Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 2, 1976

Die andere Barockkuitur Erasmus der Jüngere von Starhemberg (1595-1664) Literatur, Protestantismus und Toieranz Georg Heiiingsetzer Umweit und Jugend Mit dem Begriff „Barock" verbindet man unwillkürlich die Vorsteilung von prunkvolien Opern, von Herrscherresidenzen, Adeispalästen, aber auch großzügig angeiegten Kloster- und Kirchenbauten. Ge rade an kirchlichen Bauten aus dieser Epoche ist Österreich besonders reich und es gibt kaum eine größere Sied lung, wo nicht eine barocke Kirche oder Kapelle anzutreffen ist. Diese Ausstrah lung in die Breite aber hat bewirkt, daß der Barock die Volkskultur bis in unser Jahrhundert geprägt hat. Für den öster reichischen Staat als ,,Weltmacht des Ba rock" war diese Epoche politisch be deutsam und kulturell eine der fruchtbarstenk Auch in Oberösterreich, das ja auf eine großartige spätgotische Tradition zurück blicken konnte, begann seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wieder eine kirch liche Bautätigkeit. Dazwischen aber lag die Zeit der adelig-protestantischen Stände, die ihre ererbten mittelalterlichen Burgen zu prächtigen Schlössern umbau ten, dort wertvolle Bibliotheken anlegten, ihre Söhne an ausländische Universitä ten zum Studium sandten und bedeu tende Gelehrte ins Land beriefen. Es entstand so eine vom Geiste des Pro testantismus geprägte humanistische Adelskultur, die sich stark von anderen Kulturkreisen, vor allem von der in den Dörfern vorherrschenden bäuerlichen Volkskultur, abhob. Als dieser selbstbe wußte Adel jedoch zu offener Rebellion gegen den Landesfürsten überging und sich unter der Führung des Calviners Georg Erasmus vonTschernembI den Auf ständischen in Böhmen anschloß, kam es zur Katastrophe. In der Schlacht am Wei ßen Berg bei Prag (1620) triumphierte eine habsburg-wittelsbachische Koalition über die böhmischen und österreichi schen Rebellen. Von nun an war es mit einer eigenständigen Politik und somit auch mit der Möglichkeit einer wirkungs vollen Tätigkeit in ständischen Diensten vorbei. So kam es, daß der Kaiserhof in Wien zum Zentrum des österreichi schen Adels wurde, der aus allen habsburgischen Erbländern kam, was zur Bil dung einer gesamtösterreichischen Ari stokratie geführt hat. In Oberösterreich wurden 1627 auch die bisher privilegierten Adeligen vor die Al ternative gestellt, entweder katholisch zu werden oder zu emigrieren. Es wurde von Seiten des Landesfürsten, des Kai sers Ferdinand II., dabei besonders dar auf hingewiesen, daß die Empörungen der letzten Jahre durch den ,,Unterschied und Disparität in religione" bewirkt wor den seien^. Alle Versuche des früher so erfolgreich praktizierten Verzögerns und Taktierens durch die Betroffenen brachten nur einen kleinen Aufschub, die Entscheidung zugunsten einer einheitli chen Konfession im Lande war gefallen. Auf Grund dieser Tatsachen wählten viele Adelige die Emigration, viele „akkommodierten" sich aber, wenn auch zu nächst vyohl mit innerem Vorbehalt. Aber die nächsten, in rein katholischem Geist erzogenen Generationen wurden zu je nem stärker der Dynastie und dem Hof verpflichteten Adel, der nicht mehr nur in einem Erbland seine Besitzungen hatte. Trotzdem wurden die äußeren For men der ständischen Verfassung beibehalfen und durch oftmals beachtliche Gü terkomplexe stellte der Adel nach wie vor einen bedeutenden Machtfaktor dar. Einer, der diesen Weg bewußt nicht ge gangen ist, war Erasmus von Starhemberg^, der Jüngere, wie er sich, um von seinem gleichnamigen Onkel unter schieden zu werden, nannte. Er war noch vor der Jahrhundertwende, am 13. Mai 1595 zu Riedegg zur Welt gekommen und durch Geburt und Abstammung dem protestantisch-ständischen Adel des Lan des ob der Enns zugehörig. Sein Vater Reichard (f 1613)" war einer der engsten Vertrauten Tschernembls und diesem auch verwandtschaftlich verbunden. Er gehörte ebenfalls zu jener ihrer Aktivi tät wegen so wirksamen calvinistischen Minderheit und zeichnete sich besonders durch seine vielfache diplomatische Tä tigkeit aus. So war auch er es, der die Kontakte zum Fürsten Anhalt knüpfte, was später für seinen Sohn Erasmus wichtig werden sollte, als man sich noch mehr als drei Jahrzehnte nach Reichards Tod in Anhalt seiner erinnerte. Erasmus, der Mittlere von fünf Söhnen, hat ebenso wie seine Brüder eine vor zügliche Erziehung genossen. Nach dem frühen Tode des Vaters wachte dessen Vetter und Freund TschernembI über die Fortschritte der Ausbildung und griff auch einmal ordnend ein, als der junge Herr ein allzu lockeres Leben zu führen begann=. Großer Wert wurde auf die geistige Ausbildung gelegt und es war üblich, daß ein junger Adeliger verschiedene hohe Schulen im Ausland besuchte. Ent sprechend der religiösen Einstellung sei ner Familie wurde Erasmus nach Herborn geschickt, einer von den Grafen von Nassau, mit denen man verwandt war. gegründeten Universität. Hier wirkten be deutende Gelehrte, die zum Teil eine gemäßigt calvinische Richtung vertraten, was den jungen Mann entscheidend ge prägt haben dürfte. Aber schon sein Va ter Reichard hatte nicht nur gute Kon takte zu den Glaubensgenossen unter halten, sondern auch zu einzelnen Katholiken, wie dem mächtigen kaiser lichen Minister, dem Grafen Leonhard Helfrid von Meggau. Auch der mährische Landeshauptmann Karl von Zierotin, eine der in jener Zeit selten anzutreffenden irenischen Naturen, hatte ihn beeindruckt, sosehr, daß er sich äußerte, er wolle ein Mitglied der von Zierotin vertretenen mährischen Stände und von dessen Glau bensgemeinschaft, den Böhmischen Brü dern, werden. Diese standen zwar dem Calvinismus nahe, waren aber doch ge mäßigter und gegen die Anwendung von Gewalt. Die Bewunderung des Vaters für Zierotin hatte auch dazu geführt, daß Erasmus und sein jüngerer Bruder Kas par bei den Böhmischen Brüdern in Eibenschitz erzogen wurden und dort die Grundlagen ihrer Bildung erhalten hatten (1607-1611)". Es folgte der schon erwähnte Studien aufenthalt in Herborn, aber auch Mar burg wurde häufig besucht und 1612 reiste Erasmus nach Frankfurt, um der Kaiserkrönung des Matthias beizuwoh nen. Im Jahre 1615 finden wir ihn dann in einer anderen berühmten Universitäts stadt, in Leyden, wohin er über Heidel berg gekommen war'. Die folgenden Jahre scheint er wieder hauptsächlich in der Heimat zugebracht zu haben und im Jahre 1620, dem Jahr der Entscheidung im Kampfe der prote stantischen Stände gegen den Landes fürsten, weilte auch Erasmus vorüberge hend bei den protestantischen Ständen Niederösterreichs in Horn". Aber schon bald begab er sich wieder auf die Tour, die diesmal Italien zum Ziele hatte. Wie der besuchte er zwei Universitäten, Siena und Padua, wo er unter dem Datum des 20. Juli 1620 in der Universitätsma trikel eingetragen ist'. Er hat auf dieser italienischen Reise aber auch andere Städte besucht und sich längere Zeit in Rom aufgehalten. Das Jahr 1623 verbrachten Erasmus und seine Brüder dann hauptsächlich in Wien, als es darum ging, in Angelegenheiten der starhembergischen Besitzungen Ver handlungen zu führen, denn viele Mit glieder der Familie hatten sich an der ständischen Rebellion beteiligt und der

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