Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

dem stand breit und butterblumengelb das Bauern haus, das uns einmal gehört hatte und verkauft wurde — bis auf den Geländestreifen, der zum An bau untauglich war und nur Sand und Schotter hergab. „Wir haben nicht mehr weit. Setzen wir uns wieder auf — oder schieben wir das Rädel im Gehen?" Wir schoben es. — Die Falkenmauer wuchs aus den Wie sen und schrieb sich mit zackigem Kamm in den Himmel. In der Einsenkung droben wußten wir das „Törl" im Fels, durch das man ins Almtal hinunter schaut. Alle Berge wußten wir zu nennen. Das Warscheneck schien das Tal abzuriegeln. Das Weiße dahinter mußte der Priel sein. Der Große oder der Kleine? Wunderbar war diese Landschaft, nirgends konnte es schöner sein! Und dann standen wir vor Danners Haus. Weiß leuchtete es her, nicht groß, freilich, aber mit dem kleinen Vorgarten lieb anzuschauen. Die Räder lehnten an der Stadelwand. „Grüß euch, Leute — wir sind da!" riefen wir ins Vorhaus hinein. Wir bogen bereits um Zaun und Hag, als uns der Platz meister nachkam. Die Frau schickte auch den Buben mit. Bloßfüßig kam er gelaufen, im bodenscheuen Hösel, mit achtbar zugeknöpfeltem Hemd. Be grüßung. Handreichung zwischen den ungleichen Männern. Suchende Blicke über die Grube hin, die schon breit und ausgeweitet dalag, seitwärts zu Steil wänden aufgeböscht, auf dem Boden von Hufschlag und Radspur gezeichnet. Schon viele Schotterfuhren waren von hier nach Kirchdorf gegangen. — Was aber wollten wir eigentlich sehen? Ich hielt Ausschau nach den Helden meines Sagen buches und deren aufgehäuften Schätzen, obwohl ich doch wissen mußte, daß Siegfried im Wasgenwalde getötet worden und zu Worms am Rhein begraben war. Daß Dietrich von Bern in seiner Burg zu Raben als verschollen galt. Daß der treulose Wittich mit seinem Roß in die Brandung gesprungen und von der Meerfrau Waghilde hinabgezogen worden war .. . „Franzi", sagte ich zu Danners Buben, „hast du sie gesehen? Die toten Helden, meine ich." „Ja, den Riesen", gab er zur Antwort. Atemlos fragte ich weiter „Den Riesen? Wie groß war er denn?" — „Zwei Meter", gab er trocken und sachlich zur Ant wort. „Ist denn das genug für einen Riesen?" forschte ich weiter und war enttäuscht. „Die anderen sind kleiner — drum schaut er mehr gleich", belehrte er mich überlegen. „Und wie hat er ausgesehen?" „Waren ja doch nur noch Beiner da und der riackerte Schädel." — „Aber seine Rüstung?" „Ein Schwert hat er neben sich gehabt und komische Sachen waren ausgestreut, ganz schwarz vom langen Liegen unter der Erde. Die Studenten sagen, man kann ein wildes Tier darauf sehen, sechsmal das gleiche, und das war auf einen Gürtel genäht oder so. — Es hätte der Teu fel sein können — ich bin weggerannt." „Warst schön feig' ", glaubte ich noch sagen zu müssen. Dann war ich still und dachte nach. Inzwischen war die Unterhaltung meines Vaters mit dem Danner ziemlich laut geworden. Es muß Ärger gegeben haben, der eine sah böse, der andere ver stockt darein. „So geht ihr mit den Funden um", hörte ich zornig rufen, und sah, daß der Deckel des Fasses abgenommen worden war, das da im Wege stand. Empört wies mein Vater jetzt auf den trost losen Inhalt: „Habt ihr denn das Gebein da absicht lich zerbrochen und die Schädel eingeschlagen? Sogar die Zähne fehlen in den Kiefern!" „Herr Baumeister, das ist so", versuchte der Vorarbeiter betroffen zu erklären: „Die ,Sommerfrischler' von Micheldorf, die kommen voller Neugier, jeden Tag, und immer wol len sie was zum Andenken mitnehmen! Was sollen wir denn tun? Die paar Münzen aus der alten Zeit, die eh nichts mehr gelten, und die rotglanzigen Scherben sind uns bald zu wenig geworden, da ließen wir ihnen die Zähne, die ihnen so gefielen, weil sie noch so stark und ohne Fäulung waren." Er suchte es von der heiteren Seite zu nehmen: „Das müssen gesunde, junge Leute gewesen sein!" — „Eben dar um!" fuhr der Vater auf. „Seid ihr denn ganz ver nagelt? Münzen — römische Münzen vielleicht, wie beim Bau der Kremstalbahn! Schädel mit gesunden Zähnen! Etwas Besseres könnten sich ja die Alter tumsforscher gar nicht wünschen! Und woraus sollen sie jetzt auf das Alter der Toten, auf ihre Zeit und Herkunft schließen? Bis der Landeskonservator kommt, den ich angefordert hab', ist überhaupt nichts mehr zu sehen! Haben sich denn auch die zwei Studenten nicht gemeldet, die ich euch heraus ge schickt habe?" — „Freilich, die, von der Hohen Schul', die das Altertum lernen", rief der Danner jetzt wie erlöst. „Sind recht anstellige Burschen, die zwei. Und fleißig! Immer schon will ich von ihnen reden — und was sie herausgebracht haben. Morgen wäre ich damit zu euch hineingekommen. Oder nimmt's der Herr Baumeister selber gleich mit? Müß tet halt mit dem Zug zurückfahren!" — „Wo ist es denn nun eigentlich", ging die Gegenfrage. „In mei nem Häusel ist alles — meine Frau hat's abgeputzt und aufgehoben." Wir verließen die Schottergrube, wir gingen den Weg zurück in des Danners kleines Haus. Franzi lief nebenher und machte sich wichtig. „Wenn einer drinnenliegt, schaut der Sand ganz anders aus", suchte er mir zu erklären; „wie ein grauer Sack, der herabhängt." Der Vater hörte herüber und sagte vor sich hin: „Der Humus. Die Totenerde" — „Ja, von der Seite muß man ihm beikommen, nicht von oben", behauptete der Mann, den der Vater als Platzmeister aufgestellt hatte und der sich doch so unkundig

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