Steyrer Tagebuch Nummer 22, Oktober 1984

5 Das Konrad-Lorenz-Volksbegehren unterschreiben? lm Herbat wird daa Konrad-Lorenz– Volkabegehren in den Gemeindeämtern zur UnterachriCt aufgelegt werden. Dann wird jeder Wahlberechtigte Gele– aenheit haben - nicht aeine Heinuna zu aagen, aber : einfach ja oder nein (in– dem er eben unter ■chreibt oder nicht) . Han wird al ■o gezwungen ■ein, mit der einfachsten, ja primitivaten Antwort die Uberaua komplizierte Fraae zu be– antworten : wie aoll Ö1terreich1 Ener– giepolitik in Zukunft ausaehen? Einig bin ich mit den Initiatoren, daß eine grundl egende Neuorientierung die– ser Politik notwendig iat, daß die Energieveraorgungaunternehmen vielfach rUck1icht1lo1 gegenüber Umweltschäden , überheblich gegenüber betroffenen An– rainern, mit den Allüren alter Feudal– herren, die mit Hacht, oder neuer, die mit Geld alle• erreichen zu können 11lauben (und me ist auch errei che n), ge-– genüber Gemeinden und unter Mißachtung volkawirtachafclicher Geaamtkoaten (ob– wohl im Uffcntlich en Eigentum) handeln . Darüber hinaus sind sie nicht imstan– de, zeitge rech t auf neue Notwendigkei– ten und Chancen zu reagieren . Änderungen sind zum Teil notwendig, vor ollem eine drastische Reduzi e rung de r Luftvers chmutzung, zum Teil wünschens– wert, zB um best inwnte Landschaften nicht zu beeinträchtigen . Eine ■olche Unterscheidung zwischen notwendigen und wünachen1wert c n Ände– rungen er■ cheint mir be1onder1 wichtig, weil wir möglicherweiae nicht alles zu– gleich hoben kUnnen und daher nach be– etirrsnten Kriterien ent1cheiden mü11en, woa ala be ■ ondcra dringend zuerat ge– ■ chehen muß . Für notwendig halte ich, wa■ der Abwehr direkt die Menschen achädigender Effek– te, wie Schadstoffe in Luft und Nah– rung, dient, für wün1chen1wert, woe eine weitere Verar-mun& an 11 Sc:hönheit 11 in unaerer Umgebung verhindert, also zB Kraftwerke in (relativ) unberührter Landschaft . Die Initiatoren aind zugleich und un– differenziert gegen all die, bzw . acheinen ä1theti1che Geaichtapunkte (zB die Erhaltung einer gegebenen Ar– tenvielfalt bei Pflanzen und Tieren) sogar höher zu werten. Sonat könnte nicht pa11ieren, daß da ■ Kohlekraft– werk Dürnrohr ala rieaiae Dreck■ chleu­ der in der Hauptwindrichtung zur Groß– atadt Wien weni&er kritisiert wird, ala daa vorviegend fUr Vögel, Fische und Amphibientiere &efährliche, aber aonat aaubere Donaukraftwerk bei Hainbura. (Nicht, daß ich diese Tiere aern opfern möchte, aber die Geaund– heit von Henachen aollte Vorrang haben.) Die Alternativvorachläge beziehen aich vor allem auf Einaparungen durch Erreichung einea be11eren Wirkungsgra– dea bei Herotellung, Transport und Vervendung de ■ elektrischen Stroms. In der arün/alternativen Propaganda wer– den jedoch aowohl die mit be kannter Technik erreichbaren Effekte als auch die zu deren Einführung notwendige Zeit viel zu optimiatiach beurteilt . Zumindeat so achnell, wie behauptet, geht daa allea nicht. Während man sich auf die Elektrizi– tätawirtachaft voll eingeschossen hat, bleiben andere, zum Teil viel gefähr– lichere Umweltachädiger, vor allem die Autofahrer, ziemlich ver■ chont . Trotzdem handelt es aich bei den Al– ternativvorschlägen um großceila gute Ideen und es ist ein Skandal, daß die E-Wirtachaft, die auf dieaem Gebiet beatena informiert