Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 76 - bildung, der Zulassung zur Ausübung des Berufes, der Honorar– forderung u. a. sich erstrecken. Nicht geringe Schwierigkeiten hat der mittelalterlichen Berufsethik bekanntlich der Handels- und Kaufmannsberuf verursacht, der sich mit seinem oft unverhüllt hervortretenden Gewinnstreben, mit seinem im Einzelfall schwer nachzuprüfenden, für mittelalterliche Begriffe „arbeitslosen" Einkommen und seiner Verwicklung in mehr oder weniger anstößige Geldgeschäfte nur schwer in die allgemeine Arbeits- und Preislehre einzufügen schien, zudem aber auch manche Gelegenheit zu Übervortei– lungen und Unredlichkeiten bot. Die Urteile über ihn sind daher bis tief ins Mittelalter hinein vielfach noch ungewöhnlich hart und von unverhohlenem Mißtrauen eingegeben 1 . Aber allmählich kommt auch ihm die wachsende Einsicht in die wirtschaftlichen zusammenhänge und seine Unentbehrlichkeit sowohl für die Verknüpfung der Menschen und Völker zu einem großen Wirtschaftsorganismus wie für den Austausch ihrer Arbeits– erzeugnisse zu Hilfe. Vor Betrug, Lügen und falschen Eiden glaubt das „Speculum Ecclesiae" des Honorius Augustodunus mit vielen anderen die Kaufleute ausdrücklich warnen zu müssen. Aber hier wird ihnen auch das ehrende Zeugnis zuteil: ,, Ihr seid aller Nationen Diener. Denn das zum Leben Notwendige bringet ihr ihnen inmitten der Gefahren durch reißende Flüsse, durch Räuber und weite Reisen und Einöden" (Anspielung auf 2. Kor. 1I, 26). Fast noch nachdrücklicher nimmt sie Berthold von Regensburg in Schutz, als wolle er einem tiefeingewurzelten Vorurteil eigens entgegentreten: ,,Wir können die Kaufleute nimmer entbehren, denn sie führen aus einem Lande in das andere, was wir bedürfen. Denn ist in einem Lande das woh1feil, so in einem anderen jenes; darum sollen sie dies hinführen und jenes her; und darum soJlen sie ihren Lohn haben: das ist ihr Gewinn, den sie mit recht gewinnen. " 2 Will man H. Bechte!s 3 Ansicht beipflichten, daß der Handel auch im Mittelalter schon zeitig eine größere volkswirtschaftliche Bedeutung hatte, als vielfach angenommen wird, so lag es erst recht nahe, dem ehrbaren Händler- und Kaufmannsberuf auch die gesellschaft- 1 Über die Stellungnahme des hl. Thomas vgl. 0. Schilling, Die Staats– und Soziallehre d. hl. Thomas von Aquin, München 1930, 293 f. 2 Speculum Ecclesiae, a. a. 0. 865; Predigt von den 5 Pfunden (Pfeiffer I, 19). 3 Wirtschaftsstil, a. a. 0. 46 ff.

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