Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 27 - tanen." Die Entwicklung des städtischen Bürgertums als stän– discher Gruppe gehört einer viel späteren Zeit an 1 . c) Der hier aufgezeigte Tatbestand wird zum Teil auch dadurch verdeckt ~ und daraus erklären sich manche Mißver– ständnisse ~, daß allerdings innerhalb der herrschaftsständisch strukturierten Ordnung der mittelalterlichen Gesellschaft ein reichentwickeltes, auf beruflicher Grundlage ruhendes genossen– sc ha ftli ches Leben sich zu entfalten und zu behaupten ver– mochte. So war es von jeher in der bäuerlichen Bevölkerung, mag man diese genossenschaftlichen Bildungen nun als Reste der freien Vergenossenschaftung im alten germanischen Recht an– sprechen oder in ihnen den Durchbruch des freiheitlichen Triebes durch die ihn beengenden Fesseln der Grundherrlichkeit sehen. 0. v. Gierke verbindet wohl mit Recht beide Auffassungen mit– einander. Nach einer etwa von 800 bis 1200 sich erstreckentlen ersten Periode, während derer der Herrschaftsgedanke die früheren genossenschaftlichen Bildungen, die Dinglichkeit grundherrschaft– licher Verhältnisse das Prinzip der Persönlichkeit zurückdrängte und „einen gewaltigen Bau von Herrschaften und Diensten auf– türmte", dringt in einem zweiten Zeitraum (1200 und darüber hinaus) in dieses Herrschaftsgefüge des Hofrechtes und der Hörigkeit, des Dienstrechtes oder der Ministerialität, des Lehns– rechtes oder der Vasallität der Freiheitsgedanke wieder ein und füllt jeden irgendwie noch freigebliebenen Raum durch genossen– schaftliche Einungen aus. Die natürliche Verbindung des Bauern mit dem bewirtschafteten Boden und seine natürlichen Rechte auf das Ackerland, das er selbst durch Rodung dem Walde und der Heide abgewatJ.n, erleichterten ihm die Behauptung dieses mehr oder minder großen Anteils von Freiheit und Selbstbe– stimmung. Auch werden die Bindungen der Grundherrschaft sehr oft, zumal bei weitentlegenem Streubesitz, wohl nur locker gehandhabt und nicht bis in die letzten Verästelungen des Feudal– systems fühlbar geworden sein. Auch nach Gierkes Ansicht war dieses letztere selbst in der Zeit der höchsten Blüte nie so rein durchgeführt, daß nicht neben der abgeleiteten Gewalt auch die eigne, neben dem geliehenen Recht auch das gekorene irgendwie anerkannt und für selbständige persönliche und ver- 1 0. Hintze, Typologie d. ständ. Verfassungen des Abendlandes, in: Histor. Zeitschrift 141 (1930) 229 ff.

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