Oberösterreich, 28. Jahrgang, Heft 4, 1978

Die „Dichterstadt" Steyr Steyr wird üblicherweise als „Eisenstadt" bzw. als „Zweiflüssestadt" bezeichnet; daß man diesen Ort auch als „Dichterstadt" bezeichnen kann, mag manchem Nichtkenner der Stadtgeschichte als zu weit hergeholt vorkommen. Doch haben im Laufe der Jahrhunderte viele Dichter hier gewirkt, Steyr zum Mittelpunkt Ihrer dichterischen Schöpfungen gemacht, die Schönheit der Stadt und ihrer Umgebung gewürdigt. Im 12. Jahrhundert entstand im Benediktinerkloster Gleink der,,Antichrist", eine Handschrift, die das Auftreten des Welten feindes und das Jüngste Gericht zum Inhalt hat. In der ritterlich höfischen Zeit gehörten sicherlich zur Hofhaltung der Otakare Gelehrte, Dichter und Sänger. Von deren Werken ist leider nichts erhalten geblieben. In dem um 1250 in Tirol entstandenen ,,König Laurin" und auch in dem im späteren Ambraser Helden buch überlieferten mittelhochdeutschen Epos ,,Biterolf und Dietleib" wird die ,,Styraburg" als dichterischer und kultureller Mittelpunkt genannt. Nach dem Aussterben der Otakare 1192 und der Verlegung der Residenz wurde die kulturelle Bedeutung Steyrs stark beeinträchtigt. Der aus Steyr stammende Hofhistoriograph Maximilians I. Johannes Stabius wurde 1502 der erste ,,poeta laureatus". Das Antlitz des Dichters hat Albrecht Dürer in einem Holzschnitt des hl. Koloman überliefert. Der um 1530 In Steyr verstorbene Josef Grünbeck war mehr Dichter als Wissenschafter. Er verfaßte Komödien, die er mit seinen Schülern zur Aufführung brachte. In der wirtschaftlichen Bedeutung Steyrs lag die Grundlage der Meistersinger. 1562 gab es hier eine eigene Melstersingerschule. Severin Kriegsauer, der berühmteste österreichische Meistersinger, der fünfzehn eigene Weisen erfunden hatte, stand mit Hans Sachs in enger Verbindung. In den Streitigkeiten der Gegenreformation verstummte der Meistergesang In Steyr. Der Katholik Thomas Brunner (gest. 1571) pflegte das Schuldrama. Die meisten seiner Werke sind leider nicht überlie fert. 1566 widmete er sein Stück ,,Jakob und seine zwölf Söhne" der Stadt Steyr. Der Protestant Georg Mauritius (1539 bis 1610) dichtete deutsche Stücke, so 1582 ,,Grlsolda", 1595 ,,Das Spiel von allerlei Ständen" und ließ auch lateinische Werke aufführen. Die meisten seiner Dichtungen wurden nach 1624 Opfer der katholischen Visitationskommissionen. Im Zeitalter der Aufklärung schrieben Amand Berghofer und Alois Blumauer (1755 bis 1798) Satiren. Blumauers Travestie ,,Aeneis" zeigt die antiklerikale Einstellung des Exjesuiten. Sein Ritterstück ,,Erwine von Sternheim" wurde sogar im Burgtheater aufgeführt. Viele Gedichte des Steyrers Johann Mayrhofer (1787 bis 1836) wurden von seinem Freund Franz Schubert vertont. Adalbert Stifter hatte vor allem als Schulrat und Denkmalpfleger enge Beziehungen zur Stadt Steyr. Hier vollendete er 1856 den zweiten Band seines ,,Nachsommers" und setzte im folgenden Band der Stadt ein Denkmal. 1861/62 wirkte der Dichter Ludwig Anzengruber als Schauspieler am ,,alten" Theater in der Berggasse. Seit jeher wurde in Steyr auch die Mundartdichtung besonders gepflegt, so u. a. von Anton Schosser, Adalbert Sadleder, Anton Berlinger. Sepp Stöger, Karl Mayr-Frelnberg, Gregor Goldbacher, Josef Vinzenz Grossauer, Otto Jungmair, Anna Zelenka und Wilhelm Schaumberger. Auch Enrica von HandelMazzetti machte Steyr zum Schauplatz mehrerer ihrer breit angelegten Romane. Die reizvolle Altstadt Steyrs hat nicht nur Dichter zu Schöpfungen angeregt, sondern lockt auch Besucher aus nah und fern ah, erfreut diese und ladet zum längeren Verweilen ein. Volker Lutz f. • Die renovierte Marlenkirche - 1642 bis 1647 frühbarock umgestaltet - setzt einen bemerkenswerten Akzent in der Altstadt Steyrs. Foto: Hartlauer Auskünfte über kulturelle Veranstaltungen: Kulturamt der Stadt Steyr, Tel. 0 72 52/39 81 /432. Volkshochschule der Stadt Steyr, Tel. 0 72 52/39 81 /431. Weitere Informationen bzw. Prospekte: Fremdenverkehrsverband Steyr, Tel. 0 72 52/32 29. Alle 4400 Steyr, Rathaus.

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