Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 1, 1987

Ober reich Kulturzeitschrift

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Oberösterreich um 1900 Dr. Erich Heller Die oberösterreichische Kunstszene zur Jahrhundertwende (1880—1920) 2 Dr. Michaela Pfaffenwimmer Der Wehrgraben in Steyr 9 Dr. Rudolf Kropf/Mag. Josef Moser Das Projekt Museum Arbeitsweit 17 Dipl.-Ing. Ute Georgeacopol-Winischhofer/Dipl.-Ing. Günther Kleinhanns/ Dr. Manfred Wehdorn Frühe Industriebauten in Oberösterreich — Zur Einheit von Außen- und Innenraum 25 Dr. Harry Slapnicka Bauernland mit kleinen industriellen Inseln — Die politische und soziale Landschaft Oberösterreichs um 1900 37 Dr. Ingo Andruchowitz Der Unternehmer und die soziale Frage — Betriebliche „Wohlfahrtseinrichtungen" um die Jahrhundertwende 43 Dr. Ulrike Weber-Felber/ Dr. Severin Heinisch Über „Schinderbuden" und „Siebzigkreuzermandln" — Lohnarbeit in Oberösterreich um 1900 49 Dipl.-Ing. Hubert Lehner Im Spannungsfeld von Politik, Kirche und Wirtschaft — Gründung und Aufstieg der Preßvereinsbetriebe 1869 bis 1903 57 Dr. Alexander Wied Die Jugendwerke des Architekten Hans Steineder 61 Oberösterreich aktuell Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck Grußwort zur Landesausstellung 1987 71 Prof. Helga Litschel „Arbeit/Mensch/Maschine" — Der Weg in die Industriegesellschaft 72 Bücherecke 81 Literaturbeilage Prof. Carl Hans Watzinger Der Steyrer Arbeiterdichter Anton Forcher 85 Umschlag: „Eröffnung der Aussteilung 1884" aus dem Skizzenbuch von Franz Hölzlhuber „Skizzen aus dem Traun ViertI", Wien 1891, Städtisches Museum Steyr, Inv. Nr. XV—17577. Gemeint ist die „Electrische LandIndustrie-Forst- u. culturhistorische Aussteiiung Steyr", Eröffnung 2. August, Schluß 30. September 1884. Foto: Franz Gangl, Linz Gestaltung: Herbert Friedl Franz Hölzlhuber, Maler, Musiker und Schrift steller; geboren am 22. September 1826 in Grünburg bei Steyr, gestorben am 4. Februar 1898. Lehrer in Leonstein und Bad Hall; dann Be amter beim Pfleggericht Leonstein und beim Bezirksgericht Linz; ais Bariton große Erfolge am Josefstädter Theater in Wien; 1853 in Amerika als Gelegenheitsarbeiter, Farbenreiber, selbständiger Zuckerbäcker; Zeichenlehrer und Dirigent in Milwaukee; 1860 Heimreise; freier Maler und Schriftstel ler in Sierning bei Steyr; Schaffung von gro ßen Aquarellen mit Landschaftsbildern aus den USA. In weiteren 66 Aquarellen hielt er die Landschaft zwischen Lambach und St. Valentin fest. Er starb als Kustos des Wiener Eisenbahn museums. Von den Werken des vielseitigen Künstler seien genannt — die Oper „Das neue Donaureich", dann eine Reihe von Kir chenkompositionen und das Singspiel „Rü bezahl". In Linzer Zeitungen veröffentlichte er seine Reiseskizzen „Von Linz nach Amerika." V. Lutz Autoren Heft 4/1986 Dr. Ingo Andruchowitz, Linz Mitarbeiter Museum Arbeitswelt Dipl.-Ing. Ute Georgeacopol Winischhofer, Wien, Institut für Baukunst, Denkmaipflege und Kunstgeschichte an der Technischen Universität Wien Dr. Severin Heinisch, Wien Mitarbeiter Museum Arbeitswelt Dr. Erich Heller, Linz Sacharbeiter im OÖ. Landesmuseum Dipl.-Ing. Günther Kleinhanns, Linz Bundesdenkmalamt Dr. Rudolf Kropf, Linz a. Universitätsprofessor, Institut für Sozialund Wirtschaftsgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Dipi.-Ing. Hubert Lehner, Linz Landesverlag, Preßverein Helga Litschel, Linz Professor, Konsulent der oö. Landes regierung, Pressereferat oö. Landes ausstellung 1987 Mag. Josef Moser, Linz Universitätsassistent, Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der JohannesKepler-Universität Dr. Michaela Pfaffenwimmer, Linz Mitarbeiterin Museum Arbeitswelt Dr. Josef Ratzenböck, Linz Landeshauptmann von Oberösterreich Dr. Harry Slapnicka, Linz Professor, OÖ. Landesarchiv Carl Hans Watzinger, Linz Professor, Schriftsteller Dr. Ulrike Weber-Felber, Wien Mitarbeiterin Museum Arbeitswelt Dipl.-Ing. Dr. Techn. Architekt Manfred Wehdorn, Wien Universitätsprofessor, Institut für Baukunst, Denkmalpflege und Kunstgeschichte an der Techn. Universität Wien Dr. Alexander Wied, Graz Kustos I. Klasse an der Neuen Galerie des Steiermärkischen Landesmuseums Joanneum Kulturzeitschrift Oberösterreich 37. Jahrgang, Heft 1/1987 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: LANDESVERLAG Gesellschaft m.b.H. A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Telefon 0 73 2/27 81 21 ISSN 0253-7435 Bankverbindung: Raiffeisenzentrale Linz 7-01.032.697 Redaktion: Dr. Otto Wutzel, Dr. Elfriede Wutzel, A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Jahresabonnement (4 Hefte): Si 396.—; Einzelverkaufspreis: S 110.— (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) Schwerpunktthema Heft 2/19B7 „Die österreichische Donau" Abbildung S. 1 Demeter Koko (1891—1929), „Der Linzer Bazar", Öl auf Leinwand, signiert rechts Unten D. Koko, um 1925, 70 x 60 cm, OÖ. Landesmuseum. — Foto: Franz Gangl. Der „Linzer Bazar" — so wurde früher der Durchgang von der Promenade zur Klosterstraße neben dem Cafe Traximayr be kannt. Es war eine Szenerie wie heute auf Flohmärkten. Bellagenhinwels: Dieser Ausgabe liegt ein Prospekt der 4. Salzbur ger Landesausstellung „Wolf Dietrich von Raitenau, Gründer des barocken Salzburg" vom 16. Mal — 26. Oktober 1987 im Residenz-Neugebäude und Im Dommuseum Salzburg bei. Wir ersuchen unse re Leser um Beachtung. Siehe auch Information auf S. 34.

