Steyrer Tagebuch Nummer 20, Mai 1984

TB: Kann jemand in den Urwald gehen und einfach begin– nen zu roden und eine Hütte zu bauen? Raaoser: Das geht nicht. Der ni chtku l ti vierte Boden, soweit er sich nicht in Privatbesitz befindet, gehört dem Staat. In bestimmten Gebieten, die auch mili– tärisch gesichert werden können, gibt es Landverteil– unge~ Kleinbesitzer erhalten Grundstücke, wovon sie ihre Familie erhalten können. Dieses Land können sie vererben, aber nicht veräußer~ Dann gibt es verstaat– lichte Betriebe die sehr großflächig oder sehr kapi– talintensiv sind, zB eine sehr große Molkerei. TB: Muß das der Staat machen, weil nicht genug pri– vates Kapital vorhanden ist? Ra■oser: Es gibt genug reiche Leute, aber um nicht wieder in die Privatwirtschaft zu verfa l l en, wobei sich der Reiche noch mehr bereichern könnte, gibt es Schranken. Diese Leute leben im Prinzip genauso, wie unter Somozas Zeiten. Es gibt nur gewisse Ei nschrän– kungen, zB der Kapitalausfuhr. Großgrundbesitzer müs– sen Exportprodukte an den Staat verkaufen, von dem sie einen Tei l der Devisen erha l ten. TB: Und die machen dabei mit? Ra■oser: Es ist noch recht lukrativ, weil sie sonst ihre großen Besitzungen aufgeben mUßten, aus denen sie so noch eine Weile Geld herausholen können. Nach der Revolution mußten die Sandinisten versprechen, zB keine Enteignungen durchzufUhren, damit die Leute im Land blieben und um die Kapitalflucht zu bremsen. Es sind nur Leute enteignet worden, die im Somoza-Clan tätig waren oder Greueltaten begangen haben. NICARAGUA Fläche: ca. 130.000qkm Einwohner: ca. 2,9 Mio Bevölkerung: 60-701 Mestizen 10-151 Schwarze ca. 171 We i Be 4-61 Indianer Sprache: Spanisch, Englisch Religion: 951 röm-kath GESUNOHEIT: OSTERREICH ca. 84.000 ca. 7 ,5 Mio 991 deutschspr. Österreicher 11 madj. und slow. Minderheiten Deutsch 881 röm-kath, 61 prot Lebenserwartung: 56J 72J Säuglingssterbl1chkt: 91/1000 14/1000 Ei nw. pro Arzt: 1670 430 Bev-wachstum pro Jahr: 3,31 Export: 1/3 Baumwolle ca. 101 Kaffee Wert(l980): 450Mio$ BSP: 1,9 Mrd § BSP/Einw: 722 $ (96. Stelle) Militärausgaben (1 des BSP): 1,9 o,u 2/3 Fertigwaren Halbfertigwaren 15.685MioS 76 Mrd$ 10.230 S (18. Stelle) 1,2 TB: Gibt es fUr die Beschäftigten Mindestlöhne? Ra■oser: Das war die erste Ei nfUhrung der Sandinisten. Der Mindestlohn ist zwar relativ niedrig angesetzt, aber von Gewerkschaften ausgehandelt und auch fUr die Privaten bindend. Man kann sich davon eine Unterkunft leisten und braucht keinen Hunger leiden. Es ist aber nicht so, daß sie irgendwelche LuxusgUter anschaffen könnten. Außerdem wurde auch eine größte Verdienst– möglichkeit fUr Lohnabhängige festgelegt. Das ist ungefähr das 3fache des Mindestlohns. STADT UNO LAND TB: Das Leben wird sich zwischen Stadt und Land ziem- 1i eh unterscheiden. Raaoser: Das ist klar. Der Landbewohner hat bis zur Befreiung einfach gar nichts gehabt. Die meisten waren Campesinos, die im Land umhergezogen sind. Zur Ernte– zeit wurden sie von den Großgrundbesitzern zwei Monate um einen Minimal stl ahn beschäftigt, dann mußten sie wieder gehen. Sie konnten nicht mehr mitnehmen, als sie tragen konnten. TB: Wovon leben die Leute in der Stadt? Raaoser: Es gibt ein paar Fabriken, momentan nur eine größere, die Texnica, ein textilverarbeitender Be– trieb. Er leidet sehr darunter, daß sie nur alte Maschinen haben, die ungenau arbeiten. Damit können sie keine Qualität erzeugen, nur fUr den Inlandsbe– darf. Die anderen leben hauptsächlich vom Handel. Daneben gibt es natUrlich Kleinhandwerker, Schuster, Töpfereien und Dienstleistungsbetriebe. 5

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