Steyrer Tagebuch Nummer 18, Februar/März 1984

6 Gespräch gedacht, es wird schon wieder eines Tages hinaufgehen. TB: Haben diese Fragen in den Wahlkämpfen eine Rolle gespielt? KREISKY: Eine große Rolle.Die Sozialdemokratische Partei war zwar groß, aber machtlos. In der Bundespoli– tik wurde sie ununterbrochen zurückgedrängt. Auf dem Höhepunkt der Krise, als die Kreditanstalt mit ihrem Latein zu Ende war,war nicht nur die Kreditanstalt in Gefahr, sondern mit ihr der größte Teil der öster– reichischen Industrie, der bei ihr Schuldner war. Die Regierung mußte eine Haftung für die Kreditanstalt über- nehmen, um sie zu retten. Das einige Arbeitslose dazu (dann aber auch zur SA). Man hat die Heimwehr spöttisch die "Fünf-Schilling-Manderl" ge– nannt, weil sie für jeden Aufmarsch fünf Schilling be– kommen haben. TB: Heute ist Steyr-Daimler– Puch auch wegen der Waf– fenproduktion im Gespräch. Wie war das damals? KREISKY: Das war damals nicht so. Man hat schon von den Gewehren gewußt, aber im Vordergrund war, daß die Steyr-Werke hervorragende Automobile erzeugt haben. Sie haben damals gerade den "Steyr-Baby" entwickelt, der ein riesiger Autoerfolg war. Natürlich ist es in dieser Zeit auch zu einer Absatzkri- bedeutet auch: Kontrolle über se gekommen• .. die Bank. Da begann das Bür– gertum zu zittern, daß eines Tages die Sozialdemokraten mit den Mitteln der Demokra– tie zur Regierung kämen und über diese Bundeshaftung für TB: Damals war es doch eigent lieh noch viel klarer, daß Arbeiter, die Waffen produzieren, dem Gegner in die Hand arbeiten. die Kreditanstalt Einfluß auf KREISKY: Naja .. die Heimwehr die österreichische Industrie hat andere Waffen ge bekommen könnte~. Da begann habt. Die meisten hatten da– die österreichische Industrie mals Waffen aus den Beständen die Heimwehr massiv zu unter- des 1. Weltkriegs. stützen und auch faschisti- TB: Gab es Zusammenarbeit mit sehe Tendenzen, um das zu verhindern. Da begann eigent– lich erst der Auftrieb des Austrofaschismus. Das ist in Wirklichkeit der Hintergrund für den Austrofaschismus und seine endgültige Auseinander– setzung mit der Sozialdemo– kratie. TB: Welche Leute gingen zur Heimwehr? KREISKY: Primär waren es die jungen Bauern. TB: Das waren noch viel mehr damals .. . KREISKY: Die bäuerliche Bevöl kerung war fast so zahlreich wie die Industrie– arbeiterschaft. Als später ein gewisser Demoralisierungs prozeß unter den Arbeitslosen eingesetzt hat, gingen auch Kommunisten? KREISKY: Vor dem Jahre 34 hat es keine Kontakte mit Kommunisten gegeben. Da haben wir das grundsätzlich abgelehnt. Innerhalb der In– tellektuellen war eine Gruppe aufgeschlossener, die anderen waren sehr verschlossen ge– genüber den Kommunisten. Erst nach 1934 sind die ersten Ge– spräche gekommen. TB: Welche Basis hatten die Kommunisten? KREISKY: Die Kommunisten hat- ten bis zum Februar 1934 überhaupt keine Basis in Österreich. Sie waren voll– kommen bedeutungslos. Erst danach hatten sie eine etwas größere Rekrutierungsbasis in den enttäuschten Funktionären der Sozialdemokratie. Da ist unter anderen auch in Steyr einer der führenden Gewerk– schafter übergetreten, der Moser . TB: Er war Betriebsratsobmann der Steyr-Werke. • KREISKY : Der Betriebsratsob- mann ist Kommunist geworden . Moser ist typisch für den Funktionär , der aus Enttäuschung über die Sozial– demokratie zu den Kommunisten ~egangen ist. Dazu kam die totale Desorien– tierung auf Seiten der Sozial demokraten. Nach ca. einem Jahr haben sich dann die Fronten wieder stärker heraus kristallisiert. Auf einer!– wöchigen Tagung von uns Jun– gen auf dem Lahnsattel -sogar die Kommunisten hatten dort ihre Redner- ist bei einer Urabstimmung von 80 oder loo Delegierten aus dem ganzen Land die Entscheidung für eine eigene Organisation ge– fallen. Wir sind dann als die gewählten Vertreter dieser Jugendorganisation der Revo– lutionären So~ialisten nach Brünn zur Konferenz der Sozia listen gefahren . Einen Monat später sind wir alle verhaf– tet worden. TB: Wie war das Verhältnis zwischen den Jungen und der Parteiführung? KREISKY: Eine Parteiführung im alten Sinn hat's nicht mehr gegeben. Zum Teil waren sie im Konzentrations– lager Wöllersdorf, zum Teil im Landesgericht eingesperrt . Es ist eine neue Parteifüh– rung für die RS entstanden. daneben gab's eine Menge an– derer Gruppierungen. Wir ha– ben die Revolutionäre Sozia– listische Jugend gegründet. die hatte so große Bedeutung, weil dort die Aktivisten wa– ren. Wir haben die Pfingst– kundgebungen veranstaltet. Wie konnten das eher riskie– ren, weil wir keine Familien zu erhalten hatten

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