Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

- 26 - königlichen oder bischöflichen Stadtherrn in herrschaftlichem Abhängigkeitsverhältnis, sondern auch ihre Verfassung ist zur . Zeit der Geschlechterherrschaft wie zur Zeit der Zunftherrschaft ein Herrschaftsgebilde, in dem nichts auf eine „berufsständische" Gliederung und Zusammenarbeit hindeutet. Daß man in Zeiten höchster Not, etwa zur Verteidigung der belagerten Stadt, ein– trächtig zusammenstand, will demgegenüber nicht allzuviel besagen. Moderne Verhältnisse und Anschauungen verdunkeln all– zuleicht den Blick dafür, daß, wie schon vorhin angedeutet, auch Städter und Bürger in der sozialen Einschätzung durchaus zu den dienenden Ständen zählen. Für Chastellain, den Hofhisto– riographen Philipps des Guten und Karls des Kühnen, ist der reiche Städter kurzweg der „vilain", und das gemeine Volk hat Gott lediglich dazu erschaffen, das Dasein der Gesellschaft sicherzustellen 1 . Selbst der vermögende Kaufmann ist von dieser Minderbewertung nicht ausgeschlossen. ,,Wird einmal ein Kauf– mann (von der höfischen Dichtung) intensiver be·nötigt, so erhebt ihn der Dichter ... schnell ins ritterliche Geblüt 2 ." Aller– dings hat ja auch, wie K. Brandi3 hervorhebt, der kriegerische Adel nördlich der Alpen nie ein ernsthaftes Interesse für die Stadt bekundet, tritt vielmehr oft geradezu als zerstörendes Element auf, während er in Norditalien, vor allem in Florenz, ohne die Ver– bindung mit seinen Landsitzen aufzugeben, als Stadtadel führend sich betätigte und schon dadurch dem städtischen Wesen einen größeren Zug und ein höheres Ansehen gab. Daher war es auch bei der Ausbildung der späteren ständischen Verfassung im deutschen landesherrlichen Territorium wohl die Stadt, nicht aber die Bürgerschaft als solche, die in den Ständeversammlungen und Ständekammern ein beschränktes Mitbestimmungsrecht erlangte. Die Stadt aber tritt dabei, ebenso wie der Adel, als politischer und finanzieller Machtfaktor auf, keineswegs als bürgerlicher Berufsstand. Scharf und richtig urteilt F. J. Stahl4, wenn er von diesen Ständen sagt: ,,Sie haben durchaus feudali– stischen Charakter. Sie vertreten weniger die Bevölkerung, als ihren Stand; viel mehr ihre eigne Herrschaft, als ihre Unter- 1 J. Huizinga, Herbst des Mittelalters, München 1928, 78. 2 Hans Naumann und Günter Müller, Höfische Kultur, Halle a. S. 1929, 34. :i Die Renaissance in Florenz und in Rom, 3. Aufl., Leipzig 1909, 8. ' Rechts- und Staatslehre II, 2. Abt. 3. Aufl., Heidelberg 1856, 338.

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