Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 4, 1983

die z. B. im Waldviertel vorwiegend von den Kuenringern und den Babenbergern ins Land gerufen wurden. Das Weinviertel, das Waldviertel und das östliche Mühlviertel gehör ten ja zur Mark und später zum Herzogtum der Babenberger (zirka 1040 bis 1246), das später in den Besitz der Habsburger überging. Das westliche Mühlviertel, bis zur Großen Mühl, kam erst 1290 direkt zum Habsburgerreich. Dieses Gebiet stand lange unter dem Einfluß des Bistums von Passau. Die Landesherren und Adeligen waren es auch, die um das Jahr 1000 die Urbarmachung und Kolonisierung des Landes initiierten und vorantrieben. Um 1200 setzt dann im gesamten Bereich eine planmä ßige Besiedlung ein. Man rief Mönche in das Land, baute Burgen, dies auch zum Zwecke der Befestigung der Grenzen (wie z. B. die Thaya-Burgen); die Burgherren stifteten Klöster und so entstanden auf den gerodeten Waldlichtungen die ersten Siedlungen. Noch heute zeugen viele Klöster und Stifte, von denen jedoch viele unter der Josefinischen Reform aufgehoben worden sind, und an die 500 Burgen, Schlösser und Ruinen allein im Mühlviertel und Wald viertel von dieser großen Pionierarbeit der Urbarmachung und Kulti vierung des Landes. Die meisten Siedlungen sind ebenfalls in dieser Zeit entstanden. Die EndsUben,, -schlag" und, ,-reit" bekunden noch heute diesen Zusammenhang. Viel Herrschaftssitze hatten sich im mer wieder in den Zeiten von Einfällen der Böhmen, Mähren und Ungarn (Georg von Podjebrad, Matthias Corvinus), in der Türken zeit, in der Zeit der Hussitenkriege und im 30jährigen Krieg, zu be währen. Die Zeit der Reformation und Gegenreformation schlug tiefe Wunden in das Land. Pest und Cholera ließen ganze Orte aussterben (die Cholera z. B. im Gefolge der preußischen Truppen, die einen Teil des Waldviertels nach der Schlacht bei Königgrätz im preußisch österreichischen Krieg besetzt hielten). Auch die Franzosenkriege (1809) und später - in unserem Jahrhundert - die russische Besatzung von 1945 bis 1955 brachten immer wieder schwere Zeiten. Die meisten Burgen und Schlösser sind heute verfallen, ebenso die nen viele Stifte und Klöster nach der Säkularisierung einem weltli chen Zweck. Aber noch immer ist dieses Land voll von bedeutenden Sehenswürdigkeiten - von der Romanik und Gotik bis heute herauf. Noch immer bieten diese Orte einen Anziehungspunkt für den Be sucher und kunstsinnigen Menschen - im Mühlviertel z. B. das Stift Schlägl, im Waldviertel die Klöster Zwettl, Geras oder Altenburg und die vielen noch erhaltenen Burgen und Schlösser, vor allem im Wald viertel. Am wenigsten gibt es davon im Weinviertel. Dafür gibt es dort Kostbarkeiten, wie die romanische Kirche von Schöngrabern, das Schloß Maissau oder die herrliche mittelalterliche Stadt Eggenburg. Wo heute die Straßen von Süden nach Norden ziehen, waren früher nur ,,Saumpfade", auf denen die ersten Händler ihre Waren, vor al lem Salz (aus dem Salzkammergut), von der Donau aufwärts nach Norden zur Moldau brachten. Auch die erste Pferdeeisenbahn von Linz nach Budweis (1832) wurde ja hauptsächlich für den Salztrans port gebaut. Kennzeichnend für das ganze Gebiet ist eine starke Süd-Nord-Verbindung, sowohl was das Straßen- als auch das Eisen bahnnetz betrifft. Es gibt nur eine einzige durchgehende West-OstVerbindung, die sogenannte ,,Sternwald-Bundesstraße", die von Passau über Wegscheid nach Haslach, Helfenberg, Bad Leonfelden, Freistadt und dann ins Waldviertel nach Karlstift führt, wo sie sich teilt in eine Straße nach Gmünd zum Grenzübergang Neunagelberg (Tschechoslowakei) und zum änderen nach Zwettl, Horn, Hollabrunn, Mistelbach und Hohenau führt. Das Waldviertel war und ist bestimmt von seiner Ausrichtung nach Wien, das Mühlviertel von seiner Ausrichtung nach Linz; für das Waldviertel ist Krems ein wichtiger Bezugspunkt. Im Mühlviertel und im Waldviertel gibt es besonders Viehzucht, im Weinviertel Bodenanbau mit Zuckerrüben, Mais, Getreide und vor allem Wein. Im Norden des Waldviertels, in der Gegend von Gmünd, Litschau, Waidhofen, gibt es eine ausgeprägte Kleinindustrie (Uhren, Teppiche, Hohlglas, Strickwaren etc.), im Mühlviertel - traditionell bestimmt - Textilindustrie. Das Mühlviertel war ja seit jeher eine Heimstätte der Leinwanderzeugung und der Hauswebereien. In den letzten Jahren wurde im Mühlviertel auch wieder der Anbau von Hopfen, der früher weit verbreitet war, als Grundstoff für die Bier brauerei forciert. Im Waldviertel wird noch immer traditionsgemäß Mohn angebaut. Durch ausgezeichnete Postautobus-Verbindungen ist es für den Ur lauber heute möglich, selbst in die kleinsten Orte und verlassensten Gegenden zu gelangen. Dies ist vor allem wichtig, wenn er, vom ei genen Auto unabhängig, wandern will, wozu das Mühlviertel und das Waldviertel besonders prädestiniert sind, weU sie auch durch viele markierte Nah- und Weitwanderwege erschlossen sind. Der wichtigste ist der sogenannte ,,Nordwaldkamm-Wanderweg", der entlang der tschechischen Grenze vom Plöckenstein über das Mühlund Waldviertel bis hinunter zum Nebelstein nach Weitra führt, von wo aus man jedoch weiter bis nach Wien wandern kann. Ein solches Wandern, mit kleinen Abstechern zu den vielen Sehenswürdigkei ten, die entlang dieses Weges liegen und die in keinem Reiseführer als großartige Attraktion gepriesen werden, ist der beste Weg, das Land und die Leute kennenzulernen und sich zu erholen. Überall auf dem Weg gibt es in den Orten gute Unterkunft und Verpflegung und dies noch dazu äußerst preiswert. - Und wenn Sie dann im Weinviertel gelandet sind, dann haben Sie sich eine schöne, beglückende Abend stunde bei einem Glas Wein wirklich verdient! 84

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2