Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft Dezember 1950

von Steyr einen Brückenkopf über die Enns bildeten und plündernd bis in die Vorstädte drangen, von gänzlichem Verfall der Wirtschaft und allgemeiner Verarmung, bis unter Kaiser Maximilians kräftiger Hand eine allmähliche Befriedung und damit auch eine Wende für die schwergeprüfte Stadt eintrat. Der Bau der Kirche war unter solchen Verhältnissen nur langsam vorgerückt. Im Jahre 1522 stand er nun vor der Vollendung. Da brach eine Feuersbrunst aus, die zuletzt auch die hochgelegene Kirche und die für die Einwölbung bereitgestellten Gerüste ergriff. Es verbrannten die vielen Altäre, Epitaphien, Fenster, Gemälde, die Orgel und der kunstreich gearbeitete Predigtstuhl; die Glocken schmolzen und stürzten herab. (Nach Franz lernet Pritz, Beschreibung und Geschichte der Stadt Steyr, 1837.) Erst im Jahre 1636 war der Bau neuerlich vollendet. Der Hauptchor der Pfarrkirche schließt mit 5 Seiten eines regelmäßigen Achteckes ab; die drei mittleren sind von Fenstern eingenommen; die einander gegenüberliegenden vollen Flächen sind architektonisch überaus reizvollen Gebilden vorbehalten: einem Sakramentenhänsrhen und einer Baldachingruppe. Die Bekrönung des Sakramentenhäuschens strebt als schlankes, zur Hälfte aus der Mauer ragendes Türmchen bis zum Spitzbogenabschluß hinan. Die feingliedrige Durchbildung in verkleinerten spätgotischen Bauformen, die spitzenhaft zarte Durchbrochen- heit, der Wohllaut der Verjüngung dieses Türmchens vereinen sich zu so edler, lieblichernster, ja holdseliger Gebärde, daß man dieses architektonische Kleinod als Nachklang einer Zeit empfindet, welche im frühen 15. Jahrhundert die „Schönen Madonnen" schuf. Das Nordportal der Pfarrkirche zu Steyr birgt übrigens eine solche plastische Kostbarkeit; eine hl. Dorothea mit dem Körbchen. Auch auf die traumhaft schönen Bilder Stefan Lochners könnte man verweisen, um die feierlich stille Wirkung dieser Schmuckform letzter Gotik zu bezeichnen. Stefan Lochner starb im Herbst 1451, also acht Jahre nach jenem Baubeschluß der Steyrer Bürger. Die größere Stilbeharrlichkeit der Baukunst mag die Ursache sein, daß mir noch in späteren Jahrzehnten einem so süßen Wohllaut der Form begegnen können. Was uns aber hier eigentlich angeht, ist der rechteckige Gitterabschluß des Sakramentenhäuschens. Dieses Gitter gehört wohl zu den schönsten der uns erhalten gebliebenen Schmiedeeisenarbeiten aus gotischer Zeit. Es war lange verschollen und ist ganz zufällig wieder aufgefunden worden. Als ich vor vielen Jahren zum erstenmal vor das Sakramenten- hüuschen trat, erzählte der mich führende Priester von der Wiederentdek- kung des Gitters. Stadtpfarrer Aichinger, der übrigens Anton Bruckner in der Stille seines Pfarrhofes eine, dem großen Meister überaus liebgewordene, weltferne Stätte künstlerischen Schaffens bereitet hat, habe einst im Kreise mehrerer Bürger in einer der gemütlichen, gewölbten und getäfelten Gaststuben der Stadt von dem verlorengegangenen Ab6

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