Steyr und die Glaubenskämpfe

6 Die Bürgerschaft wer aber nicht nur bestrebt, möglichst rasch protestantische Geistliche zu bekommeen, sie mußte sich auch um genügendprotestantische Geistliche küm¬ mern, die anfangs noch schwer zu erreichen waren und meist nur von adeligen Schlo߬ kapellen ausgeliehen werden konnten. Am 28. November608 bat der Rat den Herrn von Deuerbach er möge seinen Diaconus wenigstens aufeinen Monat den Steprern leihen.!) Die Antwort kam umgehend am 50. November doch konnte Ludwig Hohen¬ felder den Wunsch nicht erfüllen, da die Feiertage vorder Tür standen. Auch ein Schreiben nach St Deter brachte zuerst nicht den gewünschten Erfolg.2) Im Herbst bat der Rat von Stepr den Kaplan von St. Peter um Hilfe bei der Aufstellung einer Bücherei für das einzurichtende Kirchenministerium mitBerücksichtigung der notwen¬ digen Kinderlehre die nicht bald genug einsetzen könne.s Kaplan Seemann von Sankt Deter sandte auch nach kurzer Frist die Liste und eineReihe von Büchern.4) An 14. September 1609 sandte der Kirchherr von St. Deter, Ludwig von Kunig, dem Rat einen Brief mit dem Ratschlag, er möge sich aus dem Reich einen Pfarrer kommen lassen, da er nicht gewillt sei, den seinen herzugeben was sie ihm nicht verargen möchten. Diesen Rat befolgten auch die Steprer mit Erfolg und zum Dank für die Vermittlung eines neuen Prädikanten übersandten sie der Universität Wittenberg hundert Reichstaler, deren Dankschreiben vom 8. Mai 1615 Rektor, Magister und Doc¬ tores unterzeichneten.5 So war das protestantische Steyr gerüstet zum Kampf gegen den katholischen Erbfeind, der seine Stellung mitten in ihm hielt. o) Schwächen der protestantischen Sache. Schon in der Darstellung der ersten protestantischen Periode ist auf die Uneinig¬ keit der Drediger in der Auslegung der hl. Schrift hingewiesen worden. Männer wie Rektor Hegaeus hatten deren üble Folgen beklagt. In einem Mandat vom 2. August 15856) hatte sich der Landeshauptmann für die reine Lehre Luthers einsetzen müssen und verfügt, daß alle flaccianischen Prediger aus dem Lande gewiesen werden müßten. Eine Reihe von Sekten verkündete das Evangelium nach eigener Auslegung. Luther, der durch die Ablehnung einer Organisierung seiner Konfession die Verbreitung seiner Lehre der Privatinitiative der in Wittenberg und anderen lutherischen Hochschulen ge¬ schulten Prediger vorerst das Feld überlassen hatte, beraubte dadurch die ausgesandten protestantischen Geistlichen sowohl einer obersten Instanz in Glaubensfragen, als auch die entstandenen Glaubensgemeinschaften eines orgaisatorischen Zusammenhaltes und eines taktischen haltes, der ihnen neben der bekenntnismäßigen auch eine verwaltungs¬ mäßige Verbundenheit aller protestantischen Gemeinden geboten hätte. So war jede lutherische Gemeinde eine Korporation für sich; in geistlichen Dingen war die Ansicht ihres Dredigers bzw des evangelischen Kirchenministeriunts für sie aeltend und ihre Sicherung nach außen lag lediglich in den Händen der weltlichen Glaubensvertreter. Die Kampfstellung war vielleicht das wichtigste Bindeglied zwischen den prote¬ stantischen Geweinden und hielt diese und ihre Häupter wachsam und einsatzbereit in einer Front. Doch stand der Einigkeit nach außen auch diesmal keine absolute Einigkeit im Innern gegenüber. Im großen und ganzen sind diese Streitigkeiten über Einzel¬ heiten nicht so wichtig, daß sie genannt werden müßten, doch runden sie das Bild der protestantischen Geistlichkeit charakteristisch ab. Ein Umstand, über den sich Rat und Drediger und Schulmeister nie einig waren gab auch jetzt wieder Anlaß zu Mißvergnügen die Besoldung.?) Ein Brief des Land¬ schaftspredigers M. Clemens Anomeus vom 1. Dezember 1609 an Bürgermeister, Richter und Rat von Sterr stellte den Fall Matthias Schwolls. Dredigers in Stepr, dar.s) 1)StA. K. XI, L. 25, Nr.7. 2)Ebenda vom2. Jänner 1609, Nr. 8. 3)Ebenda vom 1.August 1609. 4)Ebenda Nr. 9 vom 25. August 1609 und vom 27. August 1609. „Was auf demMarkt in Linz an Büchern einzukaufen sey.“ 5)StA. K. XI, L. 25, Nr. 12 60 StA., K. XI, L. 25, Nr. 2: Generalmandat vom 5. August 1585. 7) StA., K. XI, L. 24, Nr. 1716: Kovrespondenz in Betreff des vom Münz¬ bacher Pfarrer der Stadt Stepr rekommandierten Predigers M. Henricius und der mit demselben gehabten Abfertigungsdifferenzen. Briefe vom 4. September 1609, 5. Juli 1609 14. Juli 1609, 8. August 1609, 10. August 1609. s) StAl., K. XI, L. 24, Nr. 1717. 81

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