Steyrer Tagebuch - Sondernummer zum 12. Februar 1934

6 gingen die anderen auf Slivka und Schröder los , die sich gegen das Steueramt zu einen Weg bahnten . Der Heimwehrmann Stockinger kam ihnen ahnungslos über den Hauptplatz ent – gegen und erhielt von den anstürmenden Roten einen schweren Hieb auf das rechte Auge , das sofort blutunterlaufen und verschwollen war und ärztlich behandelt werden mußte . Slivka erhielt mit der flachen Hand einen Schlag gegen den Kehlkopf, so daß er mehrere Tage nicht essen konnte . Bemerkenswert an diesem Bericht der "Fr e i– heit !" ist unter anderem auch die Klage über das Verhalten der Steyr er Polizei , di e damals noch nicht "verbund licht" war und ganz offensichtlich auf Seiten der Schu tz– bündler stand . (Was man 1934 , als es schon die "Bundespolizei " in Steyr gab , kaum noch behaupten konnte , obwohl Beteiligte der Februarkämpfe mir erzählt haben , daß manche Polizisten sich auch damals noch sehr "zu– rückhielten" . ) Wir waren damals ja eine Macht , saet heu te nostaleisch ein "roter " Augenzeuge , ein "schwarzer" aber meint , die "Roten" hätten damals in Steyr ihre Macht protzend gezeigt . Besonders die Tatsache, daß an be– stimmten Feiertagen die rote Fahne am Rat– haus gehißt wurde , erregt ihn heute noch . Es gab in Steyr einen Haß auf alles Bür– gerliche, sagt ein dritter Augenzeuge, der damals schon bei den Nazis war . Die "Tages-Post" vom 22.10 . 1929 berichtet von den Vorkehrungen, die notwendig waren , damit der Heimwehr-Führer Starhemberg auf der Fahrt zu einer Kundgebung nach Weyer unbehelligt durch Steyr fahren konnte . 210 Gendarmeriebeamte in feldmäßiger Aus – rüstung mit Stahlhelm und Bajonett hielten die Durchfahrtstraßen besetzt . Alle Fenster und Hauseingänge mußten geschlossen bleiben . Die behördliche Gewalt war für diesen Tag der Bezirkshauptmannschaft übertragen wor– den . - In Weyer trat Starhemberg dann an die Rampe: Kameraden! Der heutige Tag ist ein Markstein in der Geschichte der ober– österreichischen Heimatwehr . Wir waren auf dem roten Boden von Steyr . Die Zustände in Steyr, wo täglich Kameraden mißhandelt wer– den, nur weil sie der Heimatwehr angehören , sind für jeden Kameraden unerträglich. Und so soll es den roten Führern gesagt sein, daß wir nicht zum letzten Mal in Steyr waren , wir werden wieder kommen . Wir las– sen uns nicht einschüchtern. In Wien wurde eine Verfassungsreform eingebracht , die den Marxisten nicht gefällt, darum gefällt sie uns umso besser, und die Verfassungs – reform wird gemacht , koste es , was es wolle . 59 Prozent der Österreicher wissen nichts über den Februar 1934 Das hat unlängst erst eine Meinungsumfrage ergeben . Bei den jungen Österre i chern ist der Prozentsatz derer, für die der Februar 34 ein Datum wie jedes ande r e i s t , noch wesentlich höher . (Was üb r igens nicht un– bedingt deren Schuld ist , weil J ugendliche eben nicht wissen können , was man ihnen nicht erzählt . Ich selber hab in diesen letzten Monaten , in denen i ch mi ch mit diesem Thema beschäft hab, öfte r einmal daran denken müssen , daß ich in den fünf Jahren , wo ich - vom 14 . bis zum 19. Lebens– jahr - auf der Ennsleite gewohnt hab, nicht die geringste Ahnung davon hatte , daß das einmal ein Bürgerkriegsschauplatz gewesen ist.) Jedenfalls scheint es an dieser Stelle an– gebracht , ein kurzes Repetitorium in österreichi s cher Geschichte der Ersten Re – publik einzuschieben , weil man - um über– haupt irgendetwas zu verstehen - auch die politische Vorgeschichte der sogenannten Februarere i gnisse kennen muß . Die nach dem Zusammenbruch der Österrei– chisch- Ungarischen Monarchie versuchte Zusammenarbeit der beiden großen Parteien ging schon 1920 zu Ende . Die Sozialdemo– kratie zog sich in die Opposition zurück (der "linke", austromarxistische Flügel unter der Führung Otto Bauers hatte sich durchgesetzt , der die Zusammenarbeit mit den "Bürgerlichen" befürwortende Karl Renner verlor an Einfluß . ) Die Völkerbundanleihe von 1922 war mit ri– gorosen Auflagen verbunden, die eine extre– me Politik der Sparsamkeit zur Folge hat– ten, was wiederum zu Massenarbeitslosig– keit führte. 1923 bewaffneten sich die beiden großen politischen Lager, Heimwehren und Repu– blikanischer Schutzbund wurden gegründet . 1927 gerieten diese beiden "Parteiarmeen" zum erstenmal ernsthaft aneinander - im burgenländischen Ort Schattendorf . Zwei Menschen wurden von Heimwehr- Leuten er– schossen . Die Heimwehrschützen aber wurden vor Gericht freigesprochen. Die tags darauf in Wien spontan aus– brechenden Demonstrationen entglitten der Kontrolle der sozialdemokratischen Funktio– näre. Die empörte Menge stürmte den Justiz – palast und steckte das Gebäude in Brand . Nicht einmal dem Wiener Bürgermeister Seitz war es gelungen, der Feuerwehr einen Weg durch die entfesselten Massen zum Brandplatz zu ebnen . Polizeipräsident

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