Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

j it s s n » ' '.«1! Die einstmals gegen den Inn und die Enknach — Schiffsbauer- und Ländeaniagen — gerichtete Enknachseite von Braunau am Inn. Diese Häuserfront ist in ihrer Erhaltung durch Jahrzehnte vernachlässigt worden, im Zuge der Bemühungen um das äußere Stadtbild ist heute wieder die eindrucksvolle Großform dieser einst wehrhaften Silhouette erkennbar. Foto: W. Baier /x' -'A' ' / /;j t ' t*' ' » / » . w Die Altstadt von Braunau am Inn ist im Bereich der ehemaligen Umwailung als gotische Stadt erhalten geblieben. Die weitere — künftige — Erhaltung der Stadtgestalt wird durch detaillierte Bebauungsvorschriften sichergestellt. Foto: Bundesamt für Eich- und Vermessungssleht man, wie in den Bauernhof ensembles die Silos als Fremdlinge in die Höhe wachsen, wie große Fenster ausgebrochen werden, wie in den Städ ten die alten Gewölbe fallen und reiche Putzfassaden in den Dörfern hinter Allerwelts-Plattenverkleidungen verschwin den. Weniger deutlich sichtbar sind der funktionelle Verfall und die Verfremdung: Die Scheunen und Remisen sind voll gestopft mit utopisch anmutenden Gerä ten in allen Farben, aus Bürgerhäusern neben dem Goldenen Dachl in Innsbruck tönt die Musik des Balkans, denn hinter barocker Zier ist das moderige Wohnen nur mehr für die Gastarbeiter attraktiv und auch die altstadtadäquaten Spezialformen von Handel und Gewerbe ziehen der Wohnbevölkerung in die Neubauvier tel nach oder sterben einen unbemerkten Tod. In dieser so beklagten Phase einer völli gen Umstrukturierung ist besonders durch das Europäische Denkmalschutz jahr 1975 eine Gegenbewegung entstan den, die weit über den traditionellen Denkmalschutz hinaus das Gesicht unse rer historischen Ensembles für die Nach welt erhalten will. In Österreich, wo der Ensembleschutz in die Legistik nur schwer Eingang findet, weil die Funktion des Bürgermeisters als Baubehörde erster Instanz nicht aus gehöhlt werden soll, haben Wien und die Landeshauptstädte unabhängig davon bereits historische Schutzzonen ausge wiesen und beschlossen. Wien dominiert mit 950 Hektaren vor den Landeshaupt städten, die derzeit zusammen 414 Hektar Schutzzonen haben. Für die Klein- und Mittelstädte fehlt noch in weiten Berei chen die gesetzliche Grundlage, aber noch häufiger die Bereitschaft und Ein sicht in die Notwendigkeit der Auswei sung solcher Zonen. Der Schutzzonen atlas des Bundesdenkmalamtes aus dem Jahre 1970 ist zwar ein praktikables In strument, aber einerseits ohne jeder fak tischen Konsequenz und beinhaltet außerdem nur die Hälfte der in Frage kommenden Ensembles. Er gibt jedoch Auskunft, daß die Mittel- und Kleinstädte mit geschätzten 5700 Hektaren an schüt zenswerter Altstadtfläche das eigentliche und gewichtige Problem darstellen. Es sei noch angemerkt, daß das Gesicht unseres Landes ebenso tief im dörflichen und landwirtschaftlichen Einzelgehöft und den Wirtschaftsformen begründet ist und gerade dort Gefahr besteht, daß die ver ändernden Kräfte stärker sein werden als die Bremse der nostalgischen Erhaltung. Das Beispiel Braunau am Inn Die Stadt Braunau am Inn ist wie Krems an der Donau, durch den Bau der Eisen bahnen vom Niedergang der Schiffahrt betroffen, durch viele Jahrzehnte in einen wirtschaftlichen Schlaf gefallen. Durch diesen Umstand wurde die alte Bausub stanz auch nicht wesentlich verändert und blieb als ,,die gotische Stadt" erhalten. Durch die Gründung der Aluminiumwerke Ranshofen-Berndorf AG auf Braunauer Gemeindegebiet und die allgemeine Wohlstandsphase seit dem zweiten Weltkrieg wurde dieser Schlaf unterbro chen und durch Veränderung besonders der erdgeschossigen Geschäftsbereiche so manches an der historischen Gestalt zerstört. Das erste Lebenszeichen einer Gegen bewegung zur Fortschrittseuphorie wurde anläßlich der 700-Jahr-Feier 1960 gege ben, als durch eine Färbelungsaktion und andere nostalgische Aktivitäten erstmals wieder ein Altstadtbewußtsein geweckt werden konnte.

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