Steyr und die Glaubenskämpfe

Es sei schwer zu dulden, daß Calixt in Sterr und dem Lande o. d. E. nicht mehr pre¬ digen dürfe, da das Wort Gottes, so es vecht vorgetragen werde frei und keinen Ge¬ setzen unterworfen sei. Da nun aber Calixtus der Irrlehre beschuldigt sei und das ganze Dolk seine Predigten in sich aufgenommen habe, müsse auch vor allem Volk Untersuchung und Urteil stattfinden. Nicht in Dassau, sondern vor einer gelehrten Kom¬ wission habe die Disputation stattzufinden und zwar in Stepr, wo er seine Dredigten gehalten habe. Werde Calixtus durch das Wort Gottes widerlegt und erkläre er sich durch dieses überwunden und der falschen Auslegung schuldig, müsse er auf der Kanzel vor allem Dolk widerrufen. Der Landeshauptmann und die Stände werden in der Petition gebeten, dem bischöflichen Ulandat nicht zu glauben, „als wenn Calixt das Wort Gottes anders als einem christlichen Prediger geziemt, allhier gepredigt habe.“ Der Rat bat die Stände mögen ihm bei der fürstlichen Durchlaucht oder deren Dicestatthalter und Hofrat und bei dem Bischof von Passau behilflich sein damit das bischöfliche Mandat (Zitation welches ohne Klage und Verhör wider Calixt ergangen sei, obwohl er seine Obrigkeit bei dem bischöflichen Stuhle nicht habe, aufgehoben und ihm erlaubt werde, das Wort Gotües frei zu verkünden, wie es fürstliche Durchlaucht, der Erzherzog, zu Augsburg den zu Gesandten der niederösterreichischen Erblande zugestanden und wie es jüngsthin das Linz auf dem Landtage öffentlich sei angezeigt worden. Wäre dem Bruder Calixt Dredigen ohne das geforderte öffentliche Verhör in Stepr verwehrt, würde in der Ge¬ meinde eine große Verwirrung entstehen, da niemand wüßte, in welchen Artikeln das Uebel stecke. Sie hoffen die Stände würden zur Erweiterung des Wortes Gottes, zu Besserung und zum Heil der Christgläubigen sich ihrer Bitten annehmen. Die Meinung, daß das Wort Gottes frei sei, beruht auf einer von ihnen vorge¬ nommenen Auslegung einer in Augsburg von Erzherzog Ferdinand den Ausschüssen der Erblande abgegebenen Erklärung, die am 24. VI. auf dem Landtag in Linz ver¬ öffentlicht worden war;!) am 24. IV. 1527 hörten die Stände die Antwort Ferdinands.?) Die Duldung beziehe sich nicht auf diejenigen, die unter dem Scheine des Wortes Gottes durch eigensinnige Auslegung des Evangeliums, Ungehorsam und Zwietracht erweckten. Diese Erklärung des Begriffes „frei“ in Bezug auf das Wort Gottes scheinen die Steprer überhört zu haben. In der Detition wurde somit dem Bischof das Recht abgesprochen ein Urteil über seinen Untergebenen und seiner Religion angehörigen Priester zu fällen und zu entscheiden, was in Glaubensdingen wahr oder falsch sei. Es ist alles Luthers Saat die hier ins Kraut schießt, und sie war gedüngt worden von Mißständen auf katho¬ lischer Seite, wie z. B. Uneinigkeit unter den Verkündern des Wortes Gottes Ver¬ proletarisierung der niederen Geistlichkeit, die oft ohne besondere Vorbildung die Kanzel bestieg und da die Anforderungen an theologisches Wissen sehr gering waren, nur einen sehr niedrigen Bildungsstand erreichte,s) während die Gegenseite junge, gut aus¬ gebildete und redegewandte Kämpfer mit der eifrigst durchstudierten Bibel in der Hand ins Treffen führen konnte. Ende Juli oder Anfang August wurde die Interzession Steprs den Ständen Erz¬ übergeben. Am 25. VIII. langte bereits eine Antwort des in Speper weilenden stän¬ herzog Ferdinand ein, der vom Landeshauptmann Cpriak von Polheim und den Be¬ dischen Verordneten eine Befürwortung der Sache erhalten hatte. Eine ebensolche Erz¬ fürwortung derselben Herren war auch an den Bischof nach Passau abgegangen s zu herzog Ferdinand ermahnte die Steprer, nicht das Jurisdiktionsrecht des Bischof daß schmälern, der Gerechtigkeit nicht in den Arm zu fallen, sondern dafür zu sorgen, Calixtus gehorsam sei. 9In Augsburg hatten katholische und protestantische Reichsstände um eines Ausgleiches willen beschlossen, „ein fleißiges Einsehen zu haben daß in ihren Ländern das hl. Evangelium und Wort Gottes nach rechtem wahrem Verstand und Auslegung der von gemeiner christlicher Kirche angenommenen Lehrer ohne Aufruhr und Aergernis zur Erhaltung von Fried und Einigkeit gepredigt werde. Beginn des Reichstages am Sentzenberg: Neue vollständige Sammlung der Reichstags¬ II. XII. 1526. Chr. v. Bd. II, S. 270 ff. abschiede Frankfurt 1747, 2) Landtagsannalen Bd. A. 3) Dgl. Eder I, S. 287. Es gab keinen einheitlichen Studienweg. Die Ausbildung erfolgte: 1. Durch Privatunterricht mit folgendem theologischen Kurs im Kloster oder in Dassau; oder 2. durch Kloster= oder Stadtschule und dann Hausstudium im Kloster oder ½ bis 2jährigen Kurs in Passau; oder 5. Studium an einer Universität zur Er¬ langung des Magister= oder Doktortitels. 20

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