Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

fung noch eingehender gewürdigt wer den als zuvor. Das ursprüngliche Aus sehen des Altares kann man nach den Formaten der Tafeln so weit rekonstru ieren, daß ein etwa 2 m breiter und 2,7 m hoher Schrein von Doppelflügeln ver schlossen war. Der Altar war damit um einiges schmäler als der Pacher-Altar in St. Wolfgang und von etwa demselben Ausmaß wie das Kefermarkter Werk. Die Höhenerstreckung wird hinter diesen bei den Altären (St. Wolfgang 12,7, Kefermarkt 13,5) kaum zurückgeblieben sein. Die geschlossenen Flügel zeigen vier Szenen aus der Sebastianslegende, das geöffnete äußere Flügelpaar zusammen mit den Außenseiten des inneren Flügel paares die acht Darstellungen der Pas sion Christi; die Innenseite der Innen flügel - also die Ansicht bei geöffnetem Schrein - war ursprünglich mit Reliefs unbekannten Inhalts besetzt. Es handelte sich somit um die Verbindung des oben angeführten westlichen, Malerei-orientierten Typs mit dem südlich alpenländischen Gestaltungsprinzip des vorherr schend plastischen Aufbaus. Die alte Tra dition — durch das spezifisch gestaltete Doppelflügelpaar individuell variiert — der Linie H. v. Judenburg, Multscher, Pacher schlägt sich also auch hier nie der. Die Predella hat statt der Außen flügel Standflügel, der rechte mit dem Bildnis des Stifters Propst Peter Maurer. Für den Schrein darf die kanonische Drei teilung angenommen werden, Winzinger denkt an Markgraf Leopold, Katharina und Ursula. Die Flügelreliefs könnten Szenen aus dem Leben des hl. Florian gezeigt haben^". Die Besonderheit des Passionszyklus ist, daß dieser nicht in Einzeldarstellungen zergliedert, sondern als Einheit mit durchlaufendem Horizont aufgefaßt wurde. Damit geht Altdorfer einen Schritt weiter als Pacher, von dem er allerdings perspektivische Einzelhei ten, besonders in der Tafel mit der ,,Ber gung des hl. Sebastian", die dem Laza rus des Wolfganger Altares nachempfun den ist, übernimmt. Neben Pacher und der oben dargestellten Tradition wirkt auch italienischer Einfluß stark mit. G. Bellini wird für die Gestaltung der ölbergszene geltend gemacht, einen di rekten Bezug konnte F. Winzinger in der Verwendung von Bramante-Stichen für das Inventar der Innenräume nachweisen^L Die kunstgeschichtliche Leistung der Tafeln Ist die Entdeckung und Verwirk lichung neuer malerischer Werte, die Ab lösung einer tektonisch in klare Räume gebundenen Darstellung durch eine all ergreifende Bewegungsgestalt. Dazu kommt die vermehrte Einbeziehung der Landschaft und atmosphärischer Werte, was schließlich zur Kunstgattung des autonomen Landschaftsbildes führt". Von den Flügelaltären, die dem Stil der Donauschule zugehören, sind in Öster reich neben dem Florianer Werk Altdorfers der ebenfalls nur zum Teil erhaltene Altar Wolf Hubers, des zweiten großen Meisters, in Feldkirch, und der Puikauer Altar die bedeutendsten. In Oberösterreich hat die Auswirkungen des Donaustils vor allem Kurt Holter^^ zu klären versucht. Die Forschung steht hier noch vor großen Problemen, da sich die sehr schwankende Qualität des über lieferten Bestandes oft recht schwierig ableiten oder einordnen läßt. Von der Werkstättensituation wird vermutet, daß in Enns, Linz und Wels Meister der Donauschule tätig waren. Freistadt und das Mühlviertel stehen, wie oben gezeigt, primär unter Kefermarkter Einfluß. Nach Wels sind die Schleißheimer Tafeln von 1519 lokalislerbar, ebenso wird die Werkstatt des Monogrammisten A. A., von dem unter anderem der 1518 datierte Großreiflinger Flügelaltar und das Toten bildnis Kaiser Maximilian I. stammen (beide