Ober ösler reich Kulturzeitschrift i

Die oberösterreichische Kunstszene zur Jahrhundertwende (1880—1920) Erich Heller Jüngste internationale Großausstellungen in Wien, Paris und New York haben sich mit der österreichischen Kunst der Zeit um 1900 in tensiv auseinandergesetzt und ein umfas sendes, wenn auch heterogenes Bild ge zeichnet. Umsomehr mag auch regionalen Erscheinungen Bedeutung zukommen, als wichtige oberösterreichische Vertreter dieser Zeit, wie Alfred Kubin und Klemens Brosch, in diesen überregionalen Veranstaltungen re präsentativ vertreten waren und vor allem Kubins Stellenwert bereits einigermaßen wis senschaftlich aufgearbeitet ist.^ Die Voraussetzungen Das Kunstleben für den Bereich von Ober österreich im 19. und auch noch im 20. Jahr hundert ist engstens mit den Institutionen des Oberösterreichischen Kunstvereins, der Landesgalerie am Museum Francisco Carolinum (oö. Landesmuseum) und nach der Jahrhundertwende mit der Künstlervereini gung MAERZ verbunden. Die kulturellen Ak tivitäten auf dem Gebiet der bildenden Kunst setzen schlagartig mit Gründung des Ober österreichischen Kunstvereins im Jahr 1851 ein. Ein „Liebiingsgedanke des Kunstvereins"^ war von Anbeginn die Schaffung einer Landesgalerie. Besondere Betreiber waren Adalbert Stifter und Dominik Lebschy, Abt der Prämonstratenserabtei Schiägl, von 1861 bis 1868 Landeshauptmann von Österreich ob der Enns. Der erste Bildankauf erfolgte 1855 mit dem Erwerb eines großformatigen Ölge mäldes des Düsseldorfer Malers Hermann Mevius „Cap capra Zoppa" (Schiffbruch an der Insel Capraja). Die singuläre Bedeutung dieser Galeriegründung ist darin zu sehen, daß zum erstenmal im deutschen Sprach raum eine derartige Institution durch einen privaten Verein geschaffen worden ist.® Mit Datum vom 24. August 1866 wurde die Landesgalerie in die Verwaltung des Landes Österreich ob der Enns übergeben, eine end gültige Übernahme in die Landesverwaltung erfolgte 1895. Der Oberösterreichische Kunstverein blieb aber über die Jahrhundert wende hinweg im Ausstellungswesen von Linz die treibende Kraft. Schon 1851 wurden die wesentlichsten Ver treter der Wiener Schule in Linz gezeigt, so Jakob und Franz Alt, Ferdinand Georg Wald müller, als Sendboten aus München Moritz von Schwind und Carl Spitzweg. Im Jahr 1852 waren u. a. Werke von Rudolf von Alt In Linz zu sehen. Der neue Kunstwille, der diese Maler beseelte, wirkte sich ver ständlicherweise auch stark auf das regiona le Kunstverständnis aus. Die Entdeckung des Salzkammergutes und der oberösterreichi schen Donau als Malerlandschaften lebt bis heute als eine der liebenswürdigsten künstle rischen Errungenschaften des 19. Jahrhun derts fort. Das Aussteliungsverzeichnis des Oberöster reichischen Kunstvereins in dieser Periode ist bemerkenswert. Im Land entwickelten sich aber nun auch eigene schöpferische Kräfte. Aus einer Fülle von Namen seien einige als ein repräsentativer Querschnitt hervor gehoben. In erster Linie ist auf Johann Baptist Reiter (1813—1890) hinzuweisen." Er ist gebürtiger Urfahraner, verstorben ist er in Wien. Nach seinem Studium in Wien — einer seiner Leh rer war Leopold Kupelwieser — arbeitete er zunächst in der Manier eines Historienma lers. Später wandte er sich bevorzugt dem Porträt zu, wo er vor allem mit seinen Arbei ten für die fürstlichen Familien Liechtenstein und Esterhazy zu einem führenden Künstler des Biedermeier aufsteigen konnte. Nach ihm wäre der unruhige Geist Johann Baptist Wengler (1816—1899)^ zu erwähnen, ein gebürtiger Innviertler, der durch seine Genreszenen — oberösterreichische Bau ernhochzeiten, Wirtshaus- und Jahrmarktdarsteiiungen — bekannt geworden ist. Weniger bekannt sind seine auf einer Ameri kareise (!) entstandenen Indianerbilder, die in der Graphiksammlung des oö. Landesmu seums aufbewahrt werden. Der in Freistadt geborene Carl Kronberger (1841—1921) lernte bei einem Dekorations maler in Linz, ging 1859 nach München, wo er an der dortigen Akademie bei Anschütz und Hilfensperger studierte. E!r ließ sich in ■

München auf Dauer nieder, wo er auch starb. Er wurde bekannt mit seinen humorvoll auf gefaßten Genrebildern, wie etwa „Die Paß kontrolle" oder „Der Einbruch bei der Modi stin", mit denen er an die Themenweit des älteren Spitzweg anschloß. Dieser hat ihn auch, den „Oberösterreichischen Spitzweg", oft in sein Atelier eingeladen, besonders in jener Zeit, als er sich nicht mehr fortbewegen konnte. Kronberger wagte aber in seiner Be scheidenheit lange nicht diesen Gang und betrat Spitzwegs Atelier zum erstenmal, als der Meister gerade verstorben war.® Bei der Herbstausstellung des Oberösterrei chischen Kunstvereins 1899, die bei „elektri scher Beleuchtung" präsentiert wurde, war neben Meistern der Münchener Sezession auch der gebürtige Pfaffstätter Albert Ritzberger (1853—1915) vertreten. Seine Genre szenen, Bilder mit biblischen und mythologi schen Stoffen, vor allem aber viele Frauen akte fanden zu ihrer Zeit reißenden Absatz. Salzburg, Linz, Wien und Norddeutschiand waren wichtige Stationen in seinem Leben. „Er stellt den Ausklang der üppig sinnlichen, teilweise naiv-sentimentalen Salon- und Hi storienmalerei des Späthistorismus dar."^ Die hier gezeigte Abbildung „Vater und Tochter beim Schachspiel" belegt, wie er dank seiner technischen. Perfektion® auch in der Lage war, komplizierte Lichtverhäitnisse im innenraum mit dem Wechselspiel von Freiiicht, Ge genlicht und Streiflicht zu bewältigen. Hier nähert er sich einer impressionistischen Mai weise, die bereits Adalbert Stifter in seiner Landschaftsmalerei anklingen ließ®. Der Impressionismus In Oberösterreich Die Ausstellungen mit Wiener, Münchner, Dresdener und Berliner Maierpersöniichkeiten machten das Linzer Publikum mit der in ternationalen Stiisituation bekannt. Die Sammlungen des Museums Francisco Carolinum wurden nach diesen Gruppierungen ausgerichtet. Nachhaltigste Wirkungen gin gen offensichtlich von den „Deutschen Im pressionisten" aus. Die Kunstweit blieb bürgerlich. Es war angenehm, aus der Wirk lichkeit in eine Weit der Schönheit abzu rücken. Den aufkommenden Problemen der industriegeseiischaft ging man aus dem Weg. Vorherrschend wurde das Streben, das Leben nicht nur mit schönen Dingen zu umLinks; Carl Kronberger (1841—1921), Die Paßkontrolle, Öl auf Holz, signiert, um 1892, 32 x 25 cm, OÖ. Landesmuseum. Oben: Albert RItzberger (1853—1915), Vater und Tochter beim Schachspiel, Öl auf Karton, ohne Signatur, um 1902,15 x 23 cm, OÖ. Landesmuseum,

geben, sondern schließlich auch Schönheit und Leben in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhang ist für Oberöster reich vor allem Demeter Koko (1891—1929) zu nennen.^" Er entwickelte eine unverkennbar eigene Handschrift. Ein bedeutendes Talent war Max Hirschenauer (1885—1955), gebürti ger Schärdinger, ausgebildet an der Münch ner Akademie, wo Hugo Freiherr von Haber mann sein wichtigster Lehrer war. Er schuf viele Porträts, bezaubernde Frauenakte und reizvolle Landschaften, besonders beliebte Landschaftsmotive waren bei ihm Weiden und Gewässer. Eine bisher weitgehend unentdeckte Malerin ist die früh verstorbene Vöcklabruckerin Emilie Mediz-Peiikan (1861, Vöckiabruck, — 1908, Dresden), die in Wien, Salzburg und München studierte, um sich nach AuslandsEmilie Mediz-Pellkan (1861—1908), Das rote Zimmer, Öl auf Leinwand, ohne Signatur, 1892, 42 X 35 cm, Privatbesitz. Rechts: Alfred Kubin (1877—1959), Der Seehund, Tempera auf Papier, 1905/06, 25,2 x 36,1 cm, OÖ. Landesmuseum. reisen — Paris, Belgien, Ungarn, Italien — schließlich mit ihrem Gatten, dem aus Rust stammenden Maler Karl Mediz, in Dresden niederzulassen. In fein empfundenen Landschaftsbiidern zeigt sie eine deutliche Ent wicklung zum Impressionismus hin, schließt in ihren Interieurszenen an Menzel'sche Mal weise an. Für ihre großformatigen, symbolisti schen Landschaften wird ein möglicher Zu sammenhang mit dem Karlsruher Maler Ferdinand Keller zu klären sein. Ihr gesamter Nachlaß konnte erst in jüngster Zeit (1200 Kataiognummern — Aquarelle und Ölgemälde) nach früheren, vergeblichen Versuchen von Dr. Benno Ulm für Österreich gesichert wer den. Eine Großaussteliung mit einer Werk auswahl dieser Künstlerin in der neu erstan denen Landesgalerie im oö. Landesmuseum war eines der bedeutendsten Linzer Kunst ereignisse im Jahr 1986." Von der Nachahmung zur Erfindung einer neuen Wirklichkeit Das Thema der Frauendarstellung wird von den Malern der Jahrhundertwende bevorzugt aufgegriffen. Die gleichzeitig erscheinenden Zeitschriften suchen nach neuartigen, be schwingten, freieren Ausdrucksmitteln ge genüber den „verstaubten Konventionen". Die Zeitschrift „Jugend" in München und das österreichische Gegenstück „Ver sacrum" in Wien hatten es sich zur Aufgabe gemacht, alle Bereiche in Beziehung zu bringen, die mit dem Thema Liebe, Frohsinn und Schön heit in Verbindung stehen. Während in Frankreich der geistige Unter gang des 19. Jahrhunderts begrüßt wurde, zeigte man im Münchner „Simpl" in Stücken von Ibsen, Strindberg und Wedekind die Frau mit neuem Gesicht, als freies Wesen, das nicht unbedingt den von den Eitern ausge-

