Oberösterreich, 32. Jahrgang, Heft 1, 1982

giland einwandern mußten. Ohne die bekann ten langobardisch-bayerisch-thüringischen Gemeinsamkeiten zu bemühen, würden für eine iangobardische initialzündung der baye rischen Stammesbildung das offenkundig hohe Prestige und die attraktive Besonderheit sprechen, die die Langobarden - trotz ihrer Kleinheit - seit jeher besaßen. Die bayerische Ethnogenese wäre demnach von einer kleinen Schar von Einwanderern im heutigen Bayern ausgelöst worden. Als Kern der bayerischen Stammesbildung gilt derzeit wieder der Raum von Regensburg und Straubing. Um 565 ist der Lech als bayerischer Fluß genannt. Wie es zur Herausbildung der donauländischen Ostgrenze an der Enns kam, ist umstritten; doch dürfte die Kontroverse eher das Ergebnis verschiedener Fragestel lungen als ein wirkliches Problem sein: Ebenso wie die Bayern spätestens am Beginn des siebenten Jahrhunderts ins westliche Binnennorikum vorstießen, ohne sogleich in den Aipentäiern oder gar südlich des Brenners seßhaft zu werden, so kann sich auch die Enns als bayerische Siedlungsgrenze erst während des siebenten Jahrhunderts ausgebildet ha ben, nachdem sie zwei oder gar drei Genera tionen lang eine Art Demarkationslinie gewe sen war. Das eigentliche Bayerniand des sechsten Jahrhunderts war jedenfalls die voraipine Raetia Ii. Hier gab es genügend Platz, da die flächige romanische Dauerbesiediung bereits im fünften Jahrhundert an die Nordausiäufer der Alpen zurückgegangen war und an der Donau bloß einige romanische Inseln zurückblieben. Dem entspricht, daß der baye rische Sundergau-wohl der Südgau und nicht ein ,,Sondergau" - nördlich des heutigen Kuf stein endet. Damit stimmt die auffallende" Sprachgrenze überein, die - nach Aussage der Ortsnamen - die Stadt Salzburg durch schneidet. Sie bildet eine Linie, die vom Un tersberg über einst schwer passierbare Moore und die Hausberge bis zu den Ausläufern der Osterhorngruppe reicht. Nördlich davon gibt es die bayerische Toponymie, die Orte der Walchen, wie eine germanisch sprechende Mehrheit die Romanen nannte, und bloß eine verschwindende Minderheit romanischer Ortsnamen. Hingegen wirkt der Süden des einstigen Salzburggaues bis zum Paß Lueg so einheitlich vorbayerisch, daß man von einer Saizburger Romania sprechen konnte. Man möchte daher meinen, die so auffallend klare Sprachgrenze gehe auf eine politische Grenze zurück, bis wohin sich die frühen Bayernsiediungen ausbreiten konnten oder durften. Den Erscheinungen an Inn und Salzach gleicht die Situation am unterraetischen Rhein beim Hirschensprung und Kummenberg. Hier bestand jahrhundertelang die Sprachgrenze zwischen Romanen und Alamannen, die BisGefangener Barbar (Germane?), römische Bronzestatuette Im Stadtmuseum Enns. Foto: Widder tumsgrenze zwischen Chur und Konstanz, und noch heute verläuft hier eine deutlich er kennbare Brauchtumsgrenze. Mit einigem Recht gilt diese so auffallende Scheidelinie als Ergebnis der gentiien Politik Theoderichs des Großen. Provoziert von alemannischen Über griffen, gingen die Franken Chlodwigs 506 wieder gegen die alten Feinde vor. Der fränki sche Gegenstoß schien die Nordgrenze Raetiens und damit Italiens zu bedrohen; darauf wurde Ravenna diplomatisch aktiv und er reichte eine gewisse Stabilisierung der militä risch-politischen Grauzone zwischen Boden see, Donau und Rhein. Der Ostgotenkönig dürfte Alamannen im Thurgau und im nördli chen Vorarlberg sowie vielleicht auch im heu tigen Oberschwaben angesiedelt haben. Wie weit die tatsächliche Schutzherrschaft Theo derichs in das Gebiet nördlich des Bodensees und westlich der iiier reichte, ist jedoch schwer zu sagen. Alamannen wurden auch über Norikum hinweg in die pannonische Savia und in das italische Venetien verpflanzt. Mit aller ge botenen Vorsicht wäre daher zu schließen, daß die Nordausläufer der Alpen von der romanisch-alamannischen Raetia i bis zur bayerisch-romanischen Grenze in der Raetia Ii und in Norikum so lange zum ostgotischen Italien zählten, bis sich Ravenna 536/37 aus seinen Nordprovinzen zurückzog. 18

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2