Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 2, 1976

Landeskunde Oberösterreich — letztes Refugium in zwei Weitkriegen Harry Slapnicka Die beiden Weitkriege, der erste der Jah re 1914 bis 1918 und der zweite der Jahre 1939 bis 1945, zeigen für Oberösterreich bemerkenswerte Paralielen, gewiß auch manche wesentiiche Unterschiede. In beiden Weitkriegen zählte Oberöster reich — hier gewiß nur noch vergleichbar mit manchen bayerischen Gebieten — zu jenen Ländern bzw. Bundesiändern, die am weitesten von aiien Fronten entfernt iagen. Besonders kraß wurde dies im ersten Weltkrieg spürbar, ais West-, Ostund Südfront bis zuletzt viele Hunderte Kilometer von Oberösterreich entfernt ia gen. Auch im zweiten Weitkrieg war dies die Situation bis zur vorletzten Phase. Der Unterschied zum ersten Weltkrieg bestand jedoch darin, daß das Land zum Schluß selbst Kriegsschauplatz wurde und hier praktisch der Krieg zu Ende ging, aber auch, daß schon vorher der Luft krieg, zumindest über den Industriezen tren des Landes, eingesetzt hatte. Die weite Entfernung von allen Fronten im ersten Weltkrieg, zweifellos auch die gegenüber anderen Ländern eher gün stige Verkehrs- und Ernährungslage führten dazu, daß man nach 1914 alle nur möglichen militärischen Einheiten, Er satztruppenteile und sonstige Komman dosteilen nach Oberösterreich verlegte. So war es bezeichnend, daß bei Kriegsende, also im November 1918, nicht weniger ais 49 militärische Einheiten in Oberösterreich stationiert waren, darun ter keineswegs nur solche, die zu den normalen Ersatzeinheiten zählten, wie etwa die Garnisonsgroßschiächterei, das Landwehr-Brigadegericht, die Eisenbahn überwachungspatrouillen oder die ,,Pferdereserve". Wir finden hier in Ober österreich die Ergänzungskommandos von Trient und Brixen, eine militärische Häutesammeistelie, eine ,,Radiostation Steyr"; Braunau war Standort der von Pola verlegten Marine-Akademie, in Linz gab es einen militärischen Leiter der Austria-Werft; weiters in Oberösterreich stationiert waren die griechisch-orienta lische Miiitärseeisorge, die Miiitärzensur für periodische Druckv/erke. Viele andere Einheiten, wie etwa die tschechischen „Schützen 28", waren ,,ohne Zurücklas sung eines Detachements abgegangen". Im zweiten Weitkrieg schien die Situa tion — zumindest bis zum Sommer 1944, also in den ersten fünf Kriegsjahren — ähnlich. Der damalige ,,Gau Oberdonau" wurde vorerst mit Kindern und Frauen aus den bombengefährdeten Gebieten, dann mit Flüchtlingen aus dem Nord osten und dem Südosten, schließlich mit Dänemark r.e' + ++++y V/ /k "+ + +.+ + + + N iederlande\ Berlin ^ i 'V+ + + + +®+ + +/:::vZv®:.wa's<;hauv.v^^ //////v'i- + + + + *'++ '^/////^+++++1++++++++++1V /^//////^ + + + + H- + + + + + + + + 4 +1 '^//////Ai + + + +>+ + + + + + + + + + '//////7A++++-?.++++++++^ + ^/ // / ////{■ + + +■ + \ + Wien* + + + + + + ' Frankreich + +/++,4, + + + + + + S ''///////^ 1 + + ++®+++++++^ . + + Ä "L ij" it "*■ "*■ \ '^///////'a /r\ +.-^ + +Osterreich - Ungarn + -»\ l '/////// + -r *t* *t- *t* + -e + + +K.....i^. //////// + + + + + + + + r + + + + + Rumänien \ 4. + 4. Bukarestviv/!-!- Russisch ■I es Reich'' Bulgarien^'V Alb. v:v:v:iv.: solchen aus den ostösterreichischen Ge bieten und nicht zuletzt auch mit „Fremd arbeitern" und Konzentrationslagern voll gestopft, weniger allerdings ais 1918 mit militärischen Ersatzeinheiten, dafür mit jenen seit 1939 aufgebauten Rüstungs industrien, die gemeinsam mit dem Pils ner Rüstungszentrum die letzten Panzer für die zusammengedrängten Ost- und Westfronten zu liefern hatten. Verhungern in der „Alpenfestung"? Natürlich hatte man sich auch im ersten Weltkrieg — in Österreich wie in Italien — an den Alpen festgekralit, längst aber waren im Jahre 1918 Hunger und Ver sorgungsschwierigkeiten die Hauptpro bleme an der Front wie in der Heimat geworden. Wie sehr noch nach Ende des ersten Weitkrieges die Versorgung des Salzkammergutes mit Lebensmitteln ein Problem war, zeigt etwa ein Aufruf des Arbeiterrates von Bad Ischl vom Februar 1919, in dem von ,,Erleichterun gen der Lebensmitteikontrolien für die nach Bad Ischl persönlich überbrachten Lebensmittel", im Unterschied zu den sonst strengen Bahnhofskontroiien der ,,Räte", gesprochen wird, weil die ,,Approvisionierung" von Bad Ischl vor dem Zusammenbruch stehe. Auch die Feind seligkeiten gegenüber Menschen, die sich hierher zurückgezogen hatten und viel fach schon Jahrzehnte im Saizkammer- +^+^+ + + X+ + + + + + f + + + + + + + + + + + + + + + + -Türkei" +^+,+ i-— + + + + + + + + + + + + + + + + + -H -r + + + + + + + + + + + gut wohnten, sprach eine deutliche Spra che. Der Plan einer ,,Alpenfestung" aus der Endphase des zweiten Weitkrieges muß natürlich anders gewertet werden, als die Endphase des ersten Weltkrieges: Von Italien, Jugoslawien und Un garn drängten die Soldaten zu den Al pen und ihren Vorbergen, erhofften sich hier ausgebaute Stellungen und eine ge wisse Sicherheit nach den Kämpfen in der Ebene des Po und im Partisanenge biet. Aber schon die aus Italien kommen den Soldaten, die in den letzten Kriegs monaten keinerlei Lebensmitteilieferungen mehr erhalten und fast alles requirieren mußten, sahen einer „Aipenfestung" ebenso skeptisch ent gegen, wie die in Oberösterreich ver teilten Reserveeinheiten. Vielleicht war es nur die propagandistisch bewußt über bewertete Formel von der ,,Alpenfe stung", die die Amerikaner in der Schluß phase des zweiten Weitkrieges ihre Eu ropa-Planung über den Haufen werfen und einen Wettiauf nach Bayern und Tirol, aber auch nach Salzburg und nicht zuletzt Oberösterreich antreten ließ. Ein Rückzug sämtlicher Einheiten aus Italien, Jugoslawien, Ungarn und dem ost-österreichischen Raum — insgesamt zweifellos mehr als eine halbe Million — hätte in al lerkürzester Zeit zu einer beispiellosen Verpfiegskatastrophe im Aipenraum füh-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2