Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 3, 1982

Historische Kunst Die Baugeschichte der Stadtpfarrkirche Eferding Benno Ulm Vor der kunstwissenschaftlichen Erforschung eines mittelalteriichen Gebäudes ist es uneriäßlich, dessen Baugeschichte zu erhellen. Stärker als etwa einen Fiügelaltar beeinflußten kunstjenseitige Kräfte den Vorgang seiner Er bauung, so daß nicht immer diese im Stil der Epoche sich niederzuschlagen vermögen. Eine so erstellte Baugeschichte ist allerdings nicht mit Kunstwissenschaft zu verwechsein, wenn auch neben den Queilen zur Bauge schichte stiikritische Fragen herangezogen werden müßten. Diese Vorgangsweise ähneit am ehesten einer kulturhistorischen, wie sie in Verkennung kunsthistorischer Methoden und Forschungsziele sich auf außerkünstierische und geseilschaftswissenschaftliche Momente hinwendet. Baugeschichte hat jedenfails die Voraussetzungen zur Kunstgeschichtsschrei bung zu schaffen; sie ist selbst noch nicht Kunstwissenschaft. im Land Oberösterreich gibt es kein zweites mitteiaiterliches Gotteshaus, das so zahlrei che und eindeutige Urkunden für seine Ent stehung besitzt, wie die Stadtpfarrkirche zum heiligen Hippolyt in Eferding.^ Am Bau des Langhauses seibst sind außer dem Gedenkstein des Jahres 1466 eine Reihe von Jahreszahlen sichtbar, die den Baufort schritt über dreißig Jahre hinweg bezeichnen. Aus dem unterschiedlichen Stii einzeiner Bauteiie und Bauformen kann eine reiative Chronoiogie ersteilt werden. Dagegen können die Technik der Steinbearbeitung, die Herkunft des Baumaterlais aus verschiedenen Brüchen oder in zweiter Verwendung, sowie die Stein metzzeichen nicht im gewünschten Umfang herangezogen werden; bei der letzten Einrüstung des Raumes anläßlich der Restaurie rung 1978 unterblieb die Beobachtung dieser selten ernstgenommenen Urkunden zum Baugeschehen weitgehend. An geschriebenen Urkunden sind die Ge samtabrechnung des Langhausbaues aus dem Jahre 1507^ und ein jüngst aufgefunde ner Brief von 1474,^ beide mit zahlreichen wichtigen Hinweisen, überliefert worden. Da gegen fehlt die Baurechnung mit den wö chentlichen Eintragungen der Ein- und Aus gaben. indirekte Hinweise vermitteln Nach richten über die Feuerbrunst von 1468" und Aitarstiftungen zwischen 1477 und 1488.= Ais Baubeginn des bestehenden Chores wird in älteren Druckschriften 1451 angegeben;® die Quelle dürfte aber im Verlauf von hundertfünf zig Jahren vernichtet worden sein. Es ist noch kaum bewußt geworden, daß sich die Errichtung des Gotteshauses über knapp ein halbes Jahrhundert hingezogen hat und eine Reihe von stilgeschichtiichen Beobach tungen mit der langen Bauzeit nicht in Ein klang gebracht werden kann, obwohl es sich um ein besonders quaiitätsvoiies Werk han delt. Die Notizen in der Gesamtabrechnung und im Brief erlauben nun die Heranziehung weiterer mittelalterlicher Dokumente, die diese Stilverschleppung, als die sich die lange Bauzeit an der Kirche darstellt, auf außer künstlerische Einflüsse zurückzuführen ver mögen. Es werden aber bewußt soziologische und organisatorische Hinweise ausgeklam mert, soweit sie den Baufortgang nicht zu er heilen vermögen oder nur einen Einblick in die Zusammensetzung und den Anteil der Bevöl kerungsschichten am Werk gewähren kön nen. Die Beantwortung dieser Fragen reicht noch weiter in die Kulturgeschichte, die Sozio logie und in die Wirtschaftsgeschichte; sie hat aber mit der tatsächlichen Baugeschichte als Grundlage für die kunsthistorische Analyse selten stärkere Berührungsflächen. Das Pfarrgotteshaus St. Hippolyt weist ver schiedene Zeitstile in seinen Bauteilen auf, die zu einer unmittelbaren relativen Chronologie zusammengestellt werden können. Von ei nem Vorgängerbau blieb schließlich nur der Unterbau des heute barocken Turmes erhal ten. Ein Kreuzrippengewöibe und der Schluß stein mit dem Christushaupt gehören noch der Mitte des 14. Jahrhunderts an;^ beim folgen den Kirchenbau wurde der Turm miteinbezogen, wie seine Nord- und Westseite im Kir chenraum heute noch