S<s'jCr4|||^ ir^'v-:; K« suchten Mann heiraten muß und im Kreis einer kinderreichen Familie ihr Auslangen fin den soll. In Linz zeigt man neben Stücken von Ibsen und Sudermann Bühnenwerke von Hermann Bahr, dem Linzer Literaten, Kritiker, Feuergeist. Auch die andere Seite, das Bild der männerfressenden Dämonin, der „femme fatale", wird literarisch skizziert und in Bil dern von Franz von Stuck, Gustav Klimt, spä ter auch von Alfred Kubin dem Linzer Kunstpublikum vorgestellt. Die Neigung zur Dekadenz der „Belle Epoque" steht im krassen Widerspruch zum all gemein herrschenden Impressionismus, der die Farbe von einer ausschließlich darstellen den Funktion befreit hatte. In der Vorliebe für eine maierische Ästhetik ergaben sich aber doch Übereinstimmungen mit der Stilsitua tion des österreichischen Jugendstils. Mensch und Natur werden mit ailen Sinnen erfaßt, nicht nur in ihren realistischen Be standteilen, sondern auch in ihren jeweiligen Zuständen. Das war der Schritt von der ob jektiven Zustandsschllderung zur subjektiven Darlegung zwischen zwei Augenaufschiägen: auf der Suche nach dem Licht das Auge des Betrachters zu erfreuen. Dazu ein Text von Hermann Bahr: „Bei uns wird nicht für und gegen eine Tradition gestrit ten, wir haben gar keine. Es wird nicht zwi schen der alten Kunst, die es ja bei uns gar nicht gibt, und einer neuen gestritten, nicht um irgendeine Entwicklung oder Verände rung in der Kunst, sondern um die Kunst selbst." Realismus — Phantastik — Surrealismus Neben dieser befreiten Malerei der schönen Oberfläche und Dekoration machten sich in Linz aber auch andere Zeitströmungen be merkbar, Kunst im Zwang der Nachtseiten des Lebens. Unbestritten der bedeutendste Vertreter dieser Stillage war Alfred Kubin, dessen künstlerischer Werdegang in München be gann, von dem Arbeiten in Linz zum ersten mal im Jahr 1904 zu sehen waren und der 1906 auf Dauer im kleinen Innviertier Landedelsitz Zwickledt bei Wernstein am Inn seß haft wurde. Seine Lebensdaten — 1877 bis 1959 — überbrücken die Jahrhundertwende. Weltbekannt sind seine Aufschlüsselungen der Weltangst geworden. Sein Zeichenstil — kubinesque — ist längst ein allgemein aner kanntes Stilmerkmal. Sein Roman „Die an dere Seite" ist literarischer Niederschlag sei ner bildnerischen Phantastik. Umfangreich ist sein zeichnerisches Lebenswerk als Illu strator. Nach seinem Tod übernahm das Land Oberösterreich gemeinsam mit der Aibertina

seinen persönlichen künstlerischen Nachlaß. Seine Wohnstätte Zwickledt wird als KubinGedenkstätte vom Land Oberösterreich betreut. Aufsehen erregte zu seiner Zeit und erregt auch heute noch der in Bistritz geborene und in Linz verstorbene Maler und Zeichner Kle mens Brosch (1894—1926)^^ Bereits vor Ablegung der Matura stellte er zum erstenmal im Rahmen des MAERZ aus — 37 Blätter. Studienaufenthalte an der Wiener Akademie der bildenden Künste wechselten mit Kriegs einsatz, der ihn seelisch zerrüttete. In seinen künstlerischen Anfangsjahren hätte jedoch niemand gedacht, daß sein Leben wie ähn lich das des Salzburger Lyrikers Georg TrakI in Heroin und Selbstmord enden würde. Beide schildern Weltuntergangsstimmungen in einem Zustand seelischer Zerrüttung und physischer Zerstörung. Beide ließen sich nicht in die Gesellschaft integrieren. Erstau nen riefen seine frühen, präzise herausgear beiteten Naturausschnitte hervor, die ihren Ansatzpunkt im Naturalismus des 19. Jahr hunderts haben. Unbewohnte, ruinöse, dem Menschen entzogene Landschaften! Die Trennung von Innen und Außen durch eine Öffnung im Bildgefüge und die dem Betrach ter ihre Individualität versagende mensch liche Rückenfigur sind Ausgangspunkte. Brosch beherrschte die Zeichnung mit Tu sche und Feder mit technischer Brillianz, ko lorierte selten, nur wenige Ölbilder sind von ihm bekannt (rund 20 Stück). Als penibler Chronist menschlichen Leids im Ersten Welt krieg, von Ohnmachts- und Schwindelanfäl len heimgesucht, nach zwei erfolglosen Ent ziehungskuren deprimiert, legte er am Pöstlingberger Friedhof an sich selbst Hand an mit einer fest geschlossenen, in Chloro form getränkten Gasmaske. Auch Carl Anton Reichel (1874—1944) war eine vielschichtige Persönlichkeit und ein Künstler des Phantastischen. In Wels gebo ren, besuchte er das Stiftsgymnasium Kremsmünster und nahm einer IFamilientradition folgend das Studium der Medizin in Wien, Prag und München auf. Er widmete sich dann ganz psychiatrischen Grenzfragen und ging nach Paris, wo er zu zeichnen und malen begann. Nach Österreich zurückge kehrt, lebte er zunächst in Salzburg, wo er ei nige Jahre mit Hermann Bahr in Verbindung stand. Sein Interesse an der Kultur und Reli gion des Fernen Ostens teilte er mit vielen Zeitgenossen, so mit Alfred Kubin. Über ihn selbst gibt es einige mystische Berichte. I if. y-

