Linz a.d. Donau - culturhistorisch und topografisch geschildert

- 39 — noch lange zum Nutzen und Frommen des waldluftbedürftigen Städters; wäre der Wald Eigen von Bauern, so wäre seine Gemarkung längst abgeholzt, wie dieses auf dem Pöstlingberge schon beendet, auf dem Pfenningberge leider wieder begonnen erscheint. Dieser Wald ist ein vielumstrittenes Terrain der deutschen Literaturgeschichte. Der Culminationspunkt des welligen Hügelzuges, auch Kürnberg genannt, trägt heute noch die sogenannte »Hurg«, einen massigen Felsblock, von einem noch erkennbaren Steinwalle umgeben. Der Literarhistoriker Franz Pfeiffer — der grosse Forscher Bartsch mit ihm — glaubte nun im Versbau des Nibelungenliedes die Fährte nach dem dunklen Walde, nach dem Platze, wo einst ein Kürenberger das wunderbare Lied gesungen, endgiltig gefunden zu haben. Es gehört aller dings Phantasie dazu, sich die noch vorhandenen Reste der »Burg« zu einem Minnesitze eines ritterlichen Sängers auszumalen; neuere Forscher entkleideten den Steinhaufen seines romantischen Schimmers und erklärten ihn als »Volkscastell« gegen Avaren, Hunnen, Türken, die einst die Gegend mit ihren Einfällen bedrohten oder thatsächlich, wie die ersteren, auch verwüsteten. Eine Burg der Herren Kapeller und Liechtensteine am Kürenberge hat es gegeben, aber »Kürenberger« gab es in Oberösterreich nie, behauptet der Landeshistoriker J. Strnadt an der Hand eines reichen Materiales von Urkunden. Der neueste Forscher hinwiederum, F. X.Wöber, Custos der Hofbibliothek in Wien, öffnete jüngst die reichen Familienarchive des berühmten Hauses Traun, belegt eben falls urkundlich die Existenz von »Kürnbergern« in Oberösterreich und lässt eine Reihe von Wahrscheinlichkeitsgründen merklichen Gewichtes dafür sprechen, dass ein Heinrich von Traun-Stein eine Person sei mit Heinrich von Kürnberg undHeinrich vonOfterdingen (Oftering) und dass eben dieser Heinrich von Traun-Stein-KürnbergOfteringderSängerdesNibelungenliedessei. Auf welcher Seite die Wahrheit liegt, vermag der Verfasser dieses Büchleins nicht zu entscheiden; freuen wir uns, dass wir das Nibelungenlied, das grösste und herrlichste aller deutschen Gedichte, als reiches Erbe für alle Zeiten besitzen. Linz, die Stadt am Strome der Nibelungen, hat im Nibelungen fries des neuen Museums dem Dichter ein Denkmal gesetzt. Sobald wir den Wald hinter uns, empfängt den nach zweistündigem Marsche etwas ermüdeten Wanderer das freundliche Jägerhaus am Kürnberg, 525 Meter, mit Gastgarten. Treten wir aus diesem heraus, so liegt das Land vor uns, so weit und reich und herrlich. Hätte der jüngste Forscher, Herr Wöber, Recht, so wäre der gottbegnadetste Dichterwinkel vor uns aufgethan; auf dem Kürnberg stehen wir. Traun, der Stammsitz des gleich namigen berühmten Geschlechtes, grüsst mit seinem Schlosse und seiner neuen Kirche freundlich zu uns herüber, und rechter Hand, im violetten Duft der dörferbesäten Ebene taucht der Kirchthurm von Oftering in die Lüfte. Wer kennt den Heinrich von Ofterdingen im »Sängerkrieg auf der Wartburg« nicht? Strnadt hat das Visir des ritterlichen Sängers geschlossen. Wöber hat es wieder geöffnet; sollen wir in der That nur den — grossen Unbekannten vor uns haben, als der auf der Tafel in der Walhalla bei Regensburg der Dichter des Nibelungenliedes bezeichnet? — Auf angenehmen aus sichtsreichen Flurwegen wandern wir vom Jäge r hau s e nach dem Plateau des Freinberges (Seite 34) und abwärts nach Linz, was 1V2 Stunden Zeit beansprucht. Wer von Linz aus über den Frein berg nur bis zum Jägerhaus am Kürnberg gewandert, kann den Retourweg durch den Heinzenljachgraben nach der Donau — Ausmündung gegenüber vom Schlosse Buchenau — einschlagen, ein Waldsteig, wie Stifter einen solchen so schön schildert.

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