Linzer Tages-Post vom 6. August 1905

vie Staätpksrrkirche in Stepr: vie heilige klisabeth (lloräportai). Baldachine ausweisen. Eine höchst eigentümliche Anlage ist die Vorhalle, über welcher sich im Innern das Musikchor befindet; von dieser führt ein Doppelportal in die Kirche. Hier kennzeichnet sich für jedes kunstgewandte Auge die letzte Spätgotik. Der Rundbogen mit seiner derben Profilierung tritt hervor. Auf solche Art werden fünf Mauerblenden der Halle umrahmt und durch Kreuzung einer Sohlbank entstehen Sitze, die für die zur Kirchenbutze Verurteilten dienten. Auch hier sind noch Reste von Malereien zu sehen. Mehrere höchst interessante Grabsteine sind an den Wänden aufgestellt, von denen der dem Hauptportale gegenüber befind ­ liche durch seine Größe hervorragt. Gräfin Elisabeth von Salm, eine Tochter des ersten Verteidigers Wiens gegen die Türken Grafen Niklas Salm, welche am 18. Mai 1557 im Schlosse zu Steyr starb, wurde im Chöre beigesetzt. Auch der Grab ­ stein des Steyrer Ratsherrn Wolfgang Handl, welcher am 4. Oktober 1565 starb, verdient besondere Beachtung; selber gehört bereits der Blütezeit der Renaissance an. Der Stein wird durch zwei Gurten in drei Partien geteilt, die obere nimmt hübsche Kompositionen auf, die eherne Schlange, den Donator mit seiner Gemahlin Anna und seinem Sohne Bertold, sowie den Sieg der Auferstehung Christi über Tod und Satan, über all diesen offenbart sich Gottvater mit Engeln: dieSzenerien werden noch durch reizendeLandschaften geschmack ­ voll erhöht. Der zweite Teil umschließt die Grabschrift, der unterste ist der Architektur und den Wappen gewidmet. Die Nordseite entwickelt durch eine Vorhalle einen be ­ sonderen Reichtum, von dieser gelangt man durch ein Doppelportal in die Kirche, durch eine kleine Tür zur Stiege zum Musikchor. Diese Halle zählt zu den letzten und schönen Eigentümlichkeiten, welche die gotische Kirche er ­ halten hat. Vier Figurnischen, von reichen Baldachinen be ­ krönt, nehmen den einzigen, noch ursprünglichen, figuralen Schmuck der Kirche auf, Jakobus Major, Agnes und Elisa- beth, welche bemalt waren und 1800 vom Bildhauer Erler stilgerecht restauriert wurden, jedoch keine Polychromierung mehr erhielten. Diesen dreien gesellte der gleiche Künstler den Evangelisten Johannes bei, welcher in Charakteristik und Stilgerechtigkeit mit den anderen vollkommen harmo ­ niert. Das eine Bogenfeld des Portales birgt eine herrliche plastische Arbeit der Spätgotik, an welcher sich die Formen der erwachten deutschen Renaissance bereits bemerkbar machen und die die Jahreszahl 1525 aufweist. Das Relief wurde in der Entstehungszeit mit dem Namen „Maria End" bezeichnet und stellt den Tod Mariens, ihre Auf ­ nahme und Krönung im Himmel, in der unteren Hälfte den Stifter, den Steyrer Bürger Laurentius Guetprot mit seiner zahlreichen Familie, dar. Die heilige Jungfrau sinkt in den Armen des Engels zusammen; Petrus, angetan mit dem Pluviale, sprengt Weihwasser auf sie, die übrigen Apostel find in Gebet und in Trauer versunken, um in laut ­ loser Stille ihren letzten Hauch entfliehen zu hören. Oben erwarten Gottvater und Christus, in den Händen die Krone haltend, die Ankunft der himmlischen Braut. Zwischen den göttlichen Personen ist ein Thron errichtet, über denselben spannt der heilige Geist seine Flügel aus. Eine Unzahl von Engeln und Putten überflutet das Relief, selbst das reiche Laubgewinde, welches das Relief umspannt, ist von zier ­ lichen Putten bevölkert. Als die Protestanten in die Stadtpfarrkirche einzogen, fiel auch dieses historische Denkmal nebst vielen anderen der Zerstörungswut anheim. Vom reichen figuralischen Schmucke waren nur spärliche Ueberreste vorzufinden, keine Spur einer Darstellung war vorhanden, nur Rumpfteile, die selbst wieder arg beschädigt waren, boten einen traurigen Anblick. Die Zentralkommission zur Erhaltung kunsthistorischer Baudenkmäler