Seine präzise-realistischen graphischen Ar beiten sind früh vom Jugendstil geprägt. Typisch für ihn ist sein zeichnerisches Lineament verbunden mit inhaltlicher symbolisti scher Eigenwiliigkeit. Er schuf meist aus einem Erregungszustand in persönlicher Un befangenheit, mit der er sich erotischen The men näherte, geläuterte Paare im theatrali schen Bereich der Musik. Die Frau steht — und nicht nur bei Reichel — im Zentrum des Empfindungsvermögens. Sie wird ganz allge mein zur anschaulichen Methapher der äs thetischen und erotischen Verfügbarkeit. Seine mit Opusnummern bezeichneten Ar beiten tragen märchenhafte Titel, die ebenso ins Phantastisch-Surreale hineinreichen. Er ließ sich als reifer Mensch in Micheldorf im oberösterreichischen Kremstal nieder. Viele seiner Graphiken tauschte er mit Alfred Ku bin. Dieser interessante Bestand befindet sich als Teil des Kubln-Nachlasses heute In der Graphiksammlung des oö. Landesmu seums. Reichel war in Vergessenheit gera ten, bis ihn der Wiener Maler Ernst Fuchs wiederentdeckte und eine umfassende Aus stellung der Albertina sich mit seinem Schaf fen auseinandersetzte. Hinzuweisen ist auch auf die verdienstvolle Ausstellung der Neuen Galerie der Stadt Linz im Jahr 1982 „Klemens Brosch, Carl Anton Reichel, Aloys Wach."^® Surrealist von reinster Ausprägung war Franz Sedlacek (1891—1945 verschollen). Er stu dierte Architektur und Chemie, schloß nach dem Kriegsdienst seine Studien mit dem technischen Doktorat ab und wurde Kustos am Technischen Museum in Wien. In seinen oft an Dämonie grenzenden Darstellungen nützte er seine technischen Kenntnisse zum Experimentieren mit Färb- und besonderen, seine Bildtechnik akzentuierenden Firnismi schungen. Seine Karikaturen und Grotesken erfreuten die Leser der Wiener „Muskete" und des Münchner „Simplizissimus". Seine dem Surrealismus und der Neuen Sachlich keit verhafteten Bilder sind im UnheimlichAbgründigen angesiedelt. Ausblicke Eine von sechs jungen Künstlern unter dem Namen „MAERZ" Inszenierte Ausstellung in Linz — Klemens und Franz Brosch, Anton Lutz, Hans Pollack, Franz Sedlacek sowie der Kunstgewerbler Heinz Bitzen — und die Führungsrolle des Kölner Malers Matthias May (1884—1923) in der Linzer Kunstszene der zwanziger Jahre gehören bereits dem oberösterreichischen Kunstschaffen des U ÄS ' - - - Links: Klemens Brosch (1894—1926), Verhungerte Flüchtlinge, Tusche und Feder, signiert und datiert 20. 3. 1916, 21,8 X 27,5 cm, OÖ. Landesmuseum. — Sämtliche Fotos: Franz Gangl Oben: Carl Anton Reichel (1874—1944), Liegende Frau mit Dämon, Aquarell, datiert 1943, 21 x 35 cm, OÖ. Landesmuseum. Die Schriftleitung dankt dem Autor für die Vermittlung der Abbildungen zu dieser Abhandlung.

20. Jahrhunderts an. Sie sind aber als Kraft ströme, die noch in der Jahrhundertwende wurzein, zumindest anzuführen. Anmerkungen 1 Paul Raabe: Alfred Kubin. Im Auftrage von Dr. Kurt Otte Kubin-Archiv in Hamburg zusammenge stellt ... — Hamburg: Rowohlt Verlag 1957. — Kunstmuseum Winterthur: Alfred Kubin, Ausstel lung 14. September bis 9. November 1986. — Alfred Kubin. Leben, Ein Abgrund. Einleitung von Klaus Albrecht Schröder. Hrsg. Österreichische Länderbank und Oberösterreichisches Landes museum 1986. 2 125 Jahre Kunst in Oberösterreich. Hrsg. vom oberösterreichischen Kunstverein 1851 anläßlich des 125jährigen Bestandes. Darin: Brigitte Heinzl: Der oberösterreichische Kunstverein und die ober österreichische Landesgalerie 1851—1920. 3 Vgl. Otto Jungmair: Oberösterreichisches Kunstleben 1851—1931, Linz 1931. — 110 Jahre oberösterreichischer Kunstverein. Katalog, Linz 1961. 4 Alice Strobl: Johann Baptist Reiter, Wien & München 1963. 5 Hans Plank: Johann Baptist Wengler, Ried i. Innkreis 1966. 6 Otto Jungmair: Aus der geistigen Bewegung der Romantik in Linz und Oberösterreich, In: Jahr buch der Stadt Linz 1949. 7 Alexander Wied: Der MAERZ 1913—1939, in: Die Künstlervereinigung MAERZ 1913—1973, 8.13. 8 Siehe Anmerkung 7. 9 Adalbert Stifter der Maler, Ausstellung Stadt museum Linz-Nordico, Linz 1978. 10 Hanns Wallner: Demeter Koko. Mit einer Ein führung V. Fritz Novotny. Hrsg. v. d. Kulturverwal tung der Stadt Linz, Wien 1961. 11 Emilie Mediz-Pelikan 1861—1908. Karl Mediz 1868—1945. Katalog, Wien—Linz 1986. 12 Otfried Kastner: Klemens Brosch, Linz 1963. — Siehe auch: Elisabeth Thaler, Klemens Brosch, ungedruckte Dissertation Salzburg 1985. 13 Klemens Brosch . . . Carl Anton Reichel . .. Aloys Wach . . . Eine Ausstellung der Neuen Gale rie der Stadt Linz . . . Konzept u. Katalog: Peter Baum, 4. März bis 10. April 1982. LjALERIE SEIDlfR QUALHÄTVa^ GEMÄLtt ALTER&NEUER MEISTER (6.;DJHDT) ERLESENE ANTOJITÄTEN ALBERT RITZBERGER (Pfaffstätt 1853—1915 Linz) „Mädchenkopf" Öl auf Leinwand, 47 x 38 cm rechts unten signiert 4020 Linz, Kiosterstraße 14 - Telefon 0 73 2/27 00 86 - Geschäftszeiten: Montag-Freitag 10-12 und 15-18 Uhr, Samstag 10-12 Uhr

Der Wehrgraben in Steyr Michaela Pfaffenwimmer „Bei der Krugibrücke, eine Stunde von der Mündung in die Enns wird die Steyr durch ein Wehr in zwei Arme getheilt; der rechte oder südliche Arm treibt die Werke von Unterhim mel, der linke, das eigentliche Flussbett, fliesst ungetrennt bis in die Nähe des St. Anna-Spitales, wo von ihm links ein Theil durch das Pfauzenhofwehr als Wehrgraben abgeleitet wird, der andere als reiche Steyr weiter fliesst. Der Wehrgraben-Canal zieht sich bis zur Steyrbrücke, durch mehrere Ab teilungen mit dem Hauptfluss in Verbindung stehend. Vom Wehrgraben zweigt sich zu nächst der Saggraben ab, welcher sich hinter dem Josef Werndl'schen Wohnhause, des sen Parkteiche er mit Wasser speist, mit dem Hauptcanal wieder vereinigt. Die reiche Steyr wird durch die Gsanginsel in zwei Theile ge schieden, einen nördlichen, Mitterwasser, und den südlichen, Gsangwasser. Das Mitter wasser tritt bei der Schwimmschule durch einen Ablass mit dem Wehrgraben in Verbin dung und diese Insel von der Abzweigung des Wehrgrabens an führt den Namen Jo sefsthal (ehemalige Puffer-Au) und enthält neben der Schwimmschule und einer Reihe Arbeiterwohnung den grossen Josef Werndl'schen Park mit einer nach dem neue sten Systeme eingerichteten Fischzucht-An stalt, in welcher Forellen, Saiblinge, die californische Forelle, Seeforellen und Aale gezüchtet werden. Die Insel zwischen dem Gsangwasser und Mitterwasser heisst Caroli nenthal, — eine dritte flussabwärts gelegene kleinere Fabriks-Insel; der an ihr liegende Theil der Steyr heisst Werkwasser Voglsang; es vereinigt sich unterhalb der Fabriks-Insel mit der reichen Steyr. Dieser ganze Theil des Flusslaufes der Steyr und seine Ableitungen, besonders der Wehrgraben, liefern die Hauptarbeitskräfte für eine bedeutende Rei he grösserer Werke, speciell der Waffenfa brik, sowie zahlreicher kleinerer IndustrieWerkstätten. . . „Situation der alten Österr. Waffenfabrik" in Steyr, Maßstab 1:10.000, Privatarchiv Dr. Stockinger, Steyr Diese angeführte Beschreibung eines wichti gen Teiles der oberösterreichischen Eisen stadt stammt aus dem Jahre 1884. In diesem Jahr fand eine Elektrische Land-Industrie-Forst- und cultur-historische Ausstellung unter dem Protektorat des Herzherzogs Carl Ludwig statt, bei der auch der Kaiser als Eh rengast begrüßt werden konnte. Zur Ausstel lung gelangten nicht nur die verschiedenen Gewehrtypen der österreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft, sondern auch elektro technische Geräte aus der im Laufe des Jah res 1883 eingerichteten elektrischen Abteilung der Fabrik. Den besonderen Höhe punkt stellte die Installierung einer Straßen beleuchtung dar. Diese Ausstellung, die auch International Interesse und Anerkennung her vorrief, weist unter anderen auf die führende Stellung Steyrs als Industriezentrum für die Habsburger-Monarchie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hin. Der Rohstoff Eisen stellte für die Stadt seit je her die wichtigste wirtschaftliche Grundlage dar. Eine der notwendigen Voraussetzungen für die Errichtung von eisenverarbeitenden Betrieben war die Nähe am Wasser bezieAlte /Yäy. yfuto - J7äste//rc(u»z c^eer FW at>.J X Jfi.t 8^ C'tfj. JT "8" M " 39 C?bJ. 7.K u/erFf H /=■ - Stockei cY. aYt. St.

