Werner Konstantin - Kremsmünster in Wort und Bild

18 und ihr Wasser in einen Teich ergießt, der später den Namen Gunther¬ Teich erhielt. Hier wurde der Eber von dem gewandten jäger mit dem Jagdspieß zwar tötlich getroffen, doch bei dem gewaltigen Stoß sprang der Schaft der Waffe entzwei, so daß der unglückliche junge Mann der wut des verwundeten Tieres wehrlos preisgegeben war. Mit seiner letzten Kraft versetzte der wütende Keiler dem Prinzen eine tiefe Ri߬ wunde am Fuße, so daß er niedersank und einsam verbluten mußte, da niemand zu seinem Beistande herbeikam. Lange Zeit warteten die besorgten Diener und Begleiter auf einer nahen Anhöhe, die später Wartberg genannt wurde, auf die Rückkehr ihres jungen Herrn. Da brachte sie das klagende Gebell des treuen Hundes, welcher der ein¬ zige Seuge des Jagdunglückes war, auf die Spur ihres Herrn und führte sie zu der blutigen Leiche. Sofort wurde die Schmerzenskunde dem Fürsten nach Lorch überbracht, der tief erschüttert herbeieilte, den Tod seines innig geliebten Sohnes schmerzlich beklagte und mit christ¬ licher Ergebung in Gottes heiligem Willen den Bau einer Kirche und die Gründung eines Klosters zur Seelenruhe des teuren Verstorbenen gelobte. Ausdrücklich erwähnt auch die alte Fassung der Sage, daß Tassilo, der bei der Leiche seines Sohnes Nachtwache hielt, die Erschei¬ nung eines mächtigen Hirsches hatte, der mit Lichtern auf den Geweihen aus dem Waldesdunkel heraustrat und nach göttlichem Ratschluß den Ort bezeichnete, wo dann tatsächlich die erste Holzkirche errichtet wurde. Die Kritik unserer schönen Gründungslegende überlassen wir den gelehrten Geschichtsforschern, welche die Existenz eines Herzogsohnes „Gunther“ in Frage stellen; wir weisen nur auf die Tatsache hin, daß ein Grab Gunthers, das seit undenklichen Seiten in höchsten Ehren gehalten wurde, noch heute beim Hochaltare besteht und daß auch die beiden Wappentiere, Eber und Hund, die nachweislich schon von Abt Jakob Treutlkofer um 1419 verwendet wurden, eine Bestätigung für die Grundlage der Sage liefern. Das dritte Wappentier, das Rind oder der Ochse, deutet auf den uralten Brauch des „Gespendes“ hin, das am 11. Dezember, dem Todestage des Stifters, an jeden Fremdling verteilt wurde, der zu dieser Feier Kirche und Kloster besuchte. Seit alten Seiten wurde darum dieser Tag als „Gespende¬“ oder „Karnisseltag“ Eleischausteilungstag) bezeichnet. Jede Person, reich oder arm, einheimisch oder fremd, erhielt aus der Hand eines Driesters, der mit Rochett und Stola bekleidet war, ein Pfund Brot, worauf das Bild des Ebers eingeprägt war und ein halbes Pfund Fleisch. Die Verteilung fand in sechs hölzernen hütten statt, die im äußeren Hofe aufgeschlagen waren, und zwar gewöhnlich schon am Dortage in der Seit von 12 Uhr mittags bis abends. Die Leute gingen durch das Riedertor herein, welches um 12 Uhr geschlossen wurde,

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