Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

75 ein Bild, das von ihm aus auch in die deutsche Predigt übergeht. „Von des Landmannes Arbeit", fügt der Minderbruder Ludwig hinzu, ,,der in der Hitze brennt und in der Kälte friert, lebt alle Welt" 1 • Ja, Gott und er sind eigentlich die beiden einzigen Herren aller Erdengüter, die den Menschen zum Gebrauch übergeben sind - das ist die schon sehr anspruchsvolle neue Prägung, die Jakob von Soest im 15. Jahrhundert der alten Wahrheit gibt 2 • Mit der fortschreitenden Ausgliederung der bürgerlichen Berufe wird dann alsbald auch diesen das Gewissen durch die Erinnerung geschärft, daß jedermanns Arbeit Dienst am anderen und oft mit schwerer Verantwortung für anderer Wohlergehen und Leben belastet ist. Schon das Schachbuch des Jakob von Cessolis unterläßt diesen Hinweis bei kaum einem einzigen Berufszweige. „Das Leben der Hohen und Vornehmen ist in der Hand des arbeitenden Mannes": des Ackerers, dem die Erde übergeben ist, die Mutter aller Lebendigen und ihre letzte Wohnstätte am Ende ihrer Tage; aber ebensogut der Bauleute und der Schiffs– bauer, bei denen es sich wahrlich nicht nur um ein wenig Holz und Eisen handelt, sondern um Leib und Seele der vielen, die sich ihrem Werke anvertrauen. Jedweder, der nützliche Arbeit verrichtet, soll sich vor Augen halten, daß der Mensch um des Menschen willen geschaffen sei, damit einer dem anderen zu Hilfe komme und alle insgesamt dem Ganzen dienen . Denn „um deine Sache geht es, wenn des Nachbars Wand in Flammen steht"! In die Hände des Arztes, dessen Berufspflichten sehr eingehend geschildert werden, ist das Leben des Kranken gegeben; und diesen kann wiederum keine aufgewandte Mühe retten, wenn die Gewissenlosigkeit oder Unachtsamkeit des Apothekers seinen Tod herbeiführt. Nur wenn der Wächter wacht, ist die Stadt in Sicherheit, und die Ungerechtigkeit der königlichen Beamten bringt zuletzt den Regenten selbst, den ihre Gegenwart sichtbar darsteJJt, um Ehre und Reich 3 • Sehr angelegentlich ist hernach dann auch wieder die Moraltheologie Antonins von Florenz darauf bedacht, das soziale Verantwortlichkeitsgefühl der ein– zelnen Berufe, der Lehrer, Ärzte, Juristen, Architekten zu wecken Ausführungen, die bis in die Einzelfragen der Berufsvor- 1 Speculum Ecclesiae, a. a. 0 . 866; Franz, a. a. 0. 88. 2 Florenz Landmann, Das Predigtwesen in Westfalen i. d. letzten Zeit des Mittelalters, Münster 1900, 209. 3 Ausgabe E. Koepke, a. a. 0. 18 ff.

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