w i mm^r^ HJ~^ hungsweise die Verwendung von Wasser kraft. Wasser galt als der wichtigste Energie träger für die vorindustrielle (handwerkliche) Produktionsphase und behielt seine Bedeu tung bis weit in das industrialisierte 19. Jahr hundert. Die älteste noch erhaltene Urkunde, die Steyr als Zentrum des Eisenhandels und der Eisenverarbeitung bestätigt, stammt aus dem Jahr 1287. In dem in lateinischer Spra che abgefaßten „Großen Privileg" bestätigte und erweiterte Herzog Albrecht I. die Vorrech te der Stadt und ihrer Bürger. Das zuerkannte „Stapelrecht", in dem es unter anderem heißt: „Alles Holz und Eisen, das zum Verkaufe in die Stadt geführt wird, soll drei Tage den Bür gern um den gewöhnlichen Marktpreis feilge boten werden. Nach dieser Frist kann aber der Verkäufer weiter ziehen, und seine Sache verkaufen, wo er wiH",^ brachte der mittelal terlichen Stadt große wirtschaftliche Vorteile. Schon seit dem 12. Jahrhundert siedelten sich an den Flüssen Enns und Steyr, in den Vorstädten der Stadt Waffenschmiede, Messer- und Sensenerzeuger an. Hammer werke wurden errichtet, in denen aus den ver hütteten Erzen verschiedene Stahl- und El sensorten erzeugt wurden. Immer wieder clc- dl'%to^ /SSV. -- liuoi ■u- \n ' „Der oberste Theil meines ersten Entwurfes für das große Placat der elektrischen Ausstellung in Steyr. . . Blatt 37 aus „Skizzen aus dem Traun ViertI" von Franz Hölzlhuber, Original im Städti schen Museum Steyr Inv. Nr. XV—17577. — Foto: Franz Gangl, Linz. waren es landesherrliche Privilegien, die zur Förderung der handwerklichen Eisenbear beitung beitrugen. Die Zeit der Reformation — Gegenreforma tion brachte der Stadt verheerende Folgen für die Wirtschaft. Nicht nur die allgemeinen Kriegswirren und Glaubenskämpfe, im be sonderen gerade der für Oberösterreich fehl geschlagene Bauernaufstand 1626, zwangen viele reiche Steyrer Bürger, die Stadt zu ver lassen, um ihrem neuen Glauben treu blei ben zu können. Um Steyr aus der wirtschaftli chen Notlage zu befreien, wurde 1625 von Kaiser Ferdinand die „Innerberger Hauptge werkschaft" gegründet.® Ziel dieser unter staatlicher Kontrolle stehenden Handelsge sellschaft war die Aufsicht über Erzgewin nung und Eisenhandei. Die Hauptgewerk schaft förderte den Ausbau der internationalen Handelsbeziehungen, das Transportwesen, regelte die Erzeugung, Prei se und den Warenverkehr. Aus Stahl wurden qualitativ hochstehende Produkte wie Schwerter, Messer, Sicheln, Sensen, Ringe, Ketten, Nägel, Schrauben, Ahle, Zangen, Bohrer, Sägen und Feilen hergestellt. Diese Steyrer Ganz- und Halbzeuge wurden bis Kiew und Konstantinopel, nach Nürnberg, Augsburg und Basel und sogar in den Fernen Osten vertrieben."* Erst 1808 wurde die Hauptgewerkschaft aufgelöst. Für die Wirtschaft und das Sozialgefüge von Steyr von größter und weitreichendster Be deutung bis in unsere Zeit war die Produktion von Feuerwaffen, die bereits Ende des 16. Jahrhunderts versucht wurde. Fachkundige Bereitmeister und Feuerknechte wurden in Steyr angesiedelt. Es kam zur Gründung der „Gesellschaft der Rohr- und Büchsenmacher zu Steyr". Sie war die einzige im Raum Oberund Niederösterreich eingerichtete Feuerwaf fenproduktionsstätte. Mit der Verpflichtung, den Bedarf von Geschützen und Geschoßen für das Zeughaus in Wien zu decken, wurden der Gesellschaft Privilegien zugesichert. In der Zeit nach 1633 nahmen an der Steyr und in Unterhimmel Armaturschmiieden, Bohr mühlen und Bohrhämmer die Arbeit auf. 1761 waren in Steyr drei Waffenschmiede und vier Rohrschmiede ansässig. 1786 wurden alle diese Einzelerzeuger zusammengefaßt, ihre Betriebe vom Ärar aufgekauft; sie arbeiteten nun unter dem Namen „k. k. FeuergewehrsFabriks-Lokaldirektion".® Der wirtschaftliche Tiefstand der Stadt zu Be ginn des 19. Jahrhunderts war durch das Zu sammenwirken mehrerer Faktoren verur sacht worden. Verantwortlich dafür zeigten sich neben den schlechten Verkehrsverhält nissen, Unruhen und Kriegen im In- und Aus land die Störungen im Export der Produkte von eisenverarbeitenden Gewerbebetrieben und Schwankungen der Währung. Ais sich nach der Jahrhundertwende die napoleoni schen Kriege auf die Erbländer ausbreiteten, wurde Steyr dreimal von den Franzosen be setzt. Alle Gewerbebetriebe mußten für die Besetzer arbeiten. Die Folge davon war die totale Verarmung der Bevölkerung und eine Stockung des Gewerbes nach Kriegsende. 10

Tafel der Zweckschmiede-Zechund Vormeister, 1593, Im Städtischen Museum Steyr. Text: Michael Piisneker hat anno 1593 diese Tafel machen lassen. G. Schwarzmair h. s. renoviert 1629. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien. ^ <Srat:t55iluihuaii.ii (S umifear ^.r|r^nuu'n -iSn'i'lWfnuiiiJ-ii ^ igndh ^cdnm'ilw Imsau ■yirmfi. Älrboitev'Jirm 3wi'ninnri er^^infjEr isifmim JiuuonnnniHMcfcriHVpi ^ S^lü aGi?r süiti'niMnEu \Vn\. ^^^ifLuhi'ni mid\ fein frcmb , ofdV iinb IHnnei^fr ex'VüatH\Uxt / i&rer nun :>?» Inn Sü erBi pf^ boi'fi nuvnuB^ SHeifrer.^ itinö. i^pLVhL'v xngfenmuis Dirac|clun\ 1 ^ rtVn Llen ISTB »^lün'e« alliffvfiffnefLT Bai üuo i5Wn öiefc -'ivftfefnmtSciiCaj]cn.(;^).-"^cBiyarnneiv \f. l'rnioyid 10 .'-.'Tin rro » 11

