Steyrer Tagebuch Nummer 20, Mai 1984

Neuauflagen einzelner Gedichtbände wurden kaum ge– macht, er wurde einfach vergessen. Ein Grund dafür war s i eher 1i eh sein lang andauerndes Exi l , andere liegen aber in seinem Werk selbst. Seine Gedichte sind nicht spektakulär, sie beginnen erst auf den zweiten Blick zu wirken. Er verwendet althergebrachte Gedichtformen und lyrische Mittel: Vers, bestimmte Strophenformen und großtei l s den Reim. Er paßt weder in das Schema des sogenannten Heimatlyrikers, noch in das des "Nie– wi eder-Krieg"-Dichters. o·e Nat ur nimmt viel Platz ein in seinen Gedichten. Er h3t si e si ch erwandert. Die kleinen Leute sind sein Thc n,a : Bäckerlehrlinge, Fleischhauer, Zimmermaler, Ta 5löhner, Kellnerinnen, Wirte, Mägde. Vagabunden und 1-'urer. Er macht sie weder verächtlich, noch hebt er sie empor, wo sie nicht hingehörten. Er nennt die Di nge beim amen, deckt sie nicht mit eigenen Me– t aphern zu und erreicht damit eine ungeheure Unmittel– t,arkeit. Die Weinmagd Als im Herbst vor Nacht aus jedem Loch herb der Wein und dumpf da Maisehgut roch, winselten im ganzen Dorf die Hunde, und mein Herz ~chlu !, als zu später Stunde draußen stand ein Mann im fahlen Schein; und ich ließ ihn in die Kammer ein. Düster wußte ich nicht, wer er war, und der Wcindun•,l hing ihm chwer im Haar. Ruhe gab sein Hamkdruck, ver chwommen war sein Blick , mit ihm hereingekommen war das Weinland ; und er grub mir stumm wie ein Grabscheit meinen Acker um. Schwarz, und früher als ich e gedacht, war er chon verschwunden in die Nacht. Nur d::is Lir.nl!n war nach ihm noch speckig ... meine Backen wurdl!n fahl und fleckig; und zu Lichtmcß schalt man nicht gering, al man merkte, daß ich schwanger ging. 1km GClf'S!en Aus den Reben weht der grüne Staub und der Pirol pfeift im Pfirsichlaub. Wo ich einstehn werde und gebären, weiß ich noch nicht, doch ich trag den schweren Leib so frei, als hätt, so weit man sieht, über ihm das ganze Land gekniet. Der Steinbrech Der teinbreeh bricht durchs nackte Felsgestein, clie Blätter schmal, die Blüten winzig fein; so tut die Jugend und ergibt sieb nicht und zwängt sich durch den kleinsten Spalt zum Licht. Der Steinbrech wächst und streckt sich allezeit wo kcin_e andre Pflanze son t gedeiht; ' so tut die Jugend und verzweifelt nie . ' 1st es auch kahl und öde rings um sie. Der Steinbrech braucht nicht viel, ein Tröpfchen Tau, den Schrei des Bus. ards und des Himmels Blau· so tut die Jugend und sie fordert nur, ' was Gott verweigert keiner Kreatur. Der Steinbrech pflückt ein jeder, der da will, d_ie J~ge~d trägt ihn unterm Aufschlag still; sie tragt ihn treu, wächst zäh gleich ibm heran bis frei im Land ihn jeder tragen kann. ' 25 Vielleicht half das alles zusammen, daß er bis jetzt in Vergessenheit geriet. Jetzt ist der erste Band von drei geplanten repräsentativen Gedichtsammlungen Kra– mers, vorbildlich herausgegeben von Erwin Chvojka, im Europaverlag erschienen (Preis ca. S 300~~ KMK

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