Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

Wilfried Kirsch!: Aibin Egger-Lienz 1868-1926. Das Gesamtwerk. Mit 835 Abbildungen. - Wien: Edition Tusch 1977, 756 Seiten mit 29 Farbtafeln und 360 Schwarzweißabbiidungen im Tafeiteii sowie 450 Kieinabbildungen im Werkverzeichnis und Dokumentationsteil, Format 33 x 25 cm, Leinen, farbiger Schutzumschlag, Schuber, La denpreis S 2200.-. Diese Künstlermonographie kann wohl als eine der vorbildlichsten Arbeiten auf dem gegenwärti gen österreichischen Kunstbuchsektor bezeich net werden. Ihr Umfang, der aus obiger bibliogra phischer Ankündigung zu entnehmen ist, erlaubt allerdings nicht viel mehr als eine Inhaltsüber sicht. Eine genauere Rezension würde eine selb ständige kunstwissenschaftliche Abhandlung er fordern, wofür in unserer Zeitschrift leider der Platz fehlt. Der Autor Wilfried Kirschl Ist selbst Maler. Inten siv beschäftigt er sich mit der Gegenwartskunst seiner Tiroler Heimat. Ila Egger-Lienz, die Toch ter des Künstlers - Ihr Bildnis, ,,auf einer Atelier staffelei sitzend", aus den Jahren 1919-1920 ge hört zu den Standardwerken der österreichischen Malerei des 20. Jahrhunderts -, urteilt treffend: ,,Es erscheint als eine Schicksalfügung, wie sie sich nur selten zeigt, daß Wilfried Kirschl sich nicht nur des kunsthistorischen Werkzeuges be dient, das er souverän beherrscht; Ihm-dem Ma ler-Ist es überdies auch noch möglich, als Künst ler zu urteilen. Als solcher erkennt und erschließt er Zusammenhänge, die dem reinen Theoretiker meistens verborgen bleiben . . ." Dabei meidet der Autor alle Euphorie, wie sich Begeisterung für eine Sache oft schwulstig und weitschweifig in einer Darstellung niederschla gen kann. Er hält sich ausschließlich an die Fak ten und an die Dokumente, die über Egger-Lienz in einem überreichen Maße vorhanden sind. Ent scheidend für Umfang und inhaltliche Qualität seines Buches wurde die Freigabe des schriftli chen Nachlasses von Egger-Lienz mit Briefen, Aufsätzen und Notizen. Dadurch wurden ihm völ lig neue Gesichtspunkte erschlossen. Interes sant Ist es, wie er diese vielen persönlichen Äuße rungen des Künstlers in seinen Text als Belege einbaut. Diese Zitate, auch drucktechnisch her vorgehoben, beleben die Lektüre sehr und ver mitteln dem Leser das sichere Gefühl der Objek tivität und Glaubwürdigkeit. Gelungen Ist Ihm auch die Identifikation von rund 500 bisher unbe kannten Werken, 265 Gemälden und 230 Zeich nungen und Aquarellen, die in ihrer Mehrzahl durchaus nicht als Varlanten oder Wiederholun gen zu werten sind, wie noch Dr. Heinrich Ham mer, der erste verdienstvolle Biograph des Künst lers, etwa 1927 oder 1938 meinte. Albln Egger-Lienz geboren am 29. 1. 1868 In Stribach, Gemeinde Dölsach, Osttirol, als unehe liches Kind einer Bauerntochter und eines Kir chenmalers, gestorben am 4. 11. 