Ingeborg Krenn - Häuserchronik der Altstadt Steyr

47 Kastanienbäumen ein. Derselbe Geist der inWien die Gräben ausgefüllt undWälle planiert hatte, hatte auch in Steyr diese umwälzende Verschönerung der Stadt zu Stande gebracht. Die Burg verlor ihr Monopol des Durchganges von Vogelsang in die Stadt, auch der Burggraben wurde zum Teil ausgefüllt, die Mauer vom rechten Dienerhaus bis zum Wasserturm neben der Bergschule fiel ebenso wie der Torturm beim Schloss, von dem aus einstmals die Zugbrücke über den Stadtgraben in die Hofgasse geführt hatte. Damit war der Durchgang von der Promenade zum Schlossberg geschaffen. Dennoch entging ein kleiner Teil des Grabens der Zuschüttung: es ist der Garten des H. 29. Reste der hohen Verteidigungsmauer sind noch bei H. 32, H. 33, H. 38, H. 115 und H. 116 bemerkbar, ebenso wie der Zwinger, der in den Zwingergärtchen fortlebt. Vom Gilgentor blieb nur die Rundung der Gartenmauer, die außen an das Tor angebaut war und heute zum Haus Brucknerplatz 3 gehört. In diesem kleinen Halbkreis hat man nach Auffüllung des letzten Teiles des Stadtgrabens und Verschönerung des Pfarrplatzes eine Büste Bruckners, von Tilgners Meisterhand verfertigt, mit dem Blick auf jene Orgel, die er so gerne gespielt, aufgestellt. Kapitel V: Vierteleinteilung Die im Jahre 1525 aus Anlass der Bauernunruhen eingeführte Vierteleinteilung diente im Grunde demselben Zweck wie die zur Zeit der Hussitenunruhen vorgenommenen Vierteleinteilung des Landes ob der Enns: Abgrenzung kleinerer Bezirke, die einem Viertelmeister unterstanden, der zur Erfüllung polizeilicher und militärischer Aufgaben von der Bürgerschaft gewählt wurde. Das Gebiet der Altstadt wurde in 5 Viertel eingeteilt, ein Beweis dafür, dass „Viertel“ nur ein terminus technicus (Bezirk) ist und nicht mehr im ursprünglichen Sinne gebraucht wurde. Bei der Vierteleinteilung in Steyr suchte man die Notwendigkeiten der Praxis mit den historischen Gegebenheiten so gut es ging zu vereinen, ein Bemühen, das uns wertvolle Hinweise auf die ältere Zeit zu geben im Stande war. Dass es nicht möglich war, wie in Städten, die sich um einen Kern herum entwickelt haben, die Viertel nach den einzelnen Bauabschnitten, die irgendwie ohnehin eine innere Geschlossenheit aufweisen, einzuteilen, liegt klar auf der Hand. Man hätte dafür etwa die Enge, den Stadtplatz, den Grünmarkt, die Berggasse zusammenfassen müssen, eine Einteilung, die in Steyr aus einer gewissen Tradition heraus nicht durchführbar war: ihr stand die ältere Einteilung in obere und untere Zeile entgegen. Weil diese Einteilung also aufgepfropft und nicht allmählich geworden war, ging sie auch unter Hinterlassung ganz geringer Spuren unter, sobald ein Ersatz dafür in der alten Benennung der Straßen (Enge, Platz etc.) im Verein mit der neuen Häusernummerierung gefunden war. So teilte man die Häuserreihe von Zwischenbrücken bis zum Neutor ungefähr in die Hälfte, nicht ohne die Grenze des dort vermuteten Bauabschnittes (Obere Kaigasse) berücksichtigt zu haben. Die Unterscheidung in „oberes“ und „unteres“ Viertel jeder Zeile lebt noch im Sprachgebrauch fort. Wenn einer ungefähr in der Mitte des Stadtplatzes steht, sagt er „oben am Grünmarkt“ habe er dieses, „unten in der Enge“ jenes gekauft. Der Maßstab dafür ist die Enns und noch heute heißt die Neutorbrücke die „obere Ennsbrücke“, die in Zwischenbrücken die „untere“. Die Benennung der Viertel zeugt so recht von trockenen, nüchternen Handelsgeist der Steyrer (siehe Beilage 2): 1. Viertel: Obere Zeile, oberes Viertel, schließt alle Häuser des Grünmarkt der oberen Zeile, die ganze Pfarrgasse, den Kirchenkomplex, die Berggasse bis H. 40 und die Häuser des Stadtplatzes mit ihren Stöckeln bis einschließlich H. 69 ein. 2. Viertel: Obere Zeile, unteres Viertel, umfasst die restlichen Häuser des Stadtplatzes und der Enge ohne ihre Stöckeln am Berg von H. 70 bis H. 93. 4. Viertel: Untere Zeile, oberes Viertel, umfasst alle Häuser von H. 117 bis H. 145. 5. Viertel: Untere Zeile, unteres Viertel, reicht von H. 146 bis H. 179. 3. Viertel: Am Berg, von H. 94 bis H. 116. Dieses Viertel ist das interessanteste, es rechtfertigt meine oben gemachte Bemerkung von der Berücksichtigung historischer Begebenheiten. Ich habe schon im Kapitel Urstadt kurz angedeutet, dass der Überlieferung nach die

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