Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 4, 1982

„Stille-Nacht-Gedächtnis-Kapelle" in Oberndorf bei Salzburg, gegenwärtiger Zustand Joseph Mohr Dem Salzburger Landgeistlichen Joseph Mohr verdanken wir nicht nur den Text zum Lied „Stille Nacht", er hat überhaupt die Anre gung zu dessen Entstehung gegeben. Was der musikkundige und federgewandte Mann sonst noch schuf, davon ist viel verschollen oder längst vergessen. Joseph Mohr war ein Mann mitten im Volke; er ist es während seines ganzen Lebens geblie ben und wollte nichts anderes sein. Hätte Mohr von den Bemühungen gewußt, die ernsthafte Forschung bis auf den heutigen Tag um die Aufhellung seines Erdenlebens verwendete, der schlichte Mann wäre sicher lich höchst unwillig darüber gewesen. Hat er uns doch nicht einmal ein Bild seines Äußeren hinterlassen, weil er nie dazu bewegen wer den konnte, sich photographieren oder konter feien zu lassen; als ihm eine spätere Genera tion ein Denkmai setzen sollte, gab der ausge grabene Totenschädel dem Bildhauer den einzigen Anhaltspunkt für die Plastik. Über den Ablauf seines Lebens konnten nur aus mühsam aufzufindenden Akteneintragungen und verstreuten Aufzeichnungen Angaben zusammengetragen werden, sein Wirken als Seelsorger läßt sich nur aus spärlichen Eintra gungen in Matrikenbüchern und vereinzelt überlieferten Episoden aufhellen. Von seinen musikalischen und poetischen Arbeiten ist fast alles verlorengegangen, weil er es zeitlebens ablehnte, seine Werke zu vervielfältigen oder zu drucken. Das äußere Geschehen im Leben Möhrs ist in seinen Kindheits- und Jugendjahren geradezu erschütternd bewegt. Der feinsinnige Dichter des,,Stille Nacht" entstammt nicht nur trostlos ärmlichen, sondern auch unsagbar traurigen Verhältnissen. Drittgeborenes Kind einer ledi gen Frau, deren ,,fleischlich Verbrechen" im Fornikationsprotokoll der Stadt Salzburg auf scheint, fällt der kleine Mohr als ,,Almosen kind" der öffentlichen Mildtätigkeit zur Last. Sein Vater ist ihm unbekannt; die Mutter nennt vor der Obrigkeit diesmal einen flüchtigen De serteur, nachdem sie für ihre vorgeborenen Kinder einen Kammerdiener und einen Solda ten als Väter angegeben hatte, Taufpate ist der Scharfrichter. Bescheidenheit und Gutmü tigkeit, zuversichtliche Fröhlichkeit und scher zende Heiterkeit ließen in Mohr nie Unzufrie denheit aufkommen. Er ging in seinem Prie sterberuf auf: ein ausgezeichneter Kanzeiredner mit kräftigem Organ, wußte er seine Zuhö rer zu packen, indem er die Dinge freimütig bei ihrem Namen nannte, er wußte mit seinen Pfarrkindern umzugehen und selbst bei den bäuerlichen ,,Dickschädeln" umfangreiche karitative Einrichtungen für die Armen und Werke des Allgemeinwohles durchzusetzen, die darnals in abgelegenen Landgemeinden noch neuartig waren. Seine eigene Gebefreu digkeit war das beste Vorbild; er verschenkte alles, was er besaß an Bedürftige. Seine Liebe zu den Kindern war sprichwörtlich; die meisten Eintragungen in Pfarrmatriken, die von Ihm sprechen, sind Taufen. Den Verbesserungen des Schulwesens schenkte er sein besonde res Augenmerk. Daneben war Mohr von Kind auf der Musik ergeben. Ais Student in Salz burg und Kremsmünster verdiente er sich als Chorsänger und Instrumentalmusiker Kost und Bekleidung. Er beherrschte eine Reihe von Instrumenten, vornehmlich Orgel, Violine und Gitarre. Er hatte eine volle, hellklingende Tenorstimme und sang gerne. Wir wissen auch, daß er eine Reihe von Kompositionen kirchenmusikalischer Art geschrieben hat, die von ländlichen Kirchenchören aufgeführt wur den; es waren, soweit sich feststellen läßt, fast nur Liedkompositionen, die für kirchliche Fest tage geschaffen wurden und zu denen er selbst auch den Text schrieb. Sein überaus heiteres Wesen trug schon dem halbwüchsigen Studenten einige einschrän kende Vermerke in der Sittennote und später dem jungen Hiifspriester eine kritische Beur teilung von seinen vorgesetzten Pfarrherren ein. Zu dieser Frohnatur gehörte auch die Freude an der Geselligkeit, die noch den al ternden Mann mit einem Kreis gleichgesinnter Freunde umgab. Dem äußeren Bild nach war Mohr von mittlerer Größe, schlanker Figur und aufrechter Hal tung. Er hatte, wie von Zeitgenossen überlie fert wurde, feines, braunes Haar und helle Au gen. Da er zu wenig auf seine Gesundheit ach tete, litt er oft an Kränklichkeiten; später plag ten ihn zunehmend heftige Kreuzschmerzen, die seine Gestalt ein wenig beugten. In der Kleidung kannte man ihn kaum anders als in abgetragenem und geflicktem Zeug; sein Talar, den er bis zur Unbrauchbarkeit trug, war aus grobem, bäuerlichem Raß. Wie es heißt, soll er sich nur dreimal in seinem ganzen Leben einen neuen Talar angeschafft haben. 33

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