Oberösterreich, 30. Jahrgang, Heft 3, 1980

Porträtbüste eines Kindes. Sämtliche Aufnahmen: Franz Gang! unerschöpfliche Phantasie zugute, mit der er seine Heiligen, ob Rundplastik oder Re lief, in ein unübersehbares Gewirr von Wol kenbändern und Engelsleibern einband. Ein wild wucherndes Ornament war anstelle der Architektur getreten, historistisch auch die ses, wie Vergleiche mit anderen Schöpfun gen in Spätzeiten beweisen. Um 1520 ge stalteten unbekannte Schnitzer die Altäre in Mauer bei Meik und Zwettl, um 1700 konnte ein reiches Akanthusdickicht der Altararchi tektur ganz entsagen. Wie in der Spätgotik verhäßlichte aber auch Furthner seine Ne benfiguren, die zahllosen Engelskinder im Wolkengekröse und übertrug diesen Manie rismus zunehmend auch auf die Hauptfigu ren. Damit konnte er immer wieder das ih nen zugrunde liegende geometrische Schema auflockern. Im zeitgleichen Ex pressionismus verwendeten Künstler reli giöse Theman aus der Heiligen Schrift, um Kritik an der Zeit zu üben; sie schufen des halb aber keine religiöse Kunst, keine Kunst für die Kirche und die christliche Gemeinde. Furthner und andere Bildhauer wurden vom Expressionismus beeinflußt, ohne jedoch Expressionisten genannt werden zu dürfen. Übersteigerungen des Ausdrucks waren ih nen nur Mittel, den Kreuzestod Christi noch grausamer vorzutragen, die Verhäßlichung des Antlitzes des Gemarterten und der ge quälte Körper hatten der Andacht zu dienen. Es wäre zu untersuchen, wie weit dieser Ausdruckswert auf das Kriegserlebnis Furthners zurückgeht und wie weit er die Gläubigen beeindrucken konnte. Anders als beim Expressionismus verbirgt sich hier eine Haltung, das Heroische, Idealistische, das nach dem verlorenen Krieg weite Volks schichten berührte. Von ihm sind besonders seine Madonnen und weiblichen Heiligen berührt. Der Betrachter vermißt hier das Menschliche, das Mütterliche; die Härte des Ausdrucks und der Haltung gemahnt an Frauen aus den germanischen Heldensa gen, denen Milde unbekannt war. Es ist dar über hinaus noch ein anderes Phänomen heranzuziehen. Ais katholisches Andachtsbiid waren nach den Marienerscheinungen in Lourdes (1858) und in Fatima (1917) ka nonisch festgelegte Marienstatuen gestaltet worden, die als Devotionale die Welt über schwemmten und als Massenartikel ohne individuelle Ausprägung Kitsch genannt werden müßten. Es ist festzustellen, daß sich Furthner bewußt in seinen Frauenge stalten gegen diese uniformen und weichli chen Figuren gewandt hat. Im reinen weiblichen Akt ist bei ihm ein ei genartiges, vielleicht gestörtes Verhältnis zum weiblichen Körper zu beobachten. Er erscheint steril, bar jeder Erotik, fast ge schlechtslos kühl. Es fällt auf, daß der Akt in Zusammenhang mit einem Tier, etwa der Europa auf dem Stier, viel blutvoller und eleganter wirkt. Diese Beobachtung kann auch bei den verschiedenen Putten getrof fen werden. Die in religiösen Zusammen hängen entwickelten wirken manieriert, aber die Kinder, die von Tieren, wie einem Krebs oder Hahn, angegriffen werden, sind blutvoil, lebendig, nicht übertrieben ,,ba rock" und fett. Auch die Komposition dieser Genreszenen gehört zum Besten des Künstlers. Hervorzuheben sind auch die verschiedenen Brunnenfiguren: Hier greift Furthner direkt ins Leben und die Gruppen sind nicht einem Zwang, einzubinden in die liturgischen Vorschriften, unterworfen. So gehören auch die verschiedenen Krie gerdenkmäler zu Furthners hervorragend sten Werken, wobei aber nicht die Aus druckskraft in der meßbaren Größe begrün det ist, sondern in der intimen Wirkung des einsamen Soldatentodes. Der 90. Geburtstag des Bildhauers Josef Furthner im heurigen Jahr bot den Anlaß, nicht nur das reiche Schaffen des Künstlers zu untersuchen, sondern damit auch die re ligiöse, hier katholische Kirchenkunst dieser Epoche zu beschreiben. Es ist richtig, was die Zeitgenossen an ihr hervorheben: Höch ste handwerkliche Fertigkeit in vielen Mate rialien, weitgespanntes Programm, über schäumende Phantasie, eigenwilliger und aufrüttelnder Individualismus. In der kurzen Analyse mußte aber auch auf die verschie denen Schwächen im Werk, unterschiedlich stark in den einzelnen Kategorien, hinge wiesen werden. Dieser Zwiespalt war den Zeitgenossen nicht bewußt, sonst hätte der Künstler nicht über dreißig Altäre geschaf fen, darunter Ausstattungen für Südafrika und England. Die zeitgenössischen Kritiker waren des Lobes voll, denn Furthner gehörte ganz in die damaligen religiös-künstlerischen Strömungen. Die Schwächen sind also nicht beim Bild hauer zu suchen, sie müssen in der Epoche seibst liegen. Wer jedoch vergangene oder fremdgewordene Kunstperioden oder künstlerische Richtungen in Abhängigkeit vom derzeitigen Verständnis der Gegen wartskunst zu anaiysieren trachtet, betreibt keine Kunstwissenschaft. Eine Wertung be dingt ein historisch richtiges Sehen. Daraus ergibt sich die so einfache Folgerung, daß alle Kunst in der Zeit modern ist, in der sie entstand. Mögen diese Randbemerkungen zum Werk Furthners Wege eröffnen, die ei nen Zugang zum Schaffen der Zwischen kriegszeit und besonders der religiösen Richtung ermöglichen. 83

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