Oberösterreich, 29. Jahrgang, Heft 2, 1979

Das Gymnasium von Kremsmünster Geschichte und Wirken P. Aifons Mandorfer Ü! Für das Stiftsjubiläum 1977 wurde die ge samte Klosteranlage von Kremsmünster ei ner gründlichen Renovierung unterzogen; sämtliche Stiftsgebäude wurden dabei au ßen und innen auf Hochglanz gebracht- nur ein Bau nicht: das GymnasiumI Von der hal ben Million Besucher, die im Jubiläumsjahr nach Kremsmünster gekommen sind, mag ein Gutteil mit einem gewissen Befremden am Gymnasium das Verwittern der Fassa den und das Abbröckeln der Gesimse wahr genommen haben. Ob aber tatsächlich je mand daran Anstoß genommen hat? Viel leicht haben die meisten Gäste die stiefmüt terliche Behandlung des Schulgebäudes recht begreiflich gefunden - ungefähr so, wie man es als Außenstehender versteht, wenn In einer Famiiie ein wenig anziehen des und unsympathisch wirkendes Kind we niger geliebt und daher schlechter behan delt wirdi Ist aber das Gymnasium in Kremsmünster für das Stift wirklich ein sol ches unsympathisches und deswegen un geliebtes Kind? Nun, in den knapp neunzig Jahren, die es jetzt steht, hat das Gymnasialgebäude viel lieblose Kritik einstecken müssen. Es ist ein historisierender Palastbau im Stil der Neu renaissance, von dem man lange empfand, daß er sich mit seinem (wie man sagte) falOben; Sternwarte und Gymnasium des Stiftes Kremsmünster, Stahlstich 1891 von R. v. Waldheim, hergestellt zur Einwei hung des neuen Gymnasialgebäudes. Aufnahme: Bundesdenkmalamt Wien Darunter: Blick in das Stiegenhaus des am 2. September 1891 eingeweihten Gymnasialgebäudes, eines bedeutenden Bauwerkes der Kunst des Historismus in Oberösterreich. Aufnahme: E. Widder ►ttifiti sehen Prunk nicht recht zur schlichten Vor nehmheit der übrigen Stiftsgebäude füge. Je kürzer freilich die Zeitspanne wird, die uns von den ominösen hundert Jahren trennt, bis etwas Altes zu einer,,Antiquität" wird, mit umso größerem Wohlwollen und Verständnis stehen wir dem Bau gegen über. Immerhin ist er eine Schöpfung des bekannten Linzer Architekten Hermann Krackowizer und seine Formen sind durch aus gefällig. Der ornamentale Schmuck ist keineswegs so überladen, wie man oft be hauptet hat. Und ohne eine gewisse Eigen persönlichkeit zu verleugnen, paßt das Gymnasialgebäude In der Tat gar nicht übel zum Ensemble der (auch sonst nicht einheit lichen) Baulichkeiten des Stiftskomplexes. Im Inneren ist die Schule durchaus zweck entsprechend; was man einst an ihr vor al lem kritisiert hat - die Höhe der Klassen zimmer, die weiten Gänge, das geräumige Foyer und das aufwendige Stiegenhaus -, darüber sind wir heute im Gegenteil eher froh, trägt es doch dazu bei, von Lehrern und Schülern das bedrückende Gefühl der Enge fernzuhalten. Ganz unrichtig indes wäre es, wollte man von der verzögerten Restaurierung des Ge bäudes auf ein gestörtes Verhältnis des Stif tes zum Gymnasium als Anstalt schließen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2