Steyrer Tagebuch Nummer 14, Oktober 1983

10 Der Club ist tot - Es lebe die Basiskultur nach nunmehr vier jahren sehen sich nie tragenden mitglieder des vereins basiskultur nicht mehr in der lage , den lokalbetrieb in ihrem 11 club " in der wehrgrabengasse aufrechtzuerhaJ - ten. durch besitzwechsel ausgelöst , wird es aus verschiedenen gründen kein wei 'L e.1.· mehr geben . die kulturellen änderungen , die mitte/ende der siebzigerjahre auch von späteren basiskulturmitgliedern mitinitiiert wurden, waren nur ein kurzes aufatmen wert . ·seit zwei jah– ren bessert s ich die geistige situa– tion dieser stadt nicht mehr , vor al– lem gibt es keine abwechslungen zum alltä glichen . der protest gegen den wehrgraben– zuschüttungsbescheid , eine zeitlang _aushänges child · für so manches kriti– sches bewußtsein-unter steyrern war eigentlich schon lange abzusehen und war in dieser breite nur ein nachzie– hen zu widerständen gegen die stadt– politik in sachen stadtbau/arckitektur in de r mitte der siebziger, als man– che steyrer das erste mal die nase voll hatten . manche erwchten erst spät aber eigentlich war da nie und nim– mer eine chance , das durchzuziehen we il eigentlich sehr zurückhaltend argumentiert wurde , zumindest von s eiten der zuschiittungsgegner. län– gerfristige aktionen in sachen wehr - graben, die unweigerlich einen neu- en kulturellen impuls nach sich zie– hen würden, sind bisher unterblieben und so ist schon wieder vieles in die– s er s tadt an kulturellen möglichkei– ten versäumt worden und verschlafen worden. grauer alltag regiert . die kul – tur als um und auf menschlichen le– bens jenseits des zwanges , seinen le– bensunterhalt verdienen zu müssen, steckt bei uns nach wie vor in den steifen röcken der vergangenheit . die menschen von st eyr haben sich noch ni cht befreit von überkommenen vorstellungen, die vom bürger tum ge– prägt wurden und werden, aber längst als überholt gelten, weil sie des · menschen entwicklung zur freiheit verhindern und gefährden . komischerweise müssen wir der ge– schichte der stadt entnehmen, daß sie immer ein Ort von Fortschritt und Veränderungen war , die notfalls auch knalihart vertreten wurden . gesellschaftliche veränderungen haben sich immer sehr vi.rulent ausgewirkt . erst nach dem kriege haben die massiven repressalien nach dem unterbundenen general– streik vom oktober 1950 ein klirna des lieber - doch - den - mund- hal– tens bewirkt , das noch heute überall zu spüren ist . die stadt ist nach dem krieg geistig mehr und mehr verkommen , weil sich das proletarische bewußt - s ein viel zu wenig kulturell ent– falten konnte , obwohl hier wie kaum anderswo arbeiter/arbeiter- söhne zu den spitzenpositionen der ges ellschaft aufstiegen . die me isten haben eben dem ideologischen druck des bürgertums nicht mit eigenen überzeu~ten lebensauffassungen stand– halten können . sie sind selber bürger geworden . die aufsteigende ~asse (hier arbeiter) antizipiert das bewußtsein der herrschenden klasse , der bürger , mit dem verheerend sich auswirkenden nachteil,daß sich in der großen breite nur das s chlechte des bürgertums,näm– lich das spießerische durchgesetzt hat . der biedermeierliche gartenzwerg von s teyr steht im wohnzimmer und hat möbelhausstyling . was wir aber heute br&uchten , sind leute und keine abziehbilder . techno– logie , bürokratie und Ökonomie sind die neuen herrschaft sideol ogien in ost und west und haben s ich verselb– ständigt. die osts taaten wollen den kapitalistischen westen zum beweis des sozialismus überflügeln ,während der westen im glauben an das notwen– dige wirtschaftswachstum sich pausen– los selbst zu überholen versucht . ganz zu schweigen von der zunehmenden kr±– senhaftigkeit des systems der machtaus– übung in ost und west und dem unendlich hohen unterschieden in lebensstandard und bildung von nord nach süd. der mensch muß begreifen daß wirt – schaftswchs tum keine notwendigkeit und die eigenkreativität in zeiten einer zunehmenden fre i zeit eine/wenn nicht die einzige alternative zur entfremdung durch arbeit ist, die die industriali– sierung mit sich gebracht hat .

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2