?ssr» Die Überschwemmungen 1821, 1829 und ein Brand im Jahr 1824 verschiechterten zusätz lich die tristen Lebensbedingungen der Be völkerung. Die Steyrer Eisenindustrie gelang te aber auch durch einen anderen Umstand in Rückstand. Die Be- und Verarbeitung des Eisens wurde nach wie vor in der Jahrhun derte alten, traditionellen Weise von Hand werkern durchgeführt. Der Einsatz von Ma schinen, mit denen in England und in Deutschland schon gute Erfahrungen ge macht worden waren, wurde von den einhei mischen Gewerbetreibenden mißtrauisch ab gelehnt. Das Verschließen gegen den technischen Fortschritt, der letztlich eine Qualitätsverbesserung der Produkte, eine Verringerung der Lohnkosten und daraus resuitierend eine Herabsenkung des Endprei ses zur Folge gehabt hätte, macht die öster reichische Eisenproduktion nicht mehr konkurrenzfähig. Führender Produzent von Gewehrbestandtei len in Steyr war Leopold Werndl, der bereits um 1830 vier- bis fünfhundert Arbeiter in Haagerstraße 46 4400 Steyr Isert 1850^ lEISENHANDlÜNG Gesint»H & Co KG Kirchengasse 22 Stahl, Baustoffe, Beschläge Werkzeuge, Eisenwaren Die FACHGESCHÄFTE Haus- u. Küchengeräte, Werkzeuge, Eisenwaren, Ofen und Herde 12

Links: Gesamtansicht der „Österreichischen Waffenfabriks-Aktiengesellschaft" unter Leitung von Josef Werndl 1868—1889. Original im Städtischen Museum Steyr. — Foto: Alois Kranzmayr, Steyr. Rechts: Das Objekt „Voglsang" im Steyrer Wehrgrabenbereich. Am rechten Bildrand Schloß Voglsang. Beide Gebäude erbaut von Josef Werndl. Das Fabriksgebäude wurde später zu einem Ledigenheim umgebaut. Original im Städtischen Museum Steyr. — Foto: Alois Kranzmayr, Steyr. mehreren Werkstätten beschäftigte.® Mit der Übernahme des Betriebes durch seinen Sohn Josef im Jahre 1855 begann für Steyr und seine Bevölkerung der Aufbruch in ein neues Zeitalter, in das Zeitaiter der Maschine, die den Menschen und seine Arbeitsverhäitnisse tiefgreifend veränderte. Die Periode von 1862 bis zum Tod von Josef Werndl 1889 ist gekennzeichnet von einer ständigen Erweite rung der Baulichkeiten und Erneuerung der Fabrikseinrichtungen. Das durch das Hand werk geprägte Erscheinungsbild des Wehr grabens begann zu verblassen. Die neuge bauten Fabriksanlagen, die sogenannten „Objekte" der Waffenfabrik, beeindruckten durch ihre Größe, Stil und Ausstattung. Zehn Gebäude entstanden im Vorort von Steyr in Letten, etwa sieben Kilometer südwestlich von der Stadt entfernt am Fluß Steyr gelegen. In Steyr selbst befanden sich 13 Fabriksob jekte mit den dazugehörigen Magazingebäu den und dem Zentralbüro. Diese Anlagen wa ren „. . . möglichst einfach und praktisch gebaut (zweistöckig). Die Fassade ist in einem dunklen Ockerton gehalten, die Fen ster mit einem roten Ziegelkranz umrandet. Eiserne Wendeltreppen führen außen von Stockwerk zu Stockwerk. Zwei gegenüberlie gende Objekte sind über die Straße hinweg durch Gitterbrücken verbunden".'' Hand in Hand mit dem Ansteigen der Produk tion ging der ständige Zuzug von Arbeitskräf ten, nicht nur aus der näheren Umgebung, sondern aus allen Teilen der Monarchie nach Steyr. Der rapide Anstieg der Bevölkerung bewirkte unverschämte Mieterhöhungen der vorhandenen Wohnungen und Versorgungs schwierigkeiten. Im Jahre 1870 begann auf Initiative von Josef Werndi die planmäßige Errichtung von Werkssiedlungen. In der Wehrgrabengasse wurden die ersten zehn zweigeschossigen Häuser mit Wohneinhei ten bestehend aus Zimmer, Küche, Kabinett angeiegt. Hinter den Häusern befanden sich ein zu jedem Haus gehöriges Gartenstück und ein Holzschuppen. 1875 setzte die Ver bauung des Eisenfeides ein, die in den fol genden Jahren andauerte. Der Wehrgraben entwickelte sich aus heuti ger Sicht zu einem typischen Industriegebiet des 19. Jahrhunderts. Abgesondert vom eimm HOTEL RESTAURANT MADER A-4400 STEYR — Stadtplatz 36 Tel. 07252 / 233 58 Telex 028302 53 Komfortzimmer mit 100 Betten, zentrale Lage, Bad, Dusche, WC, Lift, Tel. Heurigenkeller im alten Gewölberaum 13

«Ii gentlichen Stadtkern entstand der Tätigkeitsund Wohnbereich von Unternehmer und Ar beitern. In der Wehrgrabengasse ließ sich der Leiter der Österreichischen Waffenfabriksge sellschaft zwei Villen erbauen, die von der Bevölkerung „die Wasservilla" und die „Fi schervilla" genannt wurden. Der Standort des Wohnhauses im Fabriksbereich charak terisiert die Haltung des Unternehmers, der als Patriarch im Kreise seiner Untergebenen „regierte". Das bisher bestehende gesellschaftliche und soziale Gefüge der Stadt geriet durch den ra piden Anstieg der Bevölkerung ins Wanken. Die bürgerlichen Stadtbewohner standen dieser sich bildenden neuen Gesellschafts schicht ablehnend gegenüber, verbunden mit der Angst vor poiitischen Unruhen und Krawalien. Dieven der Unternehmensleitung geschickt eingesetzten sozialen Maßnah men, wie zum Beispiel die Verbesserung der Wohnverhältnisse, schränkten politische Be tätigung der Arbeiter von vornherein wir kungsvoll ein. Der Arbeiterschaft dieses industrieiien Ballungszentrums kam keine zentrale Rolle in der Formierung der ober österreichischen Arbeiterbewegung zu.® Der vom übrigen Teil der Stadt mehr oder we niger getrennte Fabriksbezirk, charakterisiert durch die in kurzer Entfernung voneinander angeiegten Wohn- und Arbeitsstätten, verän derte sich erst am Beginn des 20. JahrhunObjekt III. Vorläufer dieses Industriegebäudes war die 1862 erworbene Jocher'sche Papiermühle. Siehe „Die Werke der oesterreichischen Waffenfabriks-Gesellschaft in Steyr und Letten. Skizzirt v. Hans Strachowsky, Steyr 1886", Original im Städtischen Museum Steyr. — Foto: Alois Kranzmayr, Sti5yr. Rechts: Romantik des Wehrgrabens. Motiv aus dem Saggraben im Steyrer Wehrgraben, rechts: Das Vogelhaus (Wehrgrabengasse 34) — Repro: Alois Kranzmayr, Steyr. derts. In den Jahren 1913/14 wurde die neue Waffenfabrik in ihrer noch heute bestehen den Anlage auf der anderen Seite der Stadt, der Ennsleite, errichtet. Die aiten „Objekte" dienten zum Teil als Lagerplatz, die „Werndl'schen Wohnhäuser" v/urden reno viert und weiterhin von der Arbeiterschaft bewohnt. Erst in den 1980er Jahren besann man sich auf die Erhaltung und Nutzung der teilweise leerstehenden Bauten, denn Man muß mit ailer Energie für die Erhaltung des Wehr grabens und seines Lebensraumes eintreten, denn in diesem Stadtteii sind viele histori sche Informationen gespeichert, . . .".® HAFNERMEISTER KACHELÖFEN — FLIESEN — OFFENE KAMINE PLANUNG — VERARBEITUNG o A-4400 STEYR Sierninger Straße 46—48, Telefon 0 72 52 / 63 4 73-0 14

