Steyrer Tagebuch Nummer 13, Sommer 1983

llPFEI.' 27 "Wo so ll ma auf a Bier hinge hn?" - "Gemma zum Herrn Bürger !", wir sagten nicht zum Minich– mayr sondern zum Herrn Bürger. Stadtbekannt, fast eine I nstit uition, trat Herr Bürger mit 1983 in den Ruhestand , wobei er sich ab und zu gern in seiner Ruhe stören l äßt , einspringt, wenn Not am Mann ist, und man unver hofft ein Bü rger - servi ert es Bier bekommt . Dann geht ein Ra unen durch die Leut , "Geht's zum Minichmayr, da ist da Bürger heut!". Eigentlich kommt man nicht auf die Idee, daß ein so echter Steyrer ein "Zuagroaster " sein könnte. Tatsächlich verschlug es Herrn Bürger eher zufällig und erst nac h etlichen Ver- irrungen und Verwirrungen hierher. Geboren wurde er im rumänischen Czernowit z , wo er im Gymnasium neben der deutschen Mutter– sprac he noch einige Fremdsprachen er lernt e , was ihm zugute kam , als er seinen Ber ufstra um durchsetzte. In einem guten Haus in der Czernowitzer "Kärntner Straße " absol vierte er sei– neLehre, nach deren Abschluß er sich in Wien den letrten Schliff holen wollte. Zu jener Zeit gab's aber statt Perfektion Bomben und Herr Bürger erlebte statt den Schl achten am kalten Bufett richtige. Eine Kriegsverletzung am rechten Arm die zu einer teilweisen Läh– mung führte hätte beinahe die "Bürger-liehen " Berufsvorstellungen lahmgelegt. Nach Kriegsende, as er- mit sei- oder Wi en bleiben soll, hört ner ne uge~ründeten Famili~ in Herr Bürger von einem Berufs- einer ruhigen Gegend Deutsch- kollegen von einer vakanten lands erlebt, versc hl ägts Bürger Ste lle im Hot e l Minichmayr in nach Wien. Er faßt wi eder in Steyr . Er sieht sich um "testet " seinem Metier Fuß und arbeitet auf der Veranda das Restaurant, in einem renommierten Resta u- beschließt Steyrer zu werden. rant-Bar-Betrieb, wo nac h dem und lebt sich rasch ein. Krieg, zaghaft zuerst, Gastro– nomie und Unterhaltung wieder aufzublühen beginnen. Auf Saison geht Herr Bürge~ jah– relang nach Kitzbühel, wo er in einem Betrieb der Hoteliersdy– nastie Reisch tätig ist. Aufgeschlossenheit und Interesse an Neuem, interessante Gäste, Beliebtheit üsw. können aber auf Dauer den Wunsch nach Seßhaf– ttgkeit nicht zurückdrängen. Un– schlüssig, ob- ~ er in Kitzbühel Über die Ze it en damals gerät Herr Bürger ins Sc hwärmen. Alles war weniger steril, Kommunika– tion und Unt er haltung standen im Vordergrund, Gäste und Per– sonal wa ren an Veranstaltungen interessiert. Bei Faschings- und anderen Festen ließ man sich eniniges ei nfallen und meist hatte Herr Bürger seine Hände im Spiel . auch auf sport li cher Ebene als fangsic herer Tormann des FC Mini. Dan1als erfüllte das Gast haus offenbar als Kommunikationszentrum·e1~e Funktion, di e Leute waren noch nicht durch den passiven Unterhalt ungskonsum vi a Fernsehen eingelullt, sondern mac hten sich ihre Gau i selbst. Nach Schilderungen und durch Fotos bel egt , gabs rausc hende Feste, di e oft erst nach mehrer– en Stationen, dafür aber s pät endeten. Herr Bürger nahm gern und ausgiebig an disen Ge– selligkeiten ~il, stand j edoch auch nach so rausch-endenden Festen bei der Arbeit seinen Mann. Ende der 60-ger Jahre gab 1 s Änderungen und Umbrüche : di e Che fi täten wechselten, die gesel– ligen Abende wurden rarer, eine neue Gästeschicht machte die Wirtshäuser unsicher - im wahr este n Sinn des Wortes . Denn unsicher waren sich damals genug Leute, ob man langhaar– igen,bloßfüßigen, bebluejeanten Jugendlichen überhaupt ein Bier bringen sollte. Für Herrn Bürger waJs kein Problem, denn von Anfang an war seine Maxime, daß der Gast Kö- nig ist und alle Gäste mit der gleichen Hö flic hkeit behandelt werden müsse,,. Durch den klassischen St il seiner Bedienung fühlten sich vi e le in eine angenehm nostalgi s che Atmosphäre verse t zt, dachten an die gemütlichen Wiener Kaffeehäuser der "guten alten Zei t", wo der Ober die Eigenheiten sei nes Gastes kennt, darauf einge ht und auf diese Art das Gespenst der fast automatisierten Fließbandabfertiqung verscheucht. Herr Bürger war so sehr um das Wohl seiner C~te besorgt, daß er sic h manchmal an Zuvor– kommenheit übertraf und sich so im Netz einLr liebenswürdigen und werten Umständlichkeit verfing. Aus all de~ resultierte die große Beliebtheit , deren sich Herr Bürger bei den Gasthausgehern und -sit ze n aller Alters-, ' Berufs- und sonstigen Schichten erfreut e und noch immer erfreut, wenn er hi e und da doch wieder in seinen sehr warmen Anzug schlüpft.

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