten -ing-Velege zwischen Steyr und Enns spätestens ins 8. Jahrhundert zurückdatieren. Sie, wie vor allem die eben erwähnten uralten Eindeutschungen des 8. Jahrhunderts um Steyr, werden zum Zeugnis für die bairische Landnahme der Steyrer Umgebung schon im 8. Jahrhundert und nicht erst im 11. Jahrhundert, wie wir das früher festgestellt hatten. Wir haben aus allen diesen namenkundlichen Untersuchungen viel Neues über die Geschichte unserer Heimat erfahren. Wir wissen jetzt aus dem Fundgut und aus dem Namengut, daß Steyr selbst und das Land von Steyr nordwärts seit vorgeschichtlicher Zeit bis zur Gegenwart ununterbrochen bewohnt 77

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