1 l '1'^ Anmerkungen: 1 Hans Widmann: Fremdenführer für Steyr und Umgebung, Steyr 1884, 8. 39. f. 2 Franz Xaver Pritz: Geschichte der Stadt Steyr, Steyr 1837, S. 103. 4 Vgi. Hans Doppier: 75 Jahre Steyr- 6 Eva Bäk: Stadtgeographie von Steyr, Phil. Daimier-Puch-A. G., Festschrift, Steyr 1939, Diss., Wien 1958. S. 6. 7 Ebenda, S. 104. 8 Heimut Konrad: Das Entstehen der 5 Vgl. Michaela Pfaffenwimmer: Die wirtschaftiiche und soziaie Entwickiung der „Österreichi3 Vgi. Luise Oppenauer: Die Bevöikerung und die sehen Waffenfabriks-Aktiengeseiischaft" unter der Arbeiterklasse in Oberösterreich, Wien 1981, S. 73. Wirtschaft des Kreises Steyr, Phii. Diss., Wien Leitung des Generaldirektors Josef Werndi 1944, S. 92 f. 1868—1889, Phil. Diss., Wien 1985, S. 52. 9 OÖN, Samstag, 2. Juii 1983 Planungsbüro baumeister j. rodieitner bauplanung — bauleitung — beratung — wärmeschutz im hochbau 4400 steyr, punzerstraße 77 — telefon 0 72 52 / 64 8 81 15

.^cecterv unA' üAej<- ^Ajieriy ^eActcÄy/ ^cuni/ie^ (^cAAojcc^ HOTEL-RESTAURANT eckboRö stuB'n 4451 STEYR-ST. ULRICH EISENSTRASSE 94 TEL.07252 /22326, 22327 TELEX 028-225 1. Steyrer Reisebüro — seit 55 Jahren — Quaiität und Service! Josef Werndl, dem Begründer der Steyr Werke, wurde in unserer Stadt auf der Promenade ein Denkmal mit der Aufschrift: „Arbeit ehrt" gesetzt. Für die alte Eisenstadt war dies stets eine Selbstverständlichkeit — hier wird seit eh und je Qualität hergestellt. Unsere Aufgabe als Reisebüro ist es nun schon seit über 55 Jahren, diesen arbeitenden Men schen frohe Urlaubstage anzubieten und ihnen damit zu helfen, Freude und Kraft für ihre Aufga ben und ihr Leben schöpfen zu können. Dies werden wir auch in Zukunft beibehalten — deshalb ist und bleibt unser Motto: „ARBEIT — MENSCH — URLAUB" Aus unserem reichhaltigen Programm FRÜHJAHRSREISEN zum AUFTANKEN: Frühlingsluft Inmitten subtropischer Vegetation atmen — 3 Wochen Erholung mit Kuraufenthalt im Thermalbad PORTOROZ 9. 3. — 29. 3. 1987 Der Pauschalpreis von S 6.120.— beinhaltet folgende Leistungen: Fahrt, Haibpension, 1 ärztliche Konsultation in der Therme, aktive Rekreation, Filmabend, Unterhaltungsabend mit Tanz, freie Benützung des Hallenbades, Unterbringung im Grandhotel PALACE oder APOLLO; unmittelbar am Meer gegenüber der Uferpromenade gelegen; usw. usw. oder mit Erholungsaufenthalt in ISTRIEN Im Schwesterhotel von Eden, Montauro, in ROVINJ 9. 3. — 29. 3. 1987 Das Hotel MONTAURO liegt inmitten einer Parkanlage und bietet ein Hallenbad und viele Bequemlichkeiten. Alle Zimmer mit Dusche, WC und Balkon. Der Pauschalpreis von S 6.640.— beinhaltet folgende Leistungen: Fahrt und Vollpension während des Aufenthaltes. Frühling in OPATIJA an der KVARNER RIVIERA 28. 3. — 5. 4. 1987 Unterbringung im neu renovierten Hotel OPATIJA mit Hallenbad, inmitten einer Parkanlage gelegen Pauschalpreis 28. 3. — 5. 4 S 2.790.— Pauschalpreis 4. 4. — 12. 4 S 2.560.— Pauschalpreis 28. 3. — 12. 4 S 4.400.— Die genannten Pauschalpreise beinhalten folgende Leistungen: Fahrt und Vollpension während des Aufenthaltes. VERLANGEN SIE BITTE DIE SONDERPROGRAMME! Wir ersuchen Sie um Ihre eheste Anmeldung. Verlangen Sie auch bitte unser Jahresprogramm 1987, welches ab 21. Februar aufliegt. Reisebüro Nemetschek, 4400 Steyr, Bahnhofstraße 10, (Tel. 0 72 52 / 23 3 81-0) Reisebüro Nemetschek, 4470 Enns, Hauptplatz 21, (Tel. 0 72 23 / 23 04) Nemetschek Touristik, 4020 Linz, Klosterstraße 12, (Tel. 0 73 2 / 27 08 53) BMW Motoren in Steyr: Technischer Fortschritt aus Österreich O Entwicklung von Dieselmotoren und Dieseimotorentechnoiogie O Produktion von Benzin- und Dieselmotoren O Vertrieb von BMW-Moto'en weltweit BMW Motoren 16

Das Projekt Museum Arbeitswelt Rudolf Kropf/Josef Moser Mit Fabrik verbindet man heute noch immer Begriffe wie Lärm, Schmutz, schlechte Luft, harte Arbeit usw. Die Fabriksgebäude werden im allgemeinen als unschön, ja häßlich, schmutzig und wenig attraktiv bezeichnet. Obwohl seit dem Beginn der industriellen Re volution etwa 150 Jahre vergangen sind, do minieren in unserer heutigen Gesellschaft noch immer diese negativen Vorzeichen. Ge rade heute wird vielfach die Industrie als Ver unreiniger der Gewässer sowie der Luft und für die Schäden an der Umwelt verantwortlich gemacht. Die industrielle Arbeltswelt hat sich In den letzten Jahren verändert und ist derzeit durch die sogenannte „mikroelektronische Revolu tion" in einem beschleunigten Wandel der Ar beitsverhältnisse begriffen. Die Dimensionen dieses Umbruchs, die in wenigen Jahren alle Lebensbereiche des Menschen erfaßten, sind heute noch nicht absehbar. Die Möglich keiten der elektronischen Datenverarbeitung erschließen uns den Zugang zu einer neuen Welt, die Immer rascher unser Umfeld erfaßt und verändert. Zur Orientierung und als An haltspunkt versucht der Mensch, den Blick zurück in die Vergangenheit zu richten. Der Frage nach dem Wohin dient zur Standortbe stimmung aber auch die Frage nach dem Woher. Die Entdeckung des Interesses für die eigene Vergangenheit, für die Geschichte der indu striellen Arbeitswelt etc. ließ ein neues Ge schichtsbewußtsein entstehen. Dabei han delt es sich hier um eine historisch weitgehend unerforschte Perspektive, die Strukturgeschichte der industriellen Arbeits welt, die wir kennen müssen, um mögliche Entwicklungen für die Zukunft vorauszuse hen und beurteilen zu können. Aus diesem Interesse heraus entstanden in den letzten Jahren in Europa eine Reihe von Initiativen zur Darstellung und Vermittlung des Themas Industrialisierung, Sozialgeschichte der Technik und der Arbeit. Im Sommer 1979 be suchten Absolventen oberösterreichischer Gewerkschaftsschulen anläßlich einer Eng landreise auch das Industriemuseum in Coalbrookdale. Damals entstand die Idee, auch In Österreich die Gründung eines sol chen Museums zur Sozialgeschichte der Technik anzuregen. Nach verschiedenen Projekt Museum Arbeitswelt in Steyr: Provisorischer schematischer Grundriß, Maßstab 1:100, gezeichnet von Hans Hoffer, Bühnenbildner, Gestalter der Landesausstellung und des Museums. Vorarbeiten wurde im Jänner 1981 der „Verein Museum Arbeitswelt" gegründet, der sich die Errichtung eines solchen Museums in Ober österreich zum Ziel setzte. Der entscheiden de Durchbruch gelang aber im Juni 1983, als Landeshauptmann Dr. Josef Ratzenböck einer Landesausstellung für 1987 zum The ma „Industrielle Arbeitswelt" zustimmte. Nach der Erstellung eines wissenschaftli chen Konzepts konnte im Sommer 1984 mit intensiven Vorarbeiten begonnen werden. Die Wahl des Gebäudes fiel auf die ehemali gen Hack-Werke, die im März 1985 vom Ver ein Museum Arbeitswelt aus der Konkurs masse erworben wurden. Die Grundlage der Landesausstellung und des Museums bildete das im Mai 1984 fertig gestellte wissenschaftliche Konzept. Das Ziel dieser Vorlage war, den Rahmen für die Aus stellung abzustecken und eine Generallinie zu erarbeiten. Als zeitliche Dimension wurde der Beginn der Industrialisierung bis zur Ge genwart gewählt. Nach dem Leitsatz: „Im Mit telpunkt eines Museums der Industriellen Ar beitswelt steht der Mensch, und zwar der in der Industrie arbeitende Mensch. Aufbau des Museums und Auswahl der Exponate orien tieren sich an diesem Prinzip" nahmen wir eine Gliederung des Themas nach vier Pha sen und zehn Themenbereichen vor. Die Realisierung des Konzepts stieß auf eini ge unvorhersehbare Schwierigkeiten. Einer seits war das gegenständliche Fabriksgebäu de sanierungsbedürftig und mußte erst für eine Ausstellung umgebaut und adaptiert werden, andererseits fehlte es in Österreich über weite Strecken an wissenschaftlichen Vorarbeiten zu inhaltlichen Teilbereichen. AVSSeNQB.J5kT EINOAUg— HAUPTONGANG PROVISORISCHER SCHEMATISCHER 0RUN0RIS5 MUSEUM ARBEnSWELT SfEYR HANS HOFFER VIllENFftSSADe MirTHLTRANSMSSION INFO-WERKBANKE ARSEITERWOHNUNG MASCHfg MENSCH ARBEITERKULnjR J ARCHITB<TURHOOELLE WTOyfWCK. SCHUSTERSTUBE _ ENERGIE WASSER HAMMER WEG OER WARE W0LL2EUGMFTR PANORAMAGAWC 17

