Oberösterreich, 33. Jahrgang, Heft 4, 1983

Kunst der Gegenwart Cherub, 1967, Polyester, 83 cm hoch, WV 87 Saal der toten Astronauten, 1972-78, Modelle i Englische Schar, landend, 1969/70, Bronze, Stahl, 63 cm hoch, WV 112 Es hat den Anschein, daß durch dieses neue Material eine Klärung der Formensprache mitbedingt wurde. Reiters Figuren gewannen fortan an innerer Monumentalität, wurden lo gischer, statuarischer und gelangten in der sparsamer werdenden Verknotung und Verschachteiung der schwingenden Balken zu ei ner harmonischen Ausgewogenheit und Ruhe. Landende und gestürzte Engel und überhaupt eine sehr persönliche Art, in kräftigen Form zitaten der stets esoterisch interpretierten himmlischen Erscheinungen einmal handfest Herr zu werden, stehen zu Beginn einer wich tigen Werkgruppe. Wenn in Reiters Engeis plastiken zunächst durchaus ein Hauch der Ironie zu spüren ist, so wandelten sich diese und verwandte Motive später zu tragischen Sinnbildern menschlichen Scheiterns. 1972 begann Reiter mit den Studien und Vor arbeiten zu einem riesigen Projekt, dem ,,Saai der toten Astronauten". Der Sturz des Ikarus' hatte die Künstler durch viele Jahrhunderte bewegt, sein Schicksal hat sich in unserem Jahrhundert mehrfach wiederholt. Dem Ster ben der Astronauten, ihrem Zerschellen, Ver glühen und Vergehen wollte Reiter ein Denk mai setzen. Überlebensgroße Piastiken aus Chromnickeistahi, in einen nur schwach er leuchteten Raum eingefügt, sollten das menschliche Scheitern an den Kräften und Dimensionen des Kosmos offenbaren. Sechs Jahre widmete Reiter diesem Projekt, wobei er die zusammenbrechenden, gestürzten und sterbenden Astronauten auf gewaltige plasti sche Kürzel für menschliche Figuren redu zierte und auch die Chromnickelstahiverarbeitung für die angestrebten monumentalen Di mensionen perfektionierte, insgesamt entstanden nach zahllosen Studien fünf von sieben geplanten Großfiguren. Mate rielle Gründe und eine befürchtete künstleri sche Isolation ließen Reiter resignieren. Ein ,,stürzender Astronaut" landete, aus dem Zu sammenhang gerissen, in einer Parkanlage in Wien-Floridsdorf. Eine spätere, internationale Würdigung erfuhr der ,,Saal der toten Astro nauten" 1980, als er im Rahmen der Basier Kunstmesse neuerdings installiert wurde. Die Chance, sich an einem wahrhaft monu mentalen Werk zu versuchen, bot sich Erwin Reiter neuerlich anläßlich des ,,Forums Me tall" 1977 in Linz, in der dortigen Schiffswerft entstand die 7,5 m hohe Stahlplastik ,,Strö mung" für die Ausgestaltung des Freigeländes am Linzer Donaukai. Reiter schuf eine aus der Verkiammerung mit dem Boden sich befrei ende Formation, die in drei mächtigen, in sich schwingenden Stelen zum Himmel weist. Ge genüber den düster-tragischen Astronauten wirkt die Linzer,,Strömung" trotz aller Monu mentalität als befreiendes, heiteres Gebilde, als geistige Antithese des auch im Scheitern beeindruckenden Astronauten-Projekts. Der Faszination des Chromnickelstahis konnte sich Reiter fortan nicht entziehen. Während vorerst aus kompliziert geschnitte nen Elementen durch Verschweißen der Kan ten die kubischen Welienstrukturen entstan den, begann der Künstler ab 1979 in immer 51

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