erkennen lassen. Der Neubau wurde im Osten mit dem Chor und dem ,,Chörlein" der schönen Kapelle nördlich davon gleichzeitig begonnen. Während die Kapelle in den leichten Formen des ,,weichen Stiles" auch fertig eingewöibt wurde, blieb der Chorbau in der Höhe der Fenstersohlbank lie gen. Der weiche Stil bezeichnet einen Ab schnitt der mittelalteriichen Kunst, der in glei cher Weise in den figürlichen Künsten, wie auch in der Architektur und im Kunstgewerbe hervortritt. In der Kapelle tragen zarte Runddienste ein leichtes Netzrippengewöibe; das Schweben des Raumes unterstützt eine große Lichtfülle, die hier allerdings wegen des geplanten Chor baues nicht ideal verwirklicht werden konnte. Die Dienste des Chores bis zur Fenstersohl bank sind als verschiiffene, dreiteilige Bündel pfeiler ausgeführt, die altertümlicher wirken als das Innere Strebewerk des Chörleins. Auf diesen dreigliederigen Diensten stehen zarte Runddienste wie in der Kapelle, die wie dort ohne Kapitell in die Netzgewölbe übergehen. Alierdings liegt zwischen denen des Chörleins und des Hochchores eine bestimmende Stiientwicklung: im weichen Stil fließt das Ge wölbe in leichter, zarter Zeichnung. Die be stimmenden Rauten im Gewölbescheitel wer den nicht durch eine durchgehende Jochrippe geteilt. Im Altarraum - und von dort weiterge hend auch im Mittelschiff- zieht die Jochrippe durch die Scheiteiraute, betont das einzelne Joch und zerhackt den fließenden Blick. Der weiche Stil verfestigt sich, die Gewölbefigur wird spröde; es entsteht der ,,eckige Stii" durch eine Selbstverwandiung der vorange henden Stilstufe. Eine andere Form von Ge wölben des eckigen Stiles schließt die Seiten schiffe und die Einsatzkapellen oder Strebe räume, die durch die eingezogenen Strebe pfeiler gebildet werden. Für die Erstellung einer Chronologie sind aber Beobachtungen an den innenpfeilern von be sonderer Bedeutung. Die drei ostwärtigen Pfeilerpaare im Langhaus, die Pfeilerchen un ter der Empore, sowie die Stirn aller eingezo genen Strebepfeiler sind im Querschnitt aus zwei sich diagonal durchdringenden Quadra ten gebildet. Die beiden westlichen Pfeiler paare dagegen sind wuchtig mit achteckigem Querschnitt, wie er besonders in der Epoche des eckigen Stiles bevorzugt wurde. Für die sternförmigen Pfeiler und Wandvoriagen an den eingezogenen Strebepfeilern ist eine wei tere, jüngere Stilstufe, die des ,,Stiles der lan gen Linie", vorzuschlagen. Für die späteste Stiientfaltung des 15. Jahrhunderts, die als ,,Erste Barockgotik" bezeichnet wird, gibt es auch in den bogenförmig gebildeten Rauten der Netzrippengewölbe über den Seitenschif fen westlich der Torjoche frühe Belege. Der Architektur der Donauschuie schließlich steht die Doppeiwendeitreppe ,,1505" nahe, ob wohl dieser Raumteil sicher in der ursprüngli chen Kirchenplanung von 1451 nicht auf schien.® Durch die Stilanalyse läßt sich der Baufort gang zwanglos in der Bauzeit von über fünfzig Jahren verfolgen; aus kunstjenseitigen Grün den wurden die Zeitstiie allerdings nicht immer klar ausgeprägt.® in Verbindung mit den eingehauenen Jahres zahlen ergibt sich, daß die Langhausaußen mauer an der Nordostecke begonnen wurde und weiter über das Nordportal ,,1466" bis zur Nordwestecke gedieh, im nächsten Baujahr ,,1467" (Westportal) wurde die Mauer weiter gezogen und ,,1468" der Sockel des Südpor tals gelegt. Unterhalb der vorkragenden Kon sole der Muttergottes Ist ,,1471" auf die Wand gemeißelt; das Langhaus dürfte also nach fünfjähriger Bauzeit durchgehend die Höhe der Fenstersohlbänke erreicht haben. Erst einundzwanzig Jahre später, ,,1492", ist der vorletzte nördliche Scheidbogen zum Seiten schiff, ,,1493" der zum letzten südlichen über der Empore und ,,1497" das Gewölbe der Nordwestkapelle bezeichnet. Auch der Sockel der Madonnenfigur mit dem knienden Stifter trägt ,,1497"; sie wurde zusammen mit den Heiligen Hippolyt und Ägidius am Ende des letzten Bauabschnittes vor dem Südtor ver setzt. 61

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