übertrug 1900 die Restaurierungsarbeiten dem Bildhauer Erler, der den Gestalten die fehlenden Teile passend wiederzugeben wußte und die strenge Charakteristik des alten Reliefs erreichte. Nach dreimonatlicher emsiger Arbeit mit Schülern und Gehilfen war dieses Werk fertiggestellt. Nebenan auf einer Steinbank ist der große Grabstein der Steyrer Bürgersfamilie Laurentius Guetprot, ein Stein mit wundervollen Reliefbildern, zu sehen, die Szenen aus der Passion Christi enthalten: so den Abschied Mariens von Jesu, das Abendmahl, die Kreuzigung und Auferstehung. Alle Bilder sind vorzügliche Kompositionen und wunder ­ bare technische Ausführungen. Unten kniet zu beiden Seiten eines Leos llomo-Bildes die Familie, rechts und links von derselben find Putten, welche die vier Wappen des Patriziers halten. Die Grabinschrift besagt: „Hie ligt pegraben der ersam Laurencz Guetprot purger zu Steyr der gestorben ist am 28. Tag des Monats Hornung 1527. Ursula seinerste Hausfrau ist gestorben den ersten Tag des Augstmonat und 4 Kinder den Got genad auch Barbara die ändert Hausfrau ge ­ storben am ..." Die Sterbedaten Guetprots zweiter Frau fehlen, die Stelle ist erhoben und war zum Ausmeißeln der Schrift bestimmt. An dieser Seite befindet sich der sechseckige Turm, dessen barockes Kuppeldach in der Nacht vom 8. auf den 9. Jänner 1876 abbrannte. Das Turmkreuz stürzte auf das Dach der Dreikönigkapelle und blieb im Gewölbe stecken, während das brennende Kirchendach zwischen Meßnerhaus und Turm fiel. Neun Jahre später wurde nach den Plänen des Dom ­ baumeisters Friedrich Schmidt der Umbau des Turmes wieder begonnen, welcher nach vierjähriger Bauzeit mit einem vie Stsätpsarrkirche in Slexr: „Lteprer Herrgott." Kostenaufwande von 100.000 Gulden fertiggestellt wurde. An den Turm ist die Sakristei angebaut, über welcher zu ­ gleich die Paramentenkammer liegt, die einst die Allerheiligen- Kapelle war. Den Aufgang zur letzteren vermittelt ein kleiner Treppenturm, der sich im Innern der Kirche befindet. Durch ihn gelangt man auf eine kleine, mit reichem Paneel ­ werk geschmückte Galerie, die von einem Rundbogen, der sich an den Treppenturm und auf einen Trägstem stützt, getragen wird. Die zweite Sakristei ist ein späterer barocker Zubau, der sehr störend wirkt. Die Südseite weist eine kleine Vorhalle mit einem Portal auf, an welcher man die edelsten Formen gotischer Architektur erkennen kann. Rund um die Kirche bemerkt man viele höchst interessante Grabsteine, welche kunsthistorischen Wert besitzen. Von den wertvollsten der Art ist das Grabdenkmal des 1516 ver ­ storbenen Bürgers Georg Ratalf, dessen Hauptbild eine prächtige Oelbergszenerie ist. Christus im Vordergründe, rückwärts die schlafenden Jünger, in der Ferne zieht Judas mit der Schar heran. Unterhalb kniet der Bürger mit seiner Familie, die Grabschrift besagt:^ „Hie liegen begraben Der Erbar goerg rattallf pirger hie zu steyr dr gestorben ist an pfinsttag Johanes und pauli anno dm 1516 und margesta sein Hausfrau ist gestorben Anno domini 15 und III 19 Casparir baider sun ist gestorben anno dm 1519 mr got drost die und al gelaubig sel anno." In Nischen sind die leider arg beschädigten Figürchen Georg und Florian zu sehen. — Sehenswert ist der Grabstein mit Gottvater und dem Gekreuzigten, dessen Stifter ver ­ schollen ist, nur das Wappen ist zu sehen. — Der Grabstein Michael Vumklers, welcher am 12. Oktober 1534 gestorben ist und ein großer Wohltäter der Kirche war, ist jener mit den zwei schildtragenden Waldmännern. — Der Grabstein Hieronymus Zumbherum verdient wegen der meisterhaften Komposition gerechte Beachtung. Christus erscheint darauf als Weltrichter, von ihm gehen Lilie und Schwert aus, Belohnung und Bestrafung. Engel mir den Passions ­ werkzeugen begleiten den Vorgang, vorne knien Maria und Johannes der Täufer. Eine Wolkenaureole grenzt die Welten ab, zu beiden Seiten des Wappens knien der