Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

zieht. Daß Grüll diese Hemmnisse trotz dem irgendwie meistern konnte, ver dankte er im eigentlichen Sinne zwei ver ständigen und stets hilfsbereiten Men schen. Allen voran darf hier seine Gat tin Katharina, geborene Straßer, eine Bauerntochter aus Pergkirchen, die er schon in sehr jungen Jahren geheiratet hatte, genannt werden. Viele alltägliche Dinge räumte sie ihm aus dem Wege und trug durch ihr Verständnis dazu bei, daß Grüll seiner eifrigen Forschertätigkeit in dem Ausmaße nachgehen konnte, wie es eben seiner linneren Neigung ent sprach. Zum andern muß hier eines Man nes gedacht werden, der schon frühzeitig auf den jungen Heimatforscher aufmerk sam geworden war, Lanidesarchlvdirektor Dr. Ignaz ZIbermayr, der Grüll reichlich mit Archivmaterial und Literatur versorgte. Freilich war jedesmal ein zwei stündiger Fußmarsch erforderlich, um die in Gaflenz angekommenen Pakete heim zubringen. Während seiner Berufslaufbahn als Leh rer, die man auch als die erste Schaffens perlode Grülis bezeichnen kann, sind in der Zeit, in der er auf dem Lande weilte. Immerhin zwei selbständige Veröffentli chungen, darunter das ,,Gaflenzer Hei matbüchlein" (1929), und bei 80 Aufsätze kleineren und größeren Umfanges er schienen, fürwahr eine reiche Ernte trotz unzureichender Voraussetzungen. Man che dieser Arbelten, alle quellenmäßig wohlfundlert, hatten frühzeitig nach dem Einsetzen der Kritik (Gottfried Edmund Frieß) Ihre Feuertaufe zu bestehen und ihre Bewährungsprobe abzulegen, bis sich die Überzeugung breit machte, daß der bescheidene Heimatforscher ernst zu nehmen war. Alle diese Arbelten aber betrafen im wesentlichen die zwei Bereiche, in denen Grüll als Lehrer seine Tätigkeit ausübte; das untere Mühlviertel und den Raum um Gaflenz-Weyer. Es ist deshalb auch kein Zufall, daß der unermüdlich arbeitende Heimatforscher während dieser Zeit die Vorarbeiten für seine beiden ersten bedeutenderen Publikationen schuf, die er diesen Gebieten widmete, die ,,Ge schichte des Schlosses und der Herr schaft Windhaag bei Perg"(1937) und die „Geschichte des Garstner Urbaramtes Gaflenz-Weyer" (1942). Diese grund legenden Veröffentlichungen vermitteln vor allem die bemerkenswerte Tatsache, daß sich Grüll als Autodidakt bereits um fassende Kenntnisse auf dem Gebiet der Herrschaftsgeschichte angeeignet hatte, was um so mehr mit Erstaunen zu be trachten ist, als er ein bis dahin kaum beackertes Gebiet betrat. Im Jahre 1937 verließ Grüll die Ab geschiedenheit in der ,,Gschnoadt" und übernahm in erster Linie wegen der Aus bildung seiner Kinder einen Posten In Linz und wurde seit 1938 Oberlehrer, ein Titel, der später zu einem Begriff für seine Persönlichkeit geworden Ist (während der 1962 ihm verliehene Professortitel sich nicht durchzusetzen vermochte). Wer eben für seine wissenschaftlichen Ambi tionen Rat und Hilfe brauchte, wurde ganz einfach an den ,,Herrn Oberlehrer" verwiesen. In Linz fand Grüll vorerst einen neuen Wirkungsbereich durch die Übernahme der Leitung der ,,Arbeits gemeinschaft für Sippenforschung und Sippenpflege". Das Hineinfinden in diese Aufgabe fiel ihm natürlich leicht, denn das Arbeiten mit den Pfarrmatriken war ihm ja schon lange geläufig. Als wesent liche und bedeutsame Frucht erschienen 1939 die heute noch unentbehrlichen zwei Bändchen über die ,,Matriken in Ober donau". Neben manchen Aufsätzen auf dem Gebiete der Sippenforschung be faßte sich Grüll, unterstützt auch von sei ner Gattin Katharina, mit volksgenealogi schen Problemen auf Grundlage der Matrlken. Die Wahl fiel, wie könnte es an ders sein, auf die alte Wlndhaager Pfarre Pergkirchen (aus der er sich bekanntlich seine Gattin geholt datte and wo sein „alter Herr" Schulleiter war):und auf die Garstner Rfarre Gaflenz. Hier kannte er ja jede Einzelheit, beide Orte hatte er bereits mit verschiedenen Aufsätzen bedacht. Wie Georg Grüll schon als Mittelschüler als Freiwilliger die alte Donaumonarchie verteidigen helfen wollte, so wurde er auch wahrend des Zweiten Weltkrieges von Kriegsdiensten nicht verschont. Er war 1939, 1942 und 1944—45 im Einsatz und kehrte schließlich 1946 aus der eng lischen Kriegsgefangenschaft heim. Grüll gehörte zu den Bejahern des Großdeut schen Reiches; die Wurzeln zu dieser Einstellung lagen In einer gemäßigt libe ralen Familientradition, der er Immer ver haftet war und die auf ein erschütterndes Geschehnis am Passauer Hof zurückgeht, dem einer seiner Ahnverwandten zum Opfer gefallen ist. Grüll blieb auch wäh rend der nationalsozialistischen Zeit in erster Linie immer Mensch und ließ vor allem die mit ihm in der Heimatforschung gleichgesinnten Freunde nie im Stich, wenn sie in Bedrängnis waren. Bei Grüll zählte stets die ehrliche wissenschaft liche Arbeit, ganz gleich, aus welchem polltischen oder weltanschaulichen Lager der Forscher kam; diese Einstellung hat er nie verleugnet. Dies Ist auch der Grund, warum Grüll zu keiner Zelt ein seitig wurde und auch keineswegs den Boden unter den Füßen verlor, denn dies widersprach allein schon seiner angebo renen Güte und Hilfsbereitschaft, die er als ausgezeichneter Pädagoge stets prak tizierte. Bitter schmerzte es ihn, wenn Menschen, denen er aus aufrichtiger Überzeugung geholfen hatte. Ihn nach 1945 nicht mehr kannten. Das Jahr 1946 wurde für Grüll ein Schick salsjahr, das seinen Lebenweg, eigentlich so recht bis zu seinem Ableben, bestim men sollte. Aus der Gefangenschaft heim gekehrt, stand er vor dem Nichts, denn die Entlassung aus dem Schuldienst war erfolgt und seine Wohnung in fremde Hände gelangt. Als er Im Oberösterrei chischen Landesarchiv seine deponierten Stoffsammlungen und Manuskripte ab holen wollte, vollzog sich jene schlcksalshafte Wendung, der ein seltenes Bei spiel menschlicher Größe vorausgegan gen war. Nachdem Ignaz ZIbermayr das widrige Geschick Grülis zur Kenntnis ge nommen hatte, meinte er In seiner be kannt lapidaren Kürze: ,,Kumans hält zu mirl" Damit war eine Entscheidung ge fallen, die den so verdienten Menschen anfänglich als Hilfsarbeiter, seit 1954 aber als Vertragsbediensteten des Gehobenen Fachdienstes an das Oberösterreichische Landesarchiv band. Diese schicksalshafte Wende leitete die zweite Schaffensperiode Grülis ein. Jetzt war er In seinem Element und konnte all das verwirklichen, was seiner inneren Neigung entsprach und vermochte oben drein die ihm erwiesene Großmut seines Direktors in überreichem Maße zu beloh nen. Gewaltige Massen gefährdeter oder bereits deponierter Archivbestände harr ten der Konservierung und Ordnung: Freistadt (Stadt und Herrschaft), Wein berg, Waidenfels, Lambach, Greinburg, Schwertberg, Steyr usw. Grüll ging mit unnachahmlichen Einsatz an die Bewälti gung dieser Arbeit heran, entwickelte eine einmalige Fertigkeit Im Ordnen selbst der umfangreichsten Archiv bestände, die nur ein Staunen hervor rufen kann. Das Oberösterreichische Landesarchiv hatte In Ihm einen Mann gewonnen, der in seiner aktiven Zeit bis 1965 und dann während seines ,,Ruhe standes" bis zum Vorjahr wesentlich dazu beigetragen hat, daß dieses Institut un zweifelhaft zu den bestausgestatteten dieser Art in Österreich zählt. Mit seiner

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