Steyrer Tagebuch Nummer 24, Dezember 1984

8 Portrait Pfarrer Hans Innerlohinger ,~r müssen Partei ergreifen" Seit ca. einem Jahr ist Hans Innerlohinger Pfarrer auf dem Steyrer Tabor. Bekannt wu,rde er durch seine Tä– tigkeit als VöEST-Pfarrer. In diesem Zusammenhang machte er verschiedene Aussagenzugesel l schaftspol ti– schen Frage-n und zur Arbeit, die zum Tei 1 erhebliches Aufsehen erregten. HANS INNERLOHINGER vor Gemälden, die ihm VÖEST-Ar– beiter schenkten. ERSTE ERFAHRUNGEN MIT POLITIK Er stammt aus einer Bauernfami l i e und hat in seiner Kindheit Politik als den lautstarken Streit seiner vielen Onkel erlebt, unter denen von i 11 egalen Nazis bis zu überzeugten Kommunisten a 11 es vertreten war. Ihre familiären Treffen führten stets zu politischen Diskussionen, die in Gebrüll endeten. DIE BEDEUTUNG DER KIRCHE Die Kirche hat seiner Oberzeugung nach Wege anzubieten zur Oberwindung der Probleme unserer ~eit - Iso l i e– rung, Vermassung, Manipulation · - mit denen sie sich nicht zu verstecken braucht. Und wenn man ihm zuhört und nicht an viele andere Priester, vor al lern solche in führenden Positionen, denkt, kann man es fast glau– ben. DER 8. DEZEMBER Die Diskussion um das öffnen der Geschäfte am 8. Dezember hält er für beschämend. Für wen ? Für a 11 e außer der Gewerkschaft und dem Sozial mini ster. Wei 1 . sie klar gesagt haben, was sie wollen. Dabei ist er durchaus der Meinung, daß die meisten Österreicher in einem religiösen Sinn mit den Feierta– gen nichts mehr anzufangen wüßten, "auch nicht mit Weihnachten". Stimmungsvoll sei es beim Heurigen auch. Aber solange das Feiertagsgesetz· es so bestimme, müsse auch Mariä Empfängnis eingehalten werden. , DIE EIGENE POLITISIERUNG Auf dem Weg zum Werkspfarrer war die Pfarre in einem Wel ser Arbeiterbezirk erste Station. Dort ereignete sich Innerlohingers Schlüsselerlebnis, als junge Ar– beiter den jungen Pfarrer aufforderten, doch erst einmal ihnen zuzuhören, bevor er das Evangelium vorzu– lesen begänne. Von ihnen hat er gelernt, daß Seelsorge immer an den aktue l l en Problemen der Menscheri anzuset– zen habe. Nach Wels kommt er nach Freistadt und lernte dort die Probleme von 200 Frauen in einer Näherei kennen und - hat noch "ganz unpolitisch" - festgestel 1t, daß dort zur Verbesserung der Situation ein Betriebsrat fehlte. Er hat dann als Pfarrer Kontakt mit der Arbeiterkammer aufgenommen, sieh über das Betri ebsrätegesetz fofor– mi ert und schließlich die Errichtung eines Betriebs– rates erreicht. DER VÖEST-PFARRER 1963 habe man ihn dann als Betriebspfarrer in die VÖEST geschickt. Anfangs hatte er eine Baracke zur Verfügung, die noch auf dem Werksgelände untergebracht gewesenen Flüchtlingen aus dem 2. Weltkrieg als Kir– chenraum gedient hatte. Mit dem Geld der Kirche baute er auf gepachtetem Grund neu. Dabei entstanden auch Kommunikationsräume und etwas verschmitzt sagt Inner- 1ohi nger, er "habe auch eine . Gastwirts konzess i on". Bis Anfang der joer Jahre war er vor al lern im Sinne der sogenannten "Humanisierung der Arbeit" tätig, machte dazu z8. Seminare mit Werkmeistern. Es gab auch Unterstützung von Seiten des Managements: er hatte zu jedem Arbeitsplatz Zutritt und war über die Klappe 5000 von jedem Werkstelefon aus erreichba~

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