Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 2, 1979

LiteraturbeÜage der Kulturzeitschrift Oberösterreich 2/1979 Hans von Hammerstein — Erbe und Zeitanteil Auswahl und verbindender Text von Carl Hans Watzinger Am 5. Oktober 1881 wurde Hans von Hammerstein als Sohn des Freiherrn Helge von Hammerstein auf Schloß Sitzenthal nächst Melk an der Donau geboren. Dem Rittergeschlecht derer von Ham merstein-Equord entstammend, von dem kinderlosen Onkel William (Wilhelm) von Hammerstein adoptiert, kam sein Vater, in zweiter Ehe mit Sophie Gräfin zu Stolberg-Stolberg, Enkelin des Dichters Friedrich Leopold Stolberg, nach Österreich. Somit stammte Hans von Hammerstein aus rheinisch-bergischem Uradel. Helge von Hammerstein ist aber schon in Hannover zu Hause gewesen, bevor er nach Niederösterreich kam. Die väterlichen Vorfahren unseres Dichters waren durchwegs Offiziere, der eine, der,,tolle General" Hans Georg von Hammerstein, kämpfte eine Zeitlang sogar unter Napoleon. In seiner Selbstbiographie ,,Aus dem Bilderbuche mei nes Lebens. Woher Ich kam und wie Ich wurde" geht Hans von Hammerstein auf diesen Großvater näher ein, genauso wie auf sei nen Urgroßvater mütterlicherseits, den schon erwähnten Friedrich Leopold Stolberg, den Freund Klopstocks und Goethes. Beide sieht er ja als seine ihn bestimmenden Ahnen an, was nicht besagen will, daß auch er ein Haudegen gewesen wäre. Wohl aber hat er vom Au gust 1914 bis zum Mai 1918 Kriegsdienst geleistet. Und nicht von ungefähr steht er mit seiner Lyrik in der Nachfolgeschaft der Goetheschen Naturlyrik, ohne sie nachzuahmen, also ohne ein Epigone von F. L. Stolberg zu sein. In seinem „Tagebuch der Natur" findet sich sein lyrisches Selbst bildnis, das die Kraft seiner Aussage, sooft man es nachlesen mag, stets neu erkennen läßt; sie durchzieht sein ganzes literarisches Werk, ein unmittelbar dichterisches Werk: Im alten Lederrock mit grünen Säumen, den Stock im Arm und meistens ohne Hut, so geh ich um, und mein Beruf ist Träumen, ist Wandern, Schauen, Träumen. Wer mir gut, läßt mich mir selber. Ich bin kein Genosse. Nicht Menschen such ich, Götter und Natur. Ich gönn euch Ruhm, Kaffeehaus, Gasse, Gosse, gönnt mir, dem letzten Dichter, Stille nur. Bäumt sich in diesen Versen nicht ein letztes Mal die Art der Vorfah ren unverfälscht auf, auch ein Wissender in einer geistigen Welt, die sich längst angeschickt hatte, alte Überkommenheiten abzubauen, eine Entwicklung, die dann zwei Weltkriege ins Extrem getrieben haben? Wir erleben diese Wandlung, die auch Keime der Zerstörung in sich hat, noch immer mit, ja wir stehen mittendrin. Der frühe Tod des Vaters und damit der notwendige Verkauf des Schlosses Sitzenthal fielen mit den ersten bewußten Lehr- und Wanderjahren zusammen, man kann sogar sagen, sie lösten sie aus. Vermutlich hätte der Lebensweg Hans von Hammersteins eine andere Richtung genommen, wenngleich nicht als Dichter. Bei böhmischen Jesuiten verbrachte er zum größten Teil seine Gymna sialjahre, nachdem er in einer Mädchenvolksschule begonnen und im Benediktinergymnasium zu Seitenstetten Schüler gewesen war. Maturiert hat er am Staatsgymnasium in Brixen. Dann ging er auf Reisen durch Italien und Deutschland. Ein Jusstudium (!) folgte in Wien, München und Marburg an der Lahn. Die Philipps-Universität Marburg, die erste protestantische Universität Deutschlands, eigen tümlich genug für einen Benediktiner- und Jesuitenzögling, war da mals berühmt, die Stadt als solche ganz auf die Studenten und ihr ul kig-flottes Leben eingestellt. Noch heute begleitet den Besucher dieser Stadt jene Zeit (und die noch größere vorangegangene, da Luther auf dem landgräflichen Schloß mit Zwingli über das Abend mahl disputierte), selbst die monströsen neuen Bibliothekstürme an der Lahn vermögen diese Aura nicht zu verdrängen. Zuletzt: Was blieb einem jungen Mann wie Hans von Hammerstein übrig, als in den österreichischen Staatsdienst einzutreten? 1905 kam er als Konzeptspraktikant in die Statthalterei Linz, absolvierte dann sein Einjährig-Freiwilligen-Jahr in der österreichisch-ungarischen Ar mee, selbstverständlich, seiner Herkunft gemäß, bei der Kavallerie. Mehrfach ausgezeichnet für Tapferkeit im Krieg rüstete er 1918 als Rittmeister ab. Vorher war er noch an den Bezirkshauptmannschaf ten Wels und Eferding, schließlich ein zweitesmal bei der Statthalte rei in Linz und von 1910 an der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf an der Krems tätig gewesen, die allgemeine Laufbahn, wie sie zum Beispiel auch Gustav von Festenberg, der Dichterfreund, durchlau-

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