Weiters wurden Ausstellungsobjekte zum Thema „Industrielle Arbeitsweit" bisher In Österreich und vor allem in Oberösterreich kaum oder überhaupt nicht gesammelt. Als im Sommer 1984 mit den intensiven Vorarbei ten für die Landesausstellung begonnen wur de, verfügte der Verein Museum Arbeitswelt über kein einziges Ausstellungsobjekt. Das wissenschaftliche Team mußte sich bemü hen, bestehende Sammlungen nach mögli chen Ausstellungsgegenständen zu durchsu chen, beziehungsweise für das künftige Museum ein Depot an schriftlichen, mündli chen und Bildquellen, sowie an dreidimen sionalen Objekten anzulegen. Damals wurde die Aktion „Grabe, wo Du stehst" gegründet, die einerseits die Idee des Museums In die Bevölkerung tragen sollte, um eine Identifika tion von Arbeitnehmerschichten mit dem Mu seum zu erreichen, und andererseits durch eine Sammlertätigkelt die notwendigen Ge genstände für die Ausstellung zu erhalten. Der Aufbau des Museums hatte für die Re gion Steyr aber auch einen nicht unbedeu tenden wirtschaftlichen Effekt. Infolge der schwierigen ökonomischen Situation der letzten Jahre war Steyr durch eine hohe Arbeltslosenzlffer zu einer Krisenregion gewor den. Durch die Sanierung des Gebäudes gin gen an die Bauwirtschaft der Stadt und Ihrer Umgebung einige bedeutende Aufträge. Ver handlungen, die der Verein Museum Arbelts welt mit dem Sozialmlnlsterlum führte, erga ben die Möglichkeit, Im Wege der Aktion 8000 beziehungsweise des Akademikertrai nings sowohl arbeitslose Arbeiter und Ange stellte zur Sanierung des Gebäudes anzu stellen, als auch junge Wissenschaftler für die Aufbereitung einzelner Inhalte der Aus stellung zu beschäftigen. Insofern hatte das Projekt Museum Arbeltswelt auch eine arbeltsmarktpolltlsche Komponente. Welchen Standort nehmen die österreichi schen Museen Innerhalb der Darstellung der Industriellen Arbeltswelt ein? England, das Mutterland der Industriellen Revolution, war hinsichtlich der Methode der Erhaltung und Erforschung Industrieller Denkmäler rich tungsweisend. Im Jahr 1968 wurde Im Severntal In Shropshire um Coalbrookdale und Ironbridge eines der ersten Industriellen Frei lichtmuseen gegründet. Hier stand die Wiege der europäischen modernen Technologie der Schwerindustrie — Abraham Darby hatte 1709 das Verfahren, Elsenerz mit Koks anstel le mit Holz zu schmelzen, entwickelt, hier goß man die Zylinder für die Dampfmaschine von Thomas Newcomen und walzte die ersten Flachschlenen, auch die erste gußeiserne Brücke der Welt befindet sich Im Severntal (Ironbridge). Neben einer Reihe weiterer musealer Initia tiven zur Textllerzeugung und Elsenverarbeltung In Großbritannien beschäftigte man sich auch In Kontinentaleuropa seit den siebziger Jahren dieses Jahrhunderts verstärkt mit der Errichtung sogenannter Industrie- und Ar beltsmuseen. Diese Darstellungen der Indu striellen Revolution reichen von Museen der Technik bis zu Sammlungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung. In Frankreich ent stand der Typ des „Ecomusee", der sich mit dem Aufbau einer Dokumentation und mit der musealen Präsentation der Entwicklung und Bedeutung einer Region beschäftigt. In der Bundesrepublik Deutschland leistete das Museum In Rüsselshelm Pionierarbelt. Die dort entwickelte Form des „analytischen Environments" beschränkt die Darstellung der Vergangenheit nicht nur auf die bloße Ab bildung des chronologischen Ablaufs, son dern ermöglichte einen Einstleg In Ihre Struk turen. Besonders In den letzten Jahren sind In der Bundesrepublik geradezu eine Fülle von Museen zu diesem Problemberelch ent standen, die zum Teil mit großem Aufwand an Personal und Finanzen unterschiedliche In haltliche und museumspädagogische Akzen te setzten. Das Gentrum Industriekultur In Nürnberg, das sich zunächst mit der Erarbei tung der wissenschaftlichen Grundlagen beschäftigte und eine Reihe von hervorra genden Büchern zur deutschen Sozlalgeschlchte veröffentlichte, plant die Grün dung eines Museums, dessen weltgespann ter Bogen von der Mitte des 19, Jahrhunderts bis zur Gegenwart reichen und alle Lebens bereiche des Menschen umfassen soll. Das In Entstehung begriffene Museum der Arbelt In Hamburg will In Schwerpunkten Industriali sierung, Lebensbedingungen und Umwelt der Arbeiter und der Arbeiterbewegung auf bereiten. Ebenfalls In der Realisierungs phase befindet sich das Landesmuseum für Technik und Arbelt In Mannhelm, das als Links; Ein Steg über die Steyr verbindet den Stadtkern mit dem Wehrgraben und dem Museum. — Sämtliche Fotos zu dieser Abhandlung: Verein Museum Arbeitsweit. Rechts oben: Die Dampfmaschine ist ein Symbol der Industrialisierung im 19. Jahrhundert, obwohl sie in den Alpeniändern weniger stark verbreitet war. Die Nutzung der Wasserkraft durch Wasserräder wurde hierzulande eher durch Wasserturbinen bewerkstelligt. 18

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