Steyrer Tagebuch Nummer 18, Februar/März 1984

17 DER ARBEITSPLATZKOMMENTAR Auf Kosten der verunsicher– ten Kündigungskandidaten von Steyr-Daimler-Puch haben Österreichs Politiker, stand– haft das Gegenteil behaup– tend, durch ihr Handeln ihre Hilflosigkeit angesichts der wirtschaftlichen Probleme vorgezeigt. Das Problem ist soweit klar: Steyr-Daimler-Puch hat der– zeit nicht genug Aufträge, um alle Beschäftigten jede Woche 40 Stunden arbeiten zu las– sen. Ein Vergleich des Umsat– zes je Beschäftigten mit ei– nem modernen Betrieb wie zB BMW ergibt folgendes: wenn Steyr erfolgreich ein Struk– tur- und damit zwangsläufig ein Rationalisi e rungskonze pt durchzieht, wie es zur Stär– kung der Konkurrenzfähigkeit notwendig ist, wird der Um– satz je Beschäftigten in ei– nigen Jahren bis zum doppel– ten steigen. Eine gleich · schnelle Entwicklung des Ge– samtumsatzes kann nicht erwar tet werden. Daher ist mit ei- ner weiteren Verringerung der Beschäftigtenzahl zu rechnen, wenn es bei der 40 Stunden– Woche bleibt. Es gibt allerdings eine fast todsichere Methode, die Un– tauglichkeit der Arbeitszeit– verkürzung zu "beweisen": man führe sie in einem Krisenbe– trieb vorübergehend ein und gebe damit ihren Gegnern die Möglichkeit, alle Probleme, die nach etwa einem Jahr wei– terbestehen oder neu dazuge– kommen sind, als Auswirkung dieser Arbeitszeitverkürzung hinzustellen. Wenn wirklich alle bestimmen– den Gruppen ernsthaft die Arbeitslosigkeit überwinden wollten, müßten sie zusammen eine Variante finden können, die _einen brauchbaren Kompro– miß in der Frage der Kosten– verte ilung ('Lohnausgleich') darstellt. Die Chance, einige lo.ooo Menschen vor Elend zu bewahren, müßte uns diese An– strengung wert sein. Vorderhand wird aber aus Hilflosigkeit, übertriebener Hektik oder auf der Suche nach leicht zu erntenden po– litischen Lorbeeren 'Staats– theater' gegeben: ein tragi– komisches Stück um loo Neu– einstellungen beim Steyrer Selbst wenn größere Kündi- BMW-Motorenwerk. gungswellen vermieden werden Begonnen hat damit Landes– können: ein mehrjähriger Auf- hauptmann Dr. Ratzenböck nahmestopp hätte für den Ar- (der seine Landeskinder immer beitsmarkt, vor allem auch im bewährten Tonfall eines bei Jugendlieben, genauso ka- Märchenonkels anzusprechen tastrophale Folgen für die pflegt, damit sie sich nicht Region Steyr. fürchten brauchen) am 6, Jän- Da sich die FPÖ querlegt und ner (Kronenzeitung) mit der die Spitzengewerkschafter Behauptung, auf seine Inter- sich anscheinend nichts ernst vention hin stelle BMW zusätz haft zu fordern getrauen, was lieh ca. loo gekündigte Steyr die Unternehmer nicht sowieso -Arbeiter ein. Tatsächlich zu geben bereit sind, wird die handelt es sich dabei um die bei allen zu bedenkenden langfristig im Rahmen von Schwierigkeiten einzige logi - BMW's Ausbaukonzept vorgese– sche und erfolgversprechende hene Aufstockung der Beleg– Lösung, nämlich eine Verkür- schaft im Jahre 1984. Zusätz– zung der Wochenarbeitszeit um lieh ist also gar nichts au– mindestens 5 Stunden für alle ßer Ratzenböc..ks makabrer Daß Sozialminister Dallinger sich auf dieses Eis führen ließ, war allerdings nicht zu erwarten. Er setzte aller– dings noch einen drauf, indem er versuchte, bei BMW wenig– stens für diese planmäßig zu besetzenden Arbeitsplätze eine Bevorzugung von gekündig ten Steyr-Arbeitern zu errei– chen. Wie kommen eigentlich hunderte andere Arbeitslose im Bezirk dazu? BMW-Geschäftsführer Büchel– hofer ist es zu danken, an Realitäten erinnert zu haben: BMW stellt so viele Arbeiter ein, wie es planmäßig braucht und sucht jene aus, die für die Zwecke des Werks am be– sten geeignet sind. Diese Sprache ist hart und viel– leicht nicht gerade sozial, versucht aber niemandem etwas vorzumachen. Die-Se BMW-Philosophie war auch nicht unbekannt, als vorwiegend SP-Politiker sich um die Ansiedlung dieses Werks bemühten. Hätte man sich mit der seinerzeitigen Förderung mehr volkswirt– schaftliche Rücksichtnahme erkaufen wollen, wäre das halt vertraglich festzuhalten gewesen, Kein verantwortlicher Politi– ke~ machte eine besonders kompetente Figur und alle zu– sammen sind in den zentralen Fragen handlungsunfähig, weil die einen ganz die Interessen 'der Wirtschaft' vertreten und die anderen doch ein bißl die Interessen der Arbeiter und Angestellten. Bleibt als letzte Hoffnung Oppositionsführer Mock : er schlägt ganz einfach vor, Er- satzarbeitsplätze zu schaffen und versucht in seiner Ehr– lichkeit erst gar nicht uns weiszumachei, er wüßte wie Betriebe, nicht in Angriff Versuch eines W,erbegags in genommen. eigener Sache. , das geht . r .k .

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2