Aktuell im Betrieb - Heft 1/1970

IN DER STEIERMARK? denn von nun an floß ein mächtiger Kultur strom von Salzburg in den Südosten unse res heutigen Staatsgebietes und gab die sen Gegenden zum Teil ein ganz anderes Gepräge als den Ländern im Norden an der Donau, die von Regensburg und Passau her aufgeschlossen, kolonisiert und missioniert wurden. Das Erbe des Fränkischen Reiches über nahm das Heilige Römische Reich Deut scher Nation. Kärnten-Karantanien war darin wohl ein eigenes Territorium, blieb aber in enger Verbindung mit Baiern; erst im Jahre 976 veranlaßte die unsichere Hal tung des Baiernherzogs Heinrich des ,,Zän kers" den Kaiser Otto II., Kärnten von Bai ern abzutrennen und zu einem selbständi gen Herzogtum zu machen. Dieses Kärnten umfaßte nach wie vor ein beachtliches Ge biet: zu ihm gehörten außer dem heutigen Bundesland noch der Großteil von Osttirol, der Lungau, die ganze Steiermark und Krain, und nach Norden griff es einerseits über den Semmering im Raum von Wiener Neustadt ins heutige Niederösterreich hin aus, anderseits durch das Ennstal und den Pyhrnpaß nach Oberösterreich bis in die Gegend von Steyr.(Der Ramingbach, heute Grenze zwischen Ober- und Niederöster reich, hieß noch im elften Jahrhundert ,,Karintgscheid"!) Es waren unruhige und gefährliche Zeiten damals! Hundert Jahre nach der Nieder werfung des Awarenreichs waren, wieder von irgendwo aus Innerasien kommend, die Madjaren (Ungarn) nach Europa einge brochen, wieder war die Enns für lange Zeit zur Grenze, zum ,,Eisernen Vorhang" geworden, und wieder hatte das Reich seine ganze Kraft zusammenfassen müssen, um in der großen Reiter- und Ritterschlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg im Jahre 955 die Madjaren aus Mitteleuropa hinaus zuwerfen. Aber diese blieben nun in Un garn sitzen — und sie blieben bis auf wei teres recht unangenehme Nachbarn. Um sich gegen sie zu schützen, war man genö tigt, wirksame und dauerhafte Abwehrmaß nahmen zu ergreifen, und man fand sie in der Anlage von ,,Marken", von ,,Wehr grenzbereichen" am Ostrand des Reichsge bietes. So wie das Herzogtum Baiern um 975 eine ,,Ostmark" abgliederte — die Keimzelle des heutigen Bundeslandes Nie derösterreich und damit überhaupt des österreichischen Staates — so schied um 1000 das Herzogtum Kärnten den Ostteil seines Gebietes als ,,Karantanische" oder ,,Kärntner Mark" aus, die ihrerseits wieder in mehrere Gaugrafschaften gegliedert war. Nach der Lechfeldschlacht wurden weite Teile des durch die Kriege schwer heimge suchten Landes mit Siedlern aus Baiern und Franken neu bevölkert; diese waren Bauern und Krieger zugleich, verpflichtet, sich jederzeit zur Verteidigung des Landes bereitzustellen. Grundsätzlich hatte die Be völkerung einer Mark die Aufgabe, den Einfall feindlicher Völker so lange aufzu halten, bis ein ReicKsheer zur Stelle war; dafür war sie vom Kriegsdienst außerhalb ihres Landes enthoben, überhaupt war die Wehrverfassung der Mark straff geordnet: der Gaugraf war zugleich Leiter der Ver waltung im Frieden und oberster Anführer im Krieg, Städte wie Wiener Neustadt, Friedberg, Hartberg, Fürstenfeld, Radkersburg, Marburg (ursprünglich ,,Markburg") und Pettau entstanden als wohlgeplanter wehrhafter ,,Festungsgürtel" an der Ost grenze, und der Hauptort der ganzen Mark, das um 1050 gegründete Graz, läßt schon an seinem Namen seine ursprüngliche Be deutung erkennen, denn ,,Graz", vom slo wenischen ,,gradec" hergeleitet, bedeutet schlechthin ,,kleine Burg" oder ,,kleine Burgstadt" — eine Burg unter den zahl losen, die damals im Land entstanden. Be zeichnend ist, daß dieses Graz anfänglich ,,Bairisch-Graz" genannt wurde, im Gegen satz zu dem älteren Windisch-Graz in der Untersteiermark. Auch der in der Steier mark mehrmals vorkommende Ortsname ,,Baierdorf" deutet auf den starken Zustrom bairischer Siedler in jener großen Zeit der Erschließung und Festigung, in welcher der Ostteil unseres heutigen Staatsgebietes erst richtig zu einem Bestandteil des europäi schen Abendlandes geworden ist. Weit im „Hinterland", an der Mündung des Steyrflusses in die Enns, hatte inzwischen um 980 Ottokar III., Graf im Traungau, ebenfalls aus einem oberbairischen Ge schlecht stammend, die ,,Stiraburg" erbaut. Zu ihren Füßen erblühte, vor allem durch die Eisenindustrie und den Eisenhandel, die Stadt Steyr; die Gründung der Klöster Garsten (1082) und Gleink (1120) brachte weiteren kulturellen Aufschwung, so daß Steyr bald der bedeutendste Ort des gan zen Gaues wurde, und seine Herren sich ,,Grafen von Steyr" zubenannten. Und als nun im Laufe des elften und zwölften Jahr hunderts diese Traungauer Grafen von Steyr nach und nach die Kärntner Mark um Graz herum und dazu noch verschie dene Gaugrafschaften an der Mürz und der oberen Mur erwarben und zu einem großen Territorium zusammenfaßten, da war es ganz natürlich, daß dieses nun die ,,Mark Steyr" oder die ,,steirische Mark" genannt wurde. Seit 1056 schon taucht diese Be zeichnung auf, aber erst seit der Zeit des Grafen Leopold des Starken von Steyr, der 1122 Graz erwerben konnte, wurde sie all gemein gebräuchlich. Ritter aus der Zeit der Kolonisierung der stelrischen Mark In den Jahren 1148 und 1158 konnten die Grafen von Steyr ihr Gebiet noch durch die Erwerbung der ,,Mark an der Drau" (mit Marburg) und der ,,Mark Fitten" (mit Wie ner Neustadt) erweitern und abrunden. Mit dieser kraftvollen Entwicklung verloren sich mehr und mehr die alten Bindungen an Kärnten, 1163 wurde Graz offizielle landesfürstlich-steirische Hauptstadt, und 1180 die Steiermark ein eigenes, reichsunmittelbares Herzogtum. Nicht lange danach, 1218, sollte die Steiermark durch die Gründung des Bis tums Seckau auch in der Kirchenverwal tung selbständig werden. Aber dieser Höhe punkt war zugleich der letzte Akt: am 18. August 1186 bestimmte der im jugend lichen Alter kinderlos hinsiechende letzte Graf von Traungau und Steyr, Ottokar VIIL, seinen Onkel, den Babenberger Leopold V., den Tugendhaften (einen Sohn des berühm ten Herzogs Heinrich Jasomirgott), ,,aus eigener Macht" schriftlich zu seinem Nach folger. Als er 1192 starb, traten die Baben berger das Erbe an. Durch die Vereinigung von Österreich mit der Steiermark entstand so erstmalig ein ,,groß-österreichisches" Territorium, das vom Hausruck bis an die March und an die Raab und von der Moldau und der Thaya bis über die Drau reichte. Wohl wurden in der Folgezeit, unter den Babenbergern so wohl als auch später unter den Habsburgern, die beiden Länder einige Male ge trennt regiert, aber doch immerhin bloß von verschiedenen Linien desselben Herr schergeschlechtes, so daß sie jedesmal bald wieder infolge von Erbschaftsverträgen in einer Hand vereinigt wurden. Und so wie die beiden Länder Österreich und Steiermark durch die Jahrhunderte ver einigt blieben, so konnte weder das Aus sterben der Grafen von Steyr, noch die spätere Abtrennung des alten Traungaues mit der namengebenden Stadt Steyr mehr etwas daran ändern, daß die Steyr-Mark eben nun unsere Steiermark war und es bis heute geblieben ist. Dr. W. Berger

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