Stand und Ständeordnung im Weltbild des Mittelalters

13 ·- Übereinanderschichtung von Freien und Unfreien, Hoch- und Niedriggeborenen, Führenden und Geführten, Besitzenden und Besitzlosen, körperlicher Arbeit Entbundenen und ihrer Fron Unterworfenen. Ein Abhängigkeitsgefüge, verfestigt durch Ge– schichte und Gewohnheit, elementare Daseins- und Lebens– notwendigkeiten, durch Machtinstinkte auf der einen Seite und dumpfe Unterwürfigkeit oder religiöse Hingabe an einen höheren Willen auf der anderen. Ihm tritt nunmehr der zweite Grundtyp ständischer Gesellschaftsstruktur entgegen, der von der Persön– lichkeit ausgehende genossenschaftliche oder gemein– schaftsständische. Durch Verknüpfung der Persönlichkeit mit der Leistung entwickelt sich die Idee des Berufes, in den innerhalb des herrenständischen Rahmens freigelassenen Räumen bilden sich Leistungszusammenhänge freier oder freigewordener Einzelmenschen, und der berufsständische Standesbegriff nimmt den Wettbewerb mit dem älteren autoritären und macht– ständischen auf. Der geschichtliche Aufriß, in dem 0. v. Gierke 1 den Übergang vom älteren germaniscil-genossenschaftJichen Prinzip zu weitgehend (:r Verdinglichung aller sozialen Verbände und von hier aus wieder zu erneutem Vordringen der frei en Einung darstellt, geht sorgfältig diesen inneren Umbildungen nach, denen die ständisch strukturierte mittelalteriiche Gesellschafts– verfassung unterlag. Ihr äußerer Aufbau blieb dabei im wesent– lichen unerschüttert und konnte es schon deshalb bleiben, weil weder dem herren- und herrschaftsständischen Gefüge die beruf– liche Unterlage ganz fehlte, noch umgekehrt das Vordringen berufsständischer Tendenzen sich über die Schranken hinweg– setzte, die durch Geburt, Vererbung, Macht und Besitz nun einmal gezogen waren. Auch im politischen Bereich werden ja die beiden Haupttypen staatlicher Integration, der herrschaft– liche und der demokratische, niemals restlos durchgeführt sein. Trotzdem ist die große durchgehende Linie eines Aufstiegs der Persönlichkeit und des zähen Ringens um eine gesellschaftlich– wirtschaftliche Neuordnung, die ihrem Wert und ihrer Leistung besser gerecht werde, von Jahrhundert zu Jahrhundert deutlicher zu erkennen. Hinter diesen Persönlichkeits- und Freiheitstrieb, das Er– gebnis der zunehmenden Reifung der jugendlichen germanischen 1 Das deutsche Genossenschaftsrecht I, Berlin 1868, 8 ff. Schwer Stand und Ständeordnung. 2

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