1926 In St. Justlna bei Bozen, hatte eine glückliche Jugend und fand auch zu Lebzelten viel Anerkennung. Seine Meisterschaft, sein ungeheurer Fleiß machten Ihn zu einem Malerheroen. Vor allem die Wandbilder In der Kriegergedächtniskapelle In LIenz aus 1925 begründeten seinen zeitgenössischen Ruhm. Ungerechtigkeit und Mißverstehen des soge nannten Zeitgeistes blieben aber auch ihm nicht erspart. Politische Entwicklungen, die Ihm völlig fremd waren, da er sie ja schon aus zeitlichen Gründen nicht kennen konnte, verzeichneten sein Andenken, verunsicherten seinen Nach ruhm. In seinem Heimatland Tirol hielt Ihm ein kleiner Kreis von Kennern und Fachleuten zwar stets die Treue. Besonders das Tiroler Landes museum Ferdlnandeum und das Heimatmuseum Schloß Bruck bei LIenz wußten um ihre Aufgabe einer guten Aufbewahrung des Erbes von Eg ger-Lienz. Ila Egger-Lienz erwies sich als eine gewissenhafte Nachlaßverwalterin. Das Jahr 1976 brachte dann mit den Gedächtnisausstel lungen zum 50. Todestag des Künstlers In der Wiener Secession und im Tiroler Landesmuseum eine geradezu sensationelle Wende. Nun formte sich ein Egger-Llenz-Bild, das für die Zukunft bleiben wird und diesen Maler unter die Großen der Kunst des 20. Jahrhunderts einreiht. Die Disposition dieser Künstlermonographie Ist übersichtlich und klar. Breiten Raum nimmt die Darstellung von ,,Leben und Werk" des Künstlers ein. Die Bilder von Egger-Lienz In Ihrer Bezie hung zum Schöpfer und zu Ihrer Umwelt bilden die M itte der Schilderung. Die belebende Wirkung der zahlreich eingestreuten autobiographischen Texte wurde schon erwähnt. Mustergültig und gewissenhaft Ist das ,,Werkver zeichnis" bearbeitet. Es umfaßt die Gemälde mit 667 Werknummern, die Glasfenster und Wand bilder mit sechs Werknummern, die Zeichnun gen, Aquarelle und Pastelle mit 574 Werknum mern und die Druckgraphiken mit 18 Werknum mern. Jeder Titel wird kunstwissenschaftlich er schöpfend dokumentiert. Bemerkenswert ist auch die alphabetische Übersicht nach Themen, die einen Eindruck der Universalität von EggerLienz vermittelt. Darauf folgen ,,Materlallen zur Wirkungsge schichte" mit Ausstellungverzeichnis 1888-1977, Statistik zur Ausstellungs- und Re produktionsfrequenz einzelner Werke, Literatur verzeichnis und Textbeispielen zur Wirkungsge schichte. Im ,,Dokumentarischen Anhang" sind Stammbaum und ein umfangreicher,,Biographi scher Kalender" zusammengefaßt. Einblick in die Arbelt des Künstlers gewähren die ,,Untersu chungen zur Bildkonstruktion bei Egger-Lienz", eine Darstellung, die man sich bei jeder Künst lermonographie wünschen würde. Einen wesentlichen Bestandteil des Werkes bil det natürlich die Bildausstattung, die dem Leser förmlich ein Egger-Lienz-Museum vermittelt. Hier kann er sich völlig selbständig der Betrach tung einer gewaltigen Bildwelt hingeben - begin nend bei dem dramatischen Historienbild ,,Das Kreuz" bis zur ergreifenden ,,Pletä" aus dem Sterbejahr. Hier kann er sich persönlich eine ge rechte Meinung über die schöpferische Phanta sie dieses Meisters bilden, dem es darum gegan gen ist, den Menschen und der Landschaft des Berglandes Tirol ein bleibendes bildnerisches Denkmal zu schaffen. Wir erleben In der Betrach tung der Abbildungen ein sehr eigenständiges, herbes Kunstwollen, zu dem man keine Verglei che suchen sollte. Egger-Lienz war ein selbstän diger Denker und Maler. Er hat seinen eigenen Stil entwickelt, der nicht wiederholbar ist. Er hat Werke von Ewigkeitswert geschaffen. O. W.

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