aein aollte, nicht län&■ t mit der Realiaierung dieaer Möalichkeiten begonnen hat, ja, die se aogar behindert. Waa mich am Geiet der (oder vieler) Exponenten dea Volkabegehrens aber be– sonders stört, ist eine fa ■ t mystische 8e%:iehung zu "unberührter" Natur und "Schönheit", die ala absolut und all– gem.eingültig hinge ■ tellt werden (wie beaondera im "Hanifeat" von Nenning und Hauthe), obwohl ea letztlich um Geschmackafragen geht . Zwischen einer sauren Wiese und einem englischen Ra– oen gibt ea keine objektive Entschei– duna (außer man will Fußballspielen) . Schönheit hat keine"uralten Rechte" , wie ea Nenning und Hauthe achreiben . Henachen haben Wünache . Diese Wün– ■che hänaen (auch) davon ab, wa, die Henachen •ich voratellen können und was ihnen abaeht oder abhanden zu · kommen droht. Oft muß man zwiachen (Uberhaupt oder im gegebenen Zeit – punkt) unvereinbaren Wünachen ent– acheiden. Viele ( i...er mehr) Menschen in unaerem und vergleichbaren Ländern entscheiden sich für die Erhaltung natürlicher Um– welt und geaen den weiteren Auabau von Produktion■mögli keiten für Güter, die ihnen nicht o wichtig ■ ind oder von denen aie (nicht ~nbedingt auch andere) achon genug haben. lch ••&e "viele Henachen in unaerem und vergleichbaren Ländern", wei 1: die ca . 15 Millionen in Hexico City und die unzähligen in Bangla Desh (ala Beiapiele) haben andere Sorgen . Vielleicht nicht in der gleichen Bru– talität und Hoffnungsloaigkeit wie dort, aber sicher mit Reche, hatten auch unsere Großeltern und Eltern an– dere Probleme : ■ ie wünschten Dinge, die heute zum Nötigsten gehören (für una) und denen jeder noch ao Grüne/ Alternative manchen Wald und Bach opfern würde: genug zu essen, mehr als ein Zinwner pro Familie, Strom in jeder Wohnung, ein Bad, das Auto, die Ste– reoanlage, mehrere Zeitungen uaw . Das war, zB für die Henochen nach 1945, mit gutem Recht : Schönheit. Ein guter Teil dieaer Wünache wurde inzwischen für viele erfüllt . Um daa zu erreichen wurde andere Schönheit geopfert . Der~n Reste, ihre Erhaltung und, wenn möglich, Vermehrung, werden jetzt Inhalt der Wünache von Henachen . Je mehr ea werden. um10 mehr werden an ihrer Verwirklichung arbeiten - und mit denen otreiten, die (noch) andere• wollen . Darum geht ea heute vielfach in der Politik. Kommentar Vielea w~re noch zu überlegen, um al– les zu beachten , was die Entacheidung beeinflussen könnte : unterschreiben ~der nicht . Auf dieaer Seite, aber auch im Leben bia zum Unterachrifta– tcrmin, iat daa nicht möglich . Trotz– dem muß man entacheiden (ohne alle• zu wisaen). Eineraeita bin ich mit der aktuellen Energiepolitik aehr unzufrieden und wünache ihr, daß viele Vorschläge der Exponenten dea Volkabegehrena ab jetzt berückaichtigt werden . Ander– aeita halte ich daa Alternativkonzept für unrealistisch und zum Teil ge– fährlich naiv . Ich wünache mir einen guten Kompro– miß. Dazu ■ cheint es sinnvoll, die guten Aopektc deo Alternativkonzeptea zu atärken, aber vor allem der Ener– giewirtschaft ein deutlichea Zeichen der Unzufriedenheit zu geben . Daher unterschreibe ich (habe ich unter– achrieben) - mit ein bißl Bauchweh (■ iehe oben) und Veratändnia für jene, denen dieoe Bedenken ao schwer wiegen, daß sie nicht unterachreiben wollen . r.k .

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