Donator und seine Gemahlin Barbara. Das Grabdenkmal ist weder spätgotisch noch Renaissance zu nennen: es war in der Uebergangszeit vollendet worden. Der Bildhauer hat durch sein Steinmetzzeichen der Nachwelt seinen Namen erhalten. Die Schilder enthalten Verse aus dem sechsten und fünfzigsten Psalme, die auf die Barmherzigkeit Gottes hindeuten. Auch das Interieur der Kirche bietet noch viele Ueberreste gotischer Baukunst. Vor allem bildet das Sakramentarium im Presbyterium einen herrlichen Schmuck des Münsters. Alles ist originell bis auf die beiden Engel, die von reich dekorierten Baldachinen bekrönt werden, worüber der weitere Aufbau aus vier Seiten eines Zwölfeckes stufenweise, in reichem, architektonischen Schmucke sich emwickelt. Die eiserne Tür ist eine wundervolle Schlosserarbeit, welche aus sechs verschiedenen, vergoldeten Maßwerken besteht, die mit ebenso reichen Maßwerken bedeckten Rahmen gehalten werden, der Feldergrund ist rot bemalen. Die Tür wurde einst gewaltsam entfernt, durch Zufall wieder erworben und ihrer einstigen Bestimmung abermals zugeführt. Gegenüber befindet sich als ebenbürtiges Gegenstück ein nicht minder reich gegliedeter Baldachin. Auch die Sakristeitür zeigt eine hübsche Schlosser- arbeit; sie ist aus Eichenholz gefertigt und mit Blech be ­ schlagen; eiserne Schienen teilen sie in rautenförmige Felder, die abwechselnd mit den Wappen Oberösterreichs, Tirols und Kärntens, sowie mit dem Habsburger Löwen in getriebener Arbeit geziert sind. Vereinzelte Ueberreste von Glasmalereien haben den Sturm und das Toben der Zeiten überstanden und von diesen wenigen mußten die meisten in die Kapelle der Franzensburg und in die sogenannte Rittergruft zu Laxen- bürg wandern; ein Teil kam wieder zurück, doch diese sollen nach Meinung verschiedener Altertumsforscher niemals der Stadtpfarrkirche gedient haben. Immerhin sind selbe sehr wertvolle Ueberreste, einige reichen in die romanische Stilperiode zurück. Wohl zählt die Stadtpfarrkirche aus dem sechzehnten Jahrhundert in Zeichnung und Farbe schöne Glasgemälde, die die ganze Breite und vier Felder der Höhe eines südlichen Schiff- fensters einnehmen und den Tod Mariens und ihre Krönung illustrieren. Die Darstellung und Glasarchitektur ist der deutschen Renaissance entlehnt, die Farbenwirkung ist eine tief gesättigte, an der sich das betrachtende Auge nicht satt ­ sehen kann. In dem Nebenfenster waren noch weitere vier Felder mit Glasgemälden bedeckt, die Johannes den Täufer und Katharing, welch letztere in der Komposition von ent ­ zückender Anmut und Schönheit ist, dann den Stifter mit seiner Frau und sieben Kindern, die im Rosenkranzgebete vereint sind, darstellen. Die Inschrift heißt ihn: „Wolfgang Püiller, fein Hausfrau u. Kindern." Die beiden Glasfenster wurden zu einem ganzen vereint und teilweise ergänzt. Ein der späteren Zeit angehöriges Glasgemälde weist ein Nord ­ fenster auf, das eine Madonna mit dem Kinde in der Manier Holbein vorstellt. — Alles andere entstammt der neuesten Zeit. Vor allem sei der Glasgemäldefenster gedacht, die an Stelle gewöhnlicher Fensterverglasung getreten sind. Die Glasfenster der Münchener königlichen Hofglasmalerei haben das Herrlichste in diesem Genre geleistet. Aus ihr sind zwei Fenster hervorgegangen, die unstreitig zu den fchönsten der Stadtpfarrkirche zählen. Die Hofglasmalerei Geylings Erben zu Wien hat im Werndl-Fenster kolo ­ ristisch und im Graf Lamberg-Fenster architektonisch meister ­ haft gearbeitet, nicht minder anerkennenswert ist auch die vor ­ trefflich gelungene Restaurierung des Renaissancefensters, alle anderen find schwächliche Leistungen, während das letzt ­ gearbeitete Fenster geradezu unglücklich ausgefallen ist. Von neuen, plastischen Arbeiten sind die im Hauptschiffe, an Vie LtacUptarrkirche in Stexr: Spätgotischer 6rabstein au; äem Jahre 1SZ0.

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