Werke heute im Grazer Landes museum), in Wels vermutet. Der Künstler steht formal In starker Abhängigkeit von Dürer-Vorlagen, ist aber in koloristi scher Hinsicht nicht ohne Qualität. In einer Steyrer oder Kremsmünsterer Werkstatt ist der Meister der Kremsmün sterer Katharinenlegende tätig. Das dem Künstler den Notnamen gebende Haupt werk zählt zu den hervorragendsten Wer ken des Donaustils auf oberösterreichi schem Boden". Demselben Künstler werden neben anderen von K. Holter die gleichfalls in Kremsmünster verwahrten Tafeln eines Nothelferaltärchens mit ver mutlich dazugehörigen Predellenflügeln zugeordnet". Mit Linz bringt Justus Schmidt^' den Meister der Flügeltafeln, die auf der Innenseite Darstellungen der Legende der Maria Magdalena, auf der Außenseite die Christophoruslegende zeigen, in Verbindung. Besonders die Szenen der um 1510 entstandenen Christophorustafeln besitzen durch die sub tile malerische Landschaftsgestaltung gute Qualität. Mit diesem Künstler bringt Schmidt auch das aus Allhaming nächst Linz stammende kleine Flügelaltärchen mit der Darstellung des hl. Wendelin (heute Stiftsgalerie Kremsmünster) in Verbindung. Durch die früh angenom mene Datierung von 1505 erhält dieses kleine Werk eine Schlüsselstellung hin sichtlich des Einflusses und der Verbrei tung des Donaustils in Qberösterreich^'. Mit großer Wahrscheinlichkeit gehören in diese Gruppe auch die im oö. Landes museum befindlichen vier Tafeln mit Passionsszenen. Die Tafel der Kreuztragung ist 1507 datiert und mit H. bezeich net, weshalb seit der Donauschulausstel lung die ganze Gruppe dem Werk des Monogrammisten H. zugeordnet wird. Da der Wendelinsaltar aus Allhaming, eine Tafel der Christophoruslegende aus Lin zer Privatbesitz stammt, darf auch eine oberösterreichische Provenienz der Pas sionstafeln angenommen werden. Bereits nach Salzburg leitet der Flügel altar in der Filialkirche von Gebertsham über. Das bedeutende,1515—1520 datierte Werk wird dem Maler und Bildschnitzer Gordian Guckh aus der ehemals salz burgischen Stadt Laufen zugeschrieben: Der Altar folgt dem alpenländischen, süd lichen Typ mit plastischem Schrein und Flügelinnenseiten. Die Gliederung des Schreinreliefs lehnt sich zwar noch an die alte Dreiteilung an, jedoch ist die Darstel lung der Kreuzigung mit den beiden Schächern von bewegtem Geschehen er füllt, ein Vorgang, der sich in Pachers Altar in St. Wolfgang bereits ankündigte. Gordian Guckh zeigt sich damit alten Traditionen verbunden, der Stil der neuen Zeit hat ihn gerade mit einem Hauch berührt, aber besonders in den Landschaften der Predellaflügel hat sich diese Beziehung in reizvollen Darstellun gen niedergeschlagen. Damit sind in der gebotenen Kürze, wenn auch lange nicht alle, so doch die wesent lichsten Entwicklungs- und Verbreitungs tendenzen des gotischen Flügelaltares und der speziellen Situation in Qberösterreich gestreift. Nachzutragen wäre noch das gute Flügelretabel in der Bäckerkapelle der Braunauer Stadtpfarr kirche vom Anfang des 16. Jahrhunderts, der 1495 bezeichnete reizvolle Flügel altar von Pasenbach oder die sechs Flü geltafelbilder aus derselben Zeit in der Pfarrkirche von Bad Goisern, die Arbei ten der Frueauf-Werkstatt verwandt sind. — Es mag genug sein. — Als Eindruck bleibt eine verwirrende An zahl von Flügelaltären, die in einem sehr kurzen Zeitraum geschaffen wurden und die kunstgeschichtlich nicht linear in der Abfolge einer Entwicklung gesehen wer den können, sondern nur in der Kom plexität gegenseitiger Durchdringung und Befruchtung